Die schwarze Maske

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Valerie betrat mit einem mulmigen Gefühl im Magen den Vorgarten ihres Hauses. Im Haus war es stockfinster, kein einziges Licht brannte. Sonst las ihre Mutter um diese Zeit immer noch. Sie erreichte die Veranda und sah sich dabei immer wieder um, ob ihr nicht jemand gefolgt war. Sie steckte den Schlüssel ins Schloss und sperrte die Tür auf. Im Haus war es ganz still. Weder die stapfenden Schritte ihrer wilden Brüder, noch die lauten Stimmen ihrer Eltern waren zu hören. Ihr mulmiges Gefühl verwandelte sich in Angst. Seit das junge Mädchen nach dem Streit mit ihren Eltern durch die Tür und zur Halloweenparty in der Highschool abgehauen war, hatte sie dieses komische Gefühl gehabt. Sie stieg langsam und leise die Treppenstufen hinauf. Im Flur sah sie sich einige Sekunden lang um, bevor ihr auffiel, dass die Schlafzimmertür ihrer Adoptiveltern nur angelehnt war, was sonst ebenso nicht typisch für sie war. Sie drückte die Tür zuerst ein wenig auf, doch dann entschloss sie sich, ganz nachzusehen. Schlussendlich stieß sie die Tür auf, doch im Zimmer war weit und breit niemand. Das einzig auffällige Detail in diesem Raum, war das leise Plätschern von Tropfen, die auf den Boden fielen. Verwirrt ging Valerie näher an den Kleiderschrank ihrer Adoptivmutter heran, um herauszufinden, was sich hinter diesem seltsamen Plätschern verbarg. Mit zitternden Händen öffnete sie beide Seiten des Schrankes und heraus fielen der Körper ihrer Adoptivmutter und zwei ihrer Brüder. Valerie schrie erschrocken auf und wich einige Schritte zurück. Dabei stolperte sie rückwärts über den Kopf ihres ältesten Bruders und stürzte zu Boden. Seine leeren Augen starrten sie vorwurfsvoll an, als wollten sie sagen, dass sie besser aufpassen sollte, wo sie hintrat. Doch der Anblick ihrer Adoptivmutter war schlimmer. Ihre Augen hatten sich nach innen gedreht und waren nur noch milchig weiß. Ihre Kehle war durchgeschnitten worden, genauso wie die ihres jüngsten Bruders. Dem Ältesten von ihnen steckte ein Messer im Kopf. Eine riesige Blutlache hatte sich auf dem gesamten Fußboden verteilt und die erschrockene Valerie saß mittendrin. Da wurde die Tür quietschend ganz aufgeschoben und zum Vorschein kam ihr Adoptivvater. Er hatte die Augen vor Schreck weit aufgerissen und das blanke Entsetzen stand ihm tief ins Gesicht geschrieben.

"VALERIE, WAS HAST DU GETAN? WAS HAST DU GETAN? DU HAST SIE ERMORDET! MÖRDERIN!", schrie er aus vollem Halse, dass das junge Mädchen vor Schreck zusammenzuckte. Sie schüttelte heftig den Kopf und versuchte zu erklären.

"Nein ich war das nicht! Ich bin gerade erst nach Hause gekommen. Dad, ich war das nicht!", wehrte sie sich, doch weiter kam sie nicht, denn Mr. Hunter hatte weit ausholt und seine Faust war mit voller Wucht in ihrem Gesicht gelandet. Sie schrie laut auf und hielt sich die Nase, aus der nun ebenfalls das Blut schoss. Er packte ihre Handgelenke und zerrte sie zu sich her.

"Nein bitte lass mich! Ich habe gar nichts getan!", schrie sie immer wieder unentwegt, doch es half rein gar nichts. Mit einer Hand hielt er ihre Handgelenke zusammen und mit der anderen riss er ihren Kopf an ihren Haaren so ruckartig nach hinten, dass es zum zweiten Mal laut knackste. Valeries Nacken schmerzte bestialisch, doch sie biss sich mit aller Kraft auf die Lippen, um nicht in Tränen auszubrechen. Er schmiss sie mit voller Wucht gegen die Wand und zog sie an ihren Haaren wieder zurück. Valerie sank langsam immer weiter auf die Knie und er schlug ihr nochmal ins Gesicht. Valeries Blick wurde trüb. Sie hatte das Gefühl jeden Moment das Bewusstsein zu verlieren und in ein tiefes schwarzes Loch zu fallen. Verschwommen konnte sie eine schemenhafte Gestalt hinter Mr. Hunter sehen, die ihn nun fest am Hals gepackt und hochgehoben hatte. Diese Person hatte eine erstaunliche Kraft, denn Mr. Hunter wog ganz bestimmt mehr als 80 Kilo. Valerie konnte dessen verzweifeltes Röcheln nur abgedämpft hören und schließlich ein Geräusch des Nachenbruchs. Die schemenhafte Gestalt kam nun auf sie zu, doch Valerie kümmerte dies wenig, denn die Gestalt verschwamm plötzlich ganz, bevor alles um sie herum schwarz wurde.




Valerie schlug abrupt die Augen auf und sah sich panisch um. Sie konnte nicht lang bewusstlos gewesen sein. Höchstens 10 Minuten. Sie sah an ihre Hände hinunter, die zu Valeries Entsetzen voller Blut waren. Sie versuchte, langsam aufzustehen, was ihr erst nach wenigen Minuten gelang. Als sie endlich stand, fiel ihr etwas in ihrem Blickwinkel auf. Sie reckte den Kopf nach links und da hing ihr Adoptivvater tot und kopfüber von der Decke herunter. Seine Augen waren leer und tot, sein Mund stand sperangelweit auf und an ihm floss nur so das Blut herunter. Valerie wich etwas zurück, doch diesmal war sie keinesfalls erschrocken. Sie musterte den toten Mr. Hunter und sie musste sich innerlich eingestehen, dass er ihr so besser gefiel. Sie verspürte keine Traurigkeit, die sie eigentlich empfinden sollte. Sie fühlte sich befreit und überaus erleichtert. Sie hatte ihn so sehr gehasst und wer immer ihn getötet hatte, demjenigen war sie auf ewig dankbar. Da hörte sie plötzlich hinter sich Schritte und mit einer einzigen Bewegung war sie herumgewirbelt. Ein Mann mit einem Blaumann und einer weißen Maske, die das komplette Gesicht verdeckte und nur Löcher für Nase, Mund und Augen hatte, stand direkt vor ihr und starrte sie an. Er hielt ein großes Fleischermesser in einer Hand, an dem massig Blut klebte. Valerie wunderte sich über diesen seltsamen Mann, der einfach nur in der Ecke des Raumes stand, stumm wie ein Fisch und nur schnaufte. Sie konnte sein Schnaufen hören. Es klang seltsam vertraut.

Die Rache der Myers TochterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt