Two

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Der Regen wird weniger, aber die dunklen Wolken sprechen eine andere Sprache. Genau, wie die Menschen vor und hinter mir, beschliesse auch ich den Heimweg anzutreten. Also laufe ich weiter mit gesenktem Kopf durch die Strassen, überquere Kreuzungen und das mit dutzenden von Begleitern. 

Doch einer scheint einen besonderen Gefallen an mir gefunden zu haben. Denn der Kapuzenpulli Typ hält zwar einen gewissen Abstand, aber ist mir trotzdem nahe genug, um als aufdringlich zu gelten. Um der Sache ein Ende zu bereiten, bleibe ich stehen, mache einen Schritt nach rechts und schneide ihm so den Weg ab.

„Was soll das?" Ich schaue ihn an, er hält den Kopf gesenkt und seine Füsse wippen auf und ab, als wäre er in stetiger Unruhe. 

Als würde ich dieses Gefühl der Rastlosigkeit nicht kennen, schiesst es mir durch den Kopf.

„Sollten Stalker nicht im Hintergrund bleiben, oder bist du mehr einer von der direkteren Sorte?"

Meine Stimme klingt schroff, etwas tiefer als sonst, aber sie bringt meinem Gegenüber dazu, den Kopf zu heben und mich anzusehen. Wieder begegnen sich unsere Blicke und ich halte den Atem an. Denn erneut schlägt mir eine Traurigkeit entgegen, die mich an die dunkelste Zeit meines Lebens erinnert.

„Scheint so, als ob ich ein miserabler Stalker bin", entgegnet er und bringt mich mit seiner trockenen Antwort zum Schmunzeln. Auch wenn es nur ein leichtes Anheben der Mundwinkel sind.

„Scheint so." Ich zucke mit den Schultern und könnte glatt vergessen wohin ich unterwegs bin. Durch die durchweichten Klamotten an meinem Leib, beginne ich durch den leichten Wind zu zittern.

„Nun dann", sage ich, drehe mich um und laufe weiter. Doch es vergehen nur wenige Sekunden, ehe er zu mir aufschliesst und neben mir herläuft.

Wieso er das macht und ausgerechnet mir folgt, ist mir schleierhaft. Dennoch tut mir seine Gegenwart seltsamer Weise gut, obwohl ich es sonst immer gemieden habe in männlicher Begleitung unterwegs zu sein.

Und das seitdem ich ihn verloren habe.

„Wieso hast du die Horde von mir abgelenkt?", durchbricht er die Stille und schlussendlich meine Gedanken. Ich schaue ihn an und überlege nicht lange, bevor ich antworte: „Weil keiner gegen seinen Willen verfolgt werden sollte." 

Er nickt. Eine kurze und knappe Geste. Mehr nicht. Schweigend laufen wir weiter, während der Himmel über uns etwas aufklart. Mir fällt auf, dass er immer wieder zu mir rüberschaut, als würde er wissen wollen, was ich denke. Was nicht all zu viel ist, wie mir auffällt.

„Wohin gehst du?", wieder durchbricht er die Stille. Ich weiss nicht ob mir das gefällt, also wird es Zeit eine Gegenfrage zu stellen.

„Da steckt wohl doch ein kleiner Stalker in dir." Ich schaue ihn direkt an, um seine Reaktion mitzubekommen und das ist auch gut so. Denn sein Lächeln kommt so überraschend, wie es auch wieder geht. Nur ein paar Sekunden ist es zu sehen und doch, ist es das schönste was ich seit langem gesehen habe. 

Das klingt furchtbar kitschig und stereotypisch für eine Frau, die vor einiger Zeit ein schlimmes Ereignis erlebt und durchgestanden hat. Sie fühlt sich alleine, sehnt sich nach Zuneigung und Zärtlichkeit. Doch so bin ich nicht. Ich fühle mich wohl in meiner Haut, bin mit dem Verlauf meines Lebens im Reinen und ziehe keine Veränderung in Betracht. 

Doch er scheint noch auf der Suche zu sein und das ist die schlimmste Phase der Trauer. Man ist wie eine Fahne im Wind, schon der kleinste Lufthauch kann einem in eine komplett andere Richtung bringen und somit alles über den Haufen werfen, was man sich hart erarbeitet hat.

„Sieht ganz so aus."

„Du bist wohl ein Mann der ganz grossen Worte", scherze ich weiter und muss ebenfalls lachen.

Falling fast Flying highOnde as histórias ganham vida. Descobre agora