David's Mom

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"David. Du bist querschnittsgelähmt." Die Nachricht traf mich wie ein Schlag. Ich blieb noch einen paar Wochen im Krankenhaus. Und dann geschah etwas Seltsames. Es war das Merkwürdigste und Undenkbarste was ich je sah. Ich spürte wieder etwas, wo ich, nach Meinung der Ärzte, nie wieder etwas spüren würde. Ich spürte nicht nur die Decke auf meinen Beinen. Ich spürte mehr als je zuvor.

Dann schlief ich ein. Am nächsten Tag fragte ich den Arzt. Er machte ein nachdenkliches Gesicht. "Das ergibt für mich keinen Sinn. Ist es immer noch so, oder hast du geträumt? Das einzige was eine Erklärung wäre. Phantomschmerzen. Aber nicht direkt nach dem Unfall. Was du beschreibst klingt mir da ganz anders."

Doch es passierte wieder und wieder. Die Empfindungen wurden stärker. Irgendwann sah ich wie mein Zeh sich bewegte.

Der Klinik-Psychologe trat in mein Zimmer: "Wie fühlt es sich an?"  "Zuerst spür ich ein Kitzeln und Kribbeln auf der ganzen Haut. Sobald es wieder aufhört, fangen meine Beine an zu glühen, als hätte ich gerade einen Marathon gelaufen. Das hält dann auch an. Es wird intensiver. Irgendwann habe ich dann das Gefühl, ich könnte jede einzelne Muskelfaser, jede Fibrille, spüren. Ich spüre auch etwas in den Adern. Strömendes Blut. Es ist als wäre ich in meiner Blutbahn, als hätte jeder Bestandteil meines Körpers ein Bewusstsein und will es mir mitteilen. Bevor alles wieder aufhört, bemerke ich seit kurzem ein Muskelzucken. Es hat den Anschein als bewegten sich meine Beine minimal.", gab ich zur Antwort. Der Psychologe fing an etwas zu notieren. Dann zeigte er mir seinen Zettel. Darauf stand: "IDIOT" Als ich das las, brach der Typ in lachen aus. "Verschwende nicht meine Zeit, du dummer Nerd." Von da an wusste ich, dass mir niemals jemand glauben würde.

Am nächsten Tag kam meine Mutter in mein Zimmer. Sie weinte und ging wieder.

Eines Tages konnte ich wieder laufen. Keiner würde es mir glauben. Ich tat es selbst nicht so recht. Ich befürchtete, dass die Ärzte mich für ein Monster halten würden.

Jedes meiner Glieder war beweglich. Das Gefühl der bewussten Adern und Muskelfasern hielt nun dauerhaft an. Ich spürte eine große Kraft, die meinen Körper durchströmte. Urplötzlich erinnerte ich mich an alles, was damals auf dem Skatepark geschah. An die Vampire, wie sie auf mich eindroschen, an das Mädchen mit dem menschengroßen Wolf an der Leine, mit dem sie die Vampirbestien vertrieb, und an den Tag an dem das Mädchen nicht vorbeikam. Ich ging alleine zum Skatepark. Die Bestien mit ihren roten Augen verfolgten mich. Auf einer Wiese waren sie bereit mich zu erschlagen. Ich konnte ausweichen. Schließlich gewannen sie wieder die Oberhand. Unzählige Schläge zermahlmten mir die Knochen, zerdrückten und zerspießten mir die Organe. Dann fielen sie über mich her. Das letzte was geschah fiel mir immernoch nicht ein. Immer und immer wieder spielten sich die grausigen Szenen vor meinem inneren Auge ab.

"Ich müsste tot sein", dachte ich. Es war alles so verwirrend. Ich fasste einen Entschluss. Bis zu dem Moment, wenn sich alles aufklären würde, musste ich verschwinden. Ich stand vom Bett. Schritte näherten sich meinen Zimmer. Gleich würde der Arzt kommen. Ich öffnete das Fenster, griff das Brett und schwang mich auf die andere Seite. Ich stürzte in den Abgrund. Es waren gute 15 Meter. Unter meinen Armen erschienen für einen winzigen Moment gigantische Schwingen. Ich landete auf dem Dach eines Krankenwagens. Das Fahrzeug verbeulte unter der Wucht meines Aufpralls. Ich kniete auf dem Fahrzeug. Nach einiger Zeit sah ich auf. Ich konnte mich bewegen. Als ich auf mich herabsah, bemerkte ich, dass ich vollkommen unverletzt war.

"Gut gemacht Dämon", hallte eine Stimme in meinem Kopf. Ich erschrak. Wer hatte das gesagt. Ich blickte mich um.

Plötzlich stürmten Leute aus dem Krankenhaus und kamen auf mich zu. Ich floh so schnell ich konnte. Ich wollte nicht das mich jemand erkannte und der Vorfall weiteres Aufsehen erweckte. Ich rannte so schnell ich konnte und fand mich in einem großen Garten in einer Vorortsiedlung wieder. Für den Moment brauchte ich eine Pause. Ich sah mich um. Der Garten war weitläufig. Er bestand aus einer einzigen großen Wiese. Am anderen Ende der Wiese befand sich ein Haus. Es war größer und herrschaftlicher, als die Holzhäuser in den vielen Armenviertel. Ich wusste nicht recht, wo ich mich befand. Das Krankenhaus befand sich in einer mir unbekannten Gegend von Memphis.

"Bring dich in Sicherheit.", hörte ich die Stimme in meinem Kopf. Ich wusste nicht wer mein Schutzpatron war, aber er hatte Recht. Just in diesem Augenblick sah ich in dem Fenster des Hauses etwas aufblitzen. Kurz darauf spürte ich einen stechenden Schmerz in meinem Bein.

Nach der Freude darüber, dass das Gespür in meine Beine zurückkehrte, vergaß ich das negative am körperlichem Empfinden, den Schmerz. Es war nicht zuletzt deshalb so verwunderlich, weil ich bei der Landung keinen Schmerz spürte.

Der leichte Schwindel wich sofort. Ich sah an mir herunter und entdeckte einen großen Armbrustbolzen in meinem Oberschenkel. Ein alter Mann mit erhobener Armbrust kam aus dem Haus direkt auf mich zugerannt. Ich suchte humpelnd das Weite, sprang und zog mich über den Zaun und versteckte mich im Nachbargarten hinter einem stämmigen Baum. Der Schmerz kehrte zurück. Ich verzog das Gesicht. Fest drückte ich mich an die Rinde, in der Hoffnung, mein Verfolger würde mich nicht entdecken.

Ich ging davon aus, der Mann war erbost darüber, dass ich sein Grundstück betreten hatte. Es war amerkanisches Recht und allgemein verständlich, so auf angebliche Eindringliche zu reagieren. Das er eine Armbrust, ein historischen Gegenstand, dazu benutzte und den Gesichtsausdruck, den ich von ihm erhaschte bevor ich mich über den Holzzaun schwang, ließen mich an meiner Annahme zweifeln. Es war nur so ein Gefühl, aber ich sah in seinem Gesicht, eine gewisse Absicht, nicht irgendeinen Eindringling, sondern mich zu erwischen, aus welchem Grund auch immer. Als hätte er es auf mich abgesehen. "Er hat es auf dich abgesehen.", spukte es in meinem Kopf. Ich wusste nicht genau, ob es mein eigener Gedanke war, oder ob ihn mir jemand zugeflüstert hat.

Ich traute mich nicht, den Schutz des Baumes zu verlassen. Ich wunderte mich. Unerklärlicherweise, war es totenstill. Die ganze Zeit über, als ich nachdachte und schon seitdem ich mich auf der anderen Seite des Zauns befand.

Ich sah mich in dem Garten um, in dem ich mich befand. Mein Körper erstarrte. Nicht weit von mir stand ein blondes Mädchen und fixierte mich mit ihren Augen. "Du bist hier in Sicherheit. Du kannst hervortreten.", meldete sich erneut die Gedankenstimme, dich ich mit dem Mädchen in Verbindung brachte. "Das ist unmöglich, das kann nicht sein", dachte ich.

Der durchdringende Blick der Göre irritierte mich. Ihre Augen funkelten. "DÄMON.!", schrie mich etwas in meinem Kopf an. Ihre steife Miene veränderte sich. Sie fing an zu grinsen. Ich hatte keinen Zweifel mehr. Sie war es. Sie sprach in meine Gedanken. Erklären konnte ich es mir trotzdem nicht.

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