Die schwarze Maske

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"Wer sind Sie?", fragte sie neugierig und verspürte dabei keinerlei Angst. Sie ging sogar einen weiteren Schritt auf ihn zu, um ihm zu zeigen, dass die keine Angst vor ihm hatte. Der Mann antwortete nicht, sondern schnaufte nur. Minutenlang, nachdem nichts passiert war, hörte sie ein leises "Plop" vor ihren Füßen. Als sie nach unten sah, erkannte sie ein zerknülltes Blatt Papier, das sie nun vorsichtig aufhob und auseinanderfaltete.

"Geliebte Valerie,

Lange habe ich überlegt, was ich dir sagen, bzw. Dir schreiben könnte, wenn wir uns nach so vielen Jahren endlich sehen. Endlich bekomm ich dich zu Gesicht und es erfüllt mich mit Stolz, zu sehen, was für eine wunderschöne junge Frau du geworden ist. Du siehst deiner Mutter unglaublich ähnlich, doch deine Augen sind dieselben wie meine. Du wirst sicher viele Fragen haben, die ich dir sicher nicht alle beantworten kann. Fürs erste musst du folgendes wissen: Ich bin dein leiblicher Vater. Ich habe dich vor 17 Jahren gezeugt, um einen Nachfolger/in zu haben, der/die in meine Fußstapfen treten und meine Aufgabe weiterführen würde. Du wirst sicherlich meinen Namen aus den Medien kennen. Ich bin Michael Myers und dein Vater. Komm mit mir nach Hause Valerie. Haddonfield ist dein Zuhause. Dort wurdest du geboren. Dort können wir endlich eine Familie sein.

PS: Alles Gute zum Geburtstag!"

Sie starrte mit schreckgeweiteten Augen auf das Stück Blatt Papier. Ihre Hände zitterten unkontrolliert und ihr Atem ging nur noch stoßweise. Sie sah mit Tränen in den Augen hoch und der Mann war inzwischen aus der Dunkelheit getreten. Nun stand er so nah vor ihr, dass er sie berühren könnte, wenn er die Hand ausstreckte. Sie merkte, wie heiße Tränen ihre Wangen hinunterliefen, doch der Mann strich sie sachte weg.

"Dad?", fragte das junge Mädchen flüsternd, da sie zu mehr nicht fähig war. Der Mann nickte und nahm seine Tochter zum ersten Mal in ihrem Leben in den Arm. Als sie sich endlich beruhigt hatte, sah Valerie ihm in die Augen. Es waren tatsächlich dieselben Augen, wie sie sie hatte. Das konnte sie zweifelsfrei erkennen.

"Darf ich dich sehen?", fragte sie vorsichtig und er nickte. Daraufhin zog er sich langsam die Maske vom Kopf. Ein älteres Männergesicht kam zum Vorschein. Ein leicht angegrauter Haaransatz war in seinem schwarzen Haar zu erkennen. Die Hälfte seines Gesichtes war von Narben nur so entstellt und auch die Hände wiesen ungemeinliche Verletzungen auf. Valerie lächelte und strich vorsichtig über die lange Schnittnarbe, die Michael direkt unter seinem Auge trug. Er nahm ihre Hand in seine und drückte diese ein wenig. Es war ungewohnt für ihn, so berührt zu werden, da er es seit über 40 Jahren nicht mehr zugelassen hatte, doch er hatte das Gefühl, dass er in der Gegenwart diesen Mädchens, das sein eigenes Fleisch und Blut war, sich so zeigen konnte.

"Komm Dad, lass uns gehen! Bring mich nach Hause!", sprach Valerie mit einem Anflug von Vorfreude. Sie war schon ganz gespannt auf ihre Heimatstadt. Sie hatte in ihrem bisherigen Leben nicht mehr, als Orange County gesehen. Sie wollte einfach nur noch weg hier. Michael zog sich wieder die Maske über den Kopf und nahm seine Tochter an die Hand. Gemeinsam gingen sie die Treppe nach unten, wurden jedoch von Valeries zweitjüngstem Bruder aufgehalten. Gerade, als Valerie mit ihrem Vater durch die Tür verschwinden wollte, hatte er ihre Hand gepackt und hart zurückgezogen. Valerie schrie laut auf und versuchte sich loszureißen.

"Lass mich los, du Vollhonk!", schrie sie ihn an, doch er dachte gar nicht daran.

"Wie konntest du uns das nur antun? Deiner eigenen Familie? Was haben wir dir je getan, dass du uns so sehr hasst?", knurrte er und packte noch fester zu, dass es Valerie fast das Blut abschnürte. Da war es um das junge Mädchen geschehen. Ihr letztes Bisschen Mitgefühl verschwand und machte dem blanken Hass den Weg frei. Die Wut durchströmte ihren Körper, ließ ihre Adern pulsieren. Der Blick, den sie ihrem Bruder zuwarf, war finsterer als die Dunkelheit. Sie sagte kein Wort, sondern schnaufte nur mit dem Mund tief ein und aus. Ihr Bruder zuckte erschrocken zurück und lockerte dabei seinen Griff etwas. Diesen Moment nutzte Valerie aus, um sich aus dem harten Griff zu befreien und ihn mit voller Wucht gegen die Wand zu schubsen. Ihr Bruder hatte nun eine riesige Platzwunde am Kopf und das Blut tropfte über sein Gesicht. Valerie atmete tief ein und aus. Endlich konnte sie all ihren hinuntergeschluckten Zorn, Hass und Wut herauslassen. Das blanke Entsetzen stand dem Jungen ins Gesicht geschrieben, als er seine Schwester langsam und bedrohlich ihre pechschwarze Maske aufsetzen und schließlich dann auf ihn zugehen sah. Sein Kopf dröhnte, doch er nahm die Schmerzen kaum wahr. Alles, worauf er sich konzentrieren konnte, waren diese tiefdunkelblauen Augen von Valerie, die fast schon schwarz wirkten und in der Dunkelheit hinter der Maske bedrohlich aufblitzten. Er hatte noch nie solch eine Angst gehabt. Er zitterte am ganzen Körper und das schien ihr Freude zu bereiten. Valerie konnte sich tatsächlich ein hämisches Grinsen nicht verkneifen, als sie Johnny so verängstigt und zitternd am Boden krümmend sah. Da wurde ihr auf einmal eine schwere Hand auf die Schulter gelegt und als sie ihren Kopf nach rechts drehte, stand ihr Vater direkt neben ihr und hielt ihr das Messer hin. Sie nahm es ehrfürchtig entgegen und strich sachte darüber, als wäre es ihr größter Schatz. Sie sah Michael in die Augen und dieser nickte. Valerie wendete sich wieder dem am Boden kauernden Jungen zu. Der blanke Hass durchströmte ihren Körper und ließ ihr schwarzes Herz glühen wie Feuer. Ihre Hand schoss blitzschnell hervor und packte ihn am Kragen. Sie hob ihn mit einer solchen Leichtigkeit hoch, dass sie glaubte, sie würde eine Feder halten.

"Valerie bitte, bitte nicht. Es tut mir leid. Es tut mir leid. Nur bitte tu mir nicht weh! Tu mir nicht weh!", schrie Johnny immer wieder schluchzend, doch das ließ sie erstaunlich kalt. Keine einzige Regung zeichnete sich in ihrem Gesicht ab.

Doch die 17-Jährige ließ wieder nur ein lautes Schnauben erklingen und mit ihrer freien Hand schnitt sie ihm die Kehle durch, ohne dabei auch nur eine Regung hinter der Maske zu zeigen. Blut spritze in ihr Gesicht und sie ließ Johnnys Lörper einfach los, sodass seine Leiche auf den Boden knallte. Ihr Körper fühlte sich leer an, so als ob ihr jegliche Emotionen ausgelöscht worden waren. Sie fühlte nichts, bis auf tiefschwarze Finsternis in ihrem Innersten. Sie drehte sich zu ihrem Vater um. Sie konnte es zwar nicht sehen, doch sie wusste, dass er stolz auf sie war. Sie konnte es spüren. Er streckte seinen Arm aus und sie ergriff seine Hand, die voll von Brandnarben war.

"Bring mich nach Hause Dad.", flüsterte sie durch die Dunkelheit, als sie nach draußen getreten und an der vierten Leiche ihrer Brüder achtlos vorbeigegangen waren, dessen beide Arme abgetrennt worden waren und die Augen starr und tot ihnen nachschauten.

Die Rache der Myers TochterWhere stories live. Discover now