Die Rache der Myers Tochter

Wachsender Hass

ORANGE COUNTY - 30. Oktober

"VALERIE!! KOMM JETZT ENDLICH RUNTER!", schrie Oliver Hunter, so laut er konnte, in den ersten Stock hinauf. Valerie, die in ihrem Zimmer vor ihrem Schminkspiegel saß und sich gerade das lange schwarze Haar durchkämmte, verdrehte genervt die Augen. Dass ihr Vater auch immer so einen Terz veranstalten musste. Dabei hatte sie noch genug Zeit, bis die Schule anfing. Ihr Handy, das noch friedlich am Ladekabel auf dem Nachttisch lag, vibrierte kurz und signalisierte ihr, dass sie eine Nachricht hatte. Sie legte ihre Haarbürste beiseite und schnappe sich ihr Handy, um sich damit aufs Bett zu schmeißen. Als das junge Mädchen erkannte, dass ihr ihre beste Freundin geschrieben hatte, entwich ihr ein strahlendes Lächeln.

F: Bin in 20 Minuten bei dir :) Und vergiss den Lippenstift nicht, den du mir ausleihen wolltest!

Valerie grinste jetzt regelrecht und textete eine Antwort.

V: Haha is klar :) Bis dann!

"VALERIE!!!!!!", ertönte es ein weiteres Mal von unten und jetzt klang seine Stimme richtig wütend. Valerie verzog das Gesicht zu einer Grimasse und stopfte in aller Eile ihre Schulbücher in ihre Micheal Kors Tasche. Danach tuschte sie noch schnell ihre Wimpern und betrachtete zufrieden ihr Ergebnis. Sie war eigentlich sehr zufrieden mit ihrem Aussehen. Sie hatte lange schwarze glatte Haare, stechend tiefblaue Augen und einen schmalen Körper, auf den viele Mädchen neidisch waren. Sie schnappte sich ihr Handy und die fertig gepackte Tasche und lief die Treppe nach unten. Die Tasche stellte sie im Hausflur ab, während sie ihr Handy hinten in ihre Hosentasche schob. Ihr Vater hatte es nämlich gar nicht gern, wenn man am Essenstisch mit dem Handy da saß. Sie setzte ein falsches Lächeln auf und setzte sich zu ihrer Familie an den Frühstückstisch. Sie hatte noch genau 15 Minuten, bevor ihre beste Freundin Jessica sie abholen würde.

"Da bist du ja endlich! Wie oft habe ich dir eigentlich schon gesagt, dass ich dich nicht hundert Mal rufen will, bevor du endlich herunterkommst.", maulte ihr Vater, der sich gerade ein Brötchen mit Marmelade bestrich. Valerie unterdrückte gerade noch so ein weiteres genervtes Augenverdrehen, da sie genau wusste, dass ihr Vater dies noch mehr hasste, als wenn man ihn warten ließ.

"Tschuldigung.", nuschelte sie und nahm sich das letzte Brötchen aus dem Brotkorb. Sie hatte schon lange aufgehört, sich über ihre vier überaus gefräßigen Brüder zu ärgern. Sie versuchte ihnen einfach aus dem Weg zu gehen und so wenig Worte wie möglich mit ihnen zu wechseln. Denn sie waren allesamt die Lieblinge ihres Vaters und sie war das schwarze Schaf der Familie. Sie war diejenige, für die sich ihr Vater zutiefst schämte. Auch wenn sie immer versuchte, es zu verstecken, es tat ihr jedes Mal furchtbar im Herzen weh, wenn ihr Vater sie wieder niedermachte. Dabei nahm er jedes Mal ein kleines Stückchen ihrer Seele und zerstörte es. Nur ihre Mutter hielt die meiste Zeit zu ihr und versuchte sie vor ihrem Vater zu verteidigen, was ihr manchmal gelang und manchmal nicht. Doch Valerie nahm es ihr nicht übel. Sie wusste, dass ihre Mutter sie liebte. Als sie ihr Brötchen mit Nutella bestrich, spürte sie die stechenden Blicke ihrer Brüder, die auf ihr lagen. Sie sah hoch und alle vier grinsten sie hämisch an. Ihre linke Hand bildete sich unterm Tisch zur Faust. Wie sie dieses Haus satt hatte. Wie sie ihre Familie satt hatte. Sie wünschte sich so sehr, dass sie sich ihre Familie aussuchen könnte. Wieso konnte sie nicht auch so einen liebevollen fürsorglichen Vater wie Jessica haben?

"Könnt ihr vielleicht dieses ewige Gegrinse mal lassen?", zischte sie genervt in ihre Richtung.

"Valerie, lass deine Brüder in Ruhe. Die haben dir nichts getan und die können auch nichts dafür, dass du jeden Morgen zu spät dran bist.", sprach ihr Vater schon wieder das Machtwort, dass sich immer gegen sie richtete. Valerie fiel ihr Brötchen aus der Hand, das nun schwungvoll wieder im Teller landete. Sie drehte sich zu ihrem Vater und musterte ihn mit einem trotzigen Blick.