KAPITEL FÜNF ㅡ kiss the blood off my hands

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„Begrüßt man so seinen hochgeschätzten Hyung?"

„Was willst du, Alter? Ich habe keine Zeit für dein ewiges Gelaber." Jeongguk wechselte das Handy auf das andere Ohr und streckte seine freie Hand aus, um einen wütenden Fahrer zu besänftigen, der wegen ihm eine Vollbremsung hinlegen musste und postwendend auf die Hupe schlug. Ein Fahrradkurier, der mit einem halsbrecherischen Tempo unterwegs gewesen war, musste seine Lenkstange herumreißen, um Jeongguk auszuweichen und schrie ihm etwas auf wütendem Arabisch hinterher.

„Sag mal, was machst du?", fragte Wonpil belustigt. „Klingt, als würdest du gerade mitten durch die Tour de France pflügen."

„Ich bin unterwegs, um mit Tae... Taehyung zu sprechen." Auch, wenn seine Freundschaft zu dem Erben des Kartells kein Geheimnis war, bemühte Jeongguk sich meist, es vor seinen Hitmen-Freunden nicht allzu offensichtlich auszusprechen. Wonpil und Kiyoung waren ohnehin der Meinung, dass er in jungen Jahren nur so weit aufgestiegen war, weil er mit Taehyung und seiner Familie auf bester Ebene unterwegs war.

„Wegen der Sache mit den Italienern von gerade eben?" Wonpil kicherte böswillig. „Ich würde dir ja sagen, pass auf, in solchen Situationen wird gerne auf den Boten geschossen, aber ich glaube, Taehyung würde nicht auf dich schießen, selbst, wenn jemand seine Hand zwingen würde."

Jeongguk ignorierte ihn. „Wieso rufst du an, Wonpil?"

„Eigentlich nur, um dir zu sagen, was du ohnehin schon weißt." Er seufzte gespielt und Jeongguk hörte ein Klirren im fernen Hintergrund, als ob gerade ein Teller zu Bruch gegangen wäre. „Die Italiener... zumindest glauben wir, dass es die Italiener waren, weil wer kann das schon sagen – haben ein Blutbad angerichtet in unserer Domäne, geradewegs unter unserer Nase–"

„Ja", unterbrach ihn Jeongguk. „Ich weiß. Ich war gerade dort."

Dies schien Wonpils Sensationalismus den Wind aus den Segeln zu nehmen; zumindest vorübergehend. „Echt? Du warst schon da? Und das, ohne mir mindestens vierzig Schnappschüsse von der Szenerie zu schicken? Ich hab' gehört, eine der Wände soll vor Blut karmesinrot sein. Stimmt das?"

„Sehe ich aus wie ein Forensiker?" Jeongguk seufzte, gerade als er auf der anderen Seite der Straße den Gehweg erreichte und sich vor den unnachlässig vorbeischießenden Fahrzeugen rettete. „Es war auf jeden Fall... wirklich ein Blutbad. Wer auch immer sich dort eingeschlichen hat, der hat ganze Arbeit geleistet. Wir hatten mehr als fünfzehn Cutter dort; welche unserer besten – du weißt schon, die die auch für die letztwochentliche Probelieferung in Seokjins Einzugsgebiet verantwortlich waren."

„Ja, ich erinnere mich dunkel", erwiderte Wonpil seufzend. „Um die Bronx zu beliefern, oder?"

„Die Bronx ist streng genommen ja neutrale Zone. Aber sie gehört nicht der Cosa Nostra; und trotzdem scheint es ihnen nicht geschmeckt zu haben, dass wir dorthin expandieren wollten."

„Dass Mr. Seokjin Kim dorthin expandieren wollte, meinst du." Ein Hauch der Verschlagenheit hatte sich in Wonpils beiläufigen Ton breitgemacht und Jeongguk lief ein Schauder über den Rücken. Eigentlich versuchte er seinen Hass auf den ältesten der Kim-Cousins genauso zu verschleiern, wie seine Freundschaft zu Taehyung – es war nichts, von dem man ganz oben erfahren sollte, wenn ihm sein Leben lieb war – aber die Erwähnung seines Namens war jedes Mal genug, um seiner Laune einen jähen Dämpfer zu verpassen.

„Ja, Seokjin, natürlich. Ich habe Taehyung gleich gesagt, dass wir uns lieber in Acht nehmen sollten, weil... etwas offensivere Parteien bei unseren... italienischen Freunden das sicherlich als Affront gegen das Abkommen sehen – und jetzt sieh mal, wer recht hatte."

SLOWTOWNWhere stories live. Discover now