Eins

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Schweiß tropfte von ihrer Nasenspitze auf den Sand und hinterließ dort dunkle Flecken. Ihr durchnässtes Haar klebte ihr in Strähnen auf der Stirn. Macey zog geräuschvoll die Nase hoch und schluckte. Ein metallischer Geschmack breitete sich in ihrem Mundraum aus. Sie hob ihre zitternde Hand und wischte sich das Blut aus dem Gesicht.

"Willst du aufgeben?", hallte Elysias blecherne Stimme durch die Halle.

Macey blähte die Nasenflügel versuchte, so viel Luft auf einmal einzuatmen, wie möglich. Fast als erhoffte sie sich dadurch einen neuen Energieschub.

Sie grub ihre Finger in den Sand und nahm all ihre Kraftreserven zusammen. Dann drückte sie sich hoch und hob den Kopf.

"Ich gebe erst auf, wenn ich sterbe!", zischte sie und zur Antwort vibrierte ihre Waffe.

Wäre es nicht Elysia gewesen, hätte Macey geschworen, einen langgezogenen Seufzer zu vernehmen. Doch das Gesicht der fünften Turmwächterin verblieb - wie immer - vollkommen ausdruckslos.

"Wie du willst", erwiderte sie und hob den Arm, dessen Liriumbeschichtung im Licht der Deckenlampen aufblitzte. Sie machte eine ausholende Bewegung, wobei die silbrige Masse über ihre Haut tanzte und in ihrer Handfläche zu einer Sense zusammenfloss. Elysia hob die Waffe über ihren Kopf und die gigantische Klinge schwebte über ihr wie die Sichel des Mondes in sternklarer Nacht.

Macey biss die Zähne zusammen und hievte sich wieder auf die Füße. In ihrer Hand wimmerte das Lirium ihres Scimitars. Es versuchte, mit ihr zu kommunizieren, aber Elysias Sichelklinge unterband es. Nichts Neues für Macey. Und dennoch: Sie hatte sich fast schon an die Stimmen in ihrem Kopf gewöhnt. Wieder allein zu kämpfen fühlte sich an, als hätte man ihr etwas gewaltsam entrissen. Und es rief einem ins Bewusstsein, wie einsam man eigentlich war, wenn man versuchte, jemanden zu töten.

Sie umschloss die Klinge energisch und zur Antwort gruben sich die Adern in ihr Fleisch. Auch wenn Macey die Stimmen nicht mehr verstehen konnte, sie wusste, dass sie da waren und sie spürte, was sie ihr sagen wollten. Das konnte Elysia nicht verhindern.

Macey holte weit aus, den Blick auf das starre Gesicht ihrer Gegnerin geheftet, die noch keinen einzigen Kratzer davongetragen hatte.

Ihre Kraft würde nur noch für diesen einen Angriff reichen. Also musste sie alles auf eine Karte setzen. Elysias Waffe schützte ihren gesamten Körper vom Hals abwärts. Sie musste den ungepanzerten Bereich treffen, auch wenn die Turmwächterin damit rechnete.

Mit einem Aufschrei sprintete Macey los. Das Lirium versorgte ihren Körper mit Kraft und betäubte ihre Schmerzen, doch es war ebenfalls geschwächt. Entweder der nächste Schlag würde sein Ziel treffen - oder ihre Waffe zerfallen und Macey zu Boden gehen.

Unter ihren Füßen flog der Sand der Arena dahin, die Zuschauer auf den Tribünen rauschten schemenhaft am Rande ihres Sichtfelds vorbei. Schon längst schenkte Macey ihnen keine Beachtung mehr.

Vor ihr war nur noch die hünenhafte Gestalt ihrer Gegnerin, die jetzt mit ihrer Sense ausholte, sich jedoch nicht einmal die Mühe machte, ihren Stand für den nahenden Angriff zu verbessern.

Sie war sich ihrer Sache so sicher. Sie war so arrogant. Die arroganteste der fünf Wächter. Macey hätte alles dafür gegeben, ihr endlich ihr Schwert zwischen die selbstgefälligen Augen zu stoßen.

Kurz bevor nur noch wenige Armlängen die beiden Frauen trennten, sprang Macey ab. Ihre Muskeln jammerten, ihre Knochen ächzten.

Nur dieser eine Schlag. Nur einen einzigen Treffer, betete sie.

Alles lief wie in Zeitlupe ab, als sie ihre Waffe über ihre Schulter vorschwang und sie auf das Gesicht ihrer Gegnerin niederfahren ließ.

Für einen winzigen Moment wirkte es so, als wäre Elysia darauf nicht vorbereitet gewesen. Sie unternahm nichts, als die Klinge auf ihre Stirn zusteuerte.

Herz aus SteinWhere stories live. Discover now