2.1

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Colum hielt das junge Mädchen in seinen Armen, bis er sich ganz sicher war, dass sie endlich eingeschlafen war, und staunte doch immer noch, welche unfassbare Stärke in diesem zarten, schwachen Körper wohnte.
Bei den Ahnen ...
Und er konnte es zudem noch immer nicht fassen. Sie war eine echte Fee! Er, Colum, Fingarrs Sohn, war tatsächlich durch das Tor des Dit'haill in die Anderwelt gelangt und hatte dort eine echte, lebendige Fee gefangen, noch bevor sie ihm ebenso entfliehen konnte wie die anderen zwischen den Steinen hastig weggesprungenen Schönheiten.
Schon seit hunderten von Jahren erprobten sich die jungen Dragon darin, die uralte Legende wahr werden zu lassen und ihrem Land das erhoffte Glück einzufangen, wann immer sich die magischen Steine öffneten und einen kurzen Moment lang das Tor in die Gefilde der Anderwelt freigaben. Doch ihm war nun das schier Unglaubliche geglückt. Er hatte sich diese kleine Fee gefangen, die man auch tatsächlich an deutlichen Merkmalen erkannte: Rot schimmerndes Haar, wehende Schleier, welche sie verhüllten, viele, zu einem magischen Kranz gewundene Blumen im Haar und die Abneigung gegen weltliche Genüsse wie scharfen Alkohol und intime Be-rührungen. Außerdem war da eine ständige, tief empfundene Kälte.
Ja, Feen wurden angeblich sehr leicht krank oder verletzt. Er musste demnach nun ab sofort vorsichtig mit ihr sein, ... sehr, sehr vorsichtig. Und das würde er auch.
Sein Herz klopfte immer noch rasend schnell vor Aufregung. Sie hatte ihn zu spät gesehen. Und als sie sich nicht mehr drehte und ebenfalls verwirrt ihre Lampe emporhob, hatte er ihr auch schon den Fuß unter dem Leibe weggefegt, damit sie ihm nicht mehr davonlaufen konnte.
Er sah den Fleck an ihrem Bein, der sich dunkel auf ihrer weißen Haut ausbreitete. Er hatte sie dort schmerzhaft verletzt, kein Wunder also, dass sie ihm nun floh. Doch er konnte sie nun auch nicht mehr einfach so gehen lassen, wo er sie doch gerade erst gefangen hatte.
- Götterfeuer ...
Ihre Haut war so makellos weiß wie frisch gefallener Schnee, ihre Augen riesig groß und so grün wie das Gras seiner Heimat im Frühjahr, bevor es dann nicht viel später schon dürr und trocken wurde. Ein Glitzern und Glänzen wie von silbrigem Feenstaub lag auf ihren noch immer leicht geröteten Wangen und den geschlossenen Augenlidern, ihre Lippen waren dagegen voll und rot ...
Ja, sie war wirklich wunderschön, dachte er bei sich und sah auf ihre nun reglos schlummernde Gestalt hinab, die endlich seiner Drachen-Magie erlegen war.
Wie sehr sie noch gegen ihn angekämpft hatte ... Ja, in der Tat.
Ihre eigene Magie wirkte stark, doch jetzt, ohne ihre Freundinnen und ohne ihren Kreis, ohne die magischen Steine des Dit'haill, zu denen sie sich erneut hatte flüchten wollen, um zurück in ihre Lande zu kommen, würde sie wohl sehr schnell sterblich wie auch machtlos werden. So zumindest hatten es früher immer die Alten erzählt.
Bei den hellen Sternenlichten ...
Er musste sie morgen schnell zum Clan bringen ... und zu Fingarr, seinem Vater und Mog'a'gur.
Wie sehr er ihn noch heute früh nach der Auslosung des diesjährigen Feen-Jägers verhöhnt hatte.  Die Wächter lachten sicher immer noch bei ihrem Festgelage über den unfähigen Jüngling bei seinem tollpatschigen Versuch, eine Fee zu fangen ...
Als Nestling hatte er ja oft den mystischen Geschichten der sehr alten Dragon gelauscht, die von den wunderschönen schwebenden Feen am Dit'haill berichteten und ihrer raschen Flucht nach ihrem Auftauchen. Sie waren zu langsam gewesen, die Feen zu aufmerksam, hatten sie erinnerungsselig lächelnd gemeint. Aber diese hier, Feeline, hatte sich heute Nacht voll und ganz in ihrem Tanz verloren, hatte gesungen ... mit einer so klaren und hellen Stimme, dass es ihn unglaublich tief berührt hatte.
Colum atmete leise durch und schloss verwundert die Augen.
Ja, ... er konnte es noch immer nicht so recht glauben. Er hatte sich die Fee Feeline gefangen.
Laut der alten Legenden war sie dem Clan damit vorher-bestimmt als eine mächtige Glücksbotin und ihm persönlich als seine zukünftige Gefährtin und Mutter seiner Kinder.
Bei den alten und den neuen Göttern ...!
Doch genau das würde sie auch bald sein, schwor er sich eisern. Seine Gefährtin, ... sobald sie beide wieder auf dem Clan-Land angekommen waren.
Wenn Feeline dann später ihre Magie gänzlich verloren hatte und der Zauber um sie herum erlosch, würde ihre Macht auf ihn übergehen und ihn unermesslich stärken. Nun ja, ... zumindest behaupteten das die Alten.
Sachte löste er sich nun von der kleinen Fee und richtete sich langsam auf. Sie bewegte sich nicht mehr. - Gut, dachte er und stand leise auf.
Am Feuer hockten, saßen und standen bereits die anderen Clan-Dragons versammelt und warteten auf ihn, verwundert und immer noch genauso fassungslos, wie er selbst es gewesen war, als er mit der ohnmächtigen Gestalt auf seinen Armen durch das Licht zurückgeschritten kam.
Sie hatten eben noch gejohlt und über seine Dummheit gelacht, gescherzt und gesoffen, doch nun herrschte eine schier atemlose Stille und Ruhe unter seinen Begleitern. Donnal, sein Ohm, war mit kreidebleichem Gesicht auf ihn zugekommen, als er aus dem Licht heraus und vom Torstein des Dit'haill heruntergesprungen war und hatte sich kurz erstaunt das wunderschöne Mädchen auf den Armen des Neffen liegend angesehen. Die zarten Schleier, welche sie verhüllten und die unbändigen, aber selbst im Mondlicht eindeutig rötlich schimmernden Locken, die auf ihre schneeweiße Brust und Arme herabfielen.
„Du ... hast tatsächlich eine Fee gefangen, Junge?", hatte er ihn beinahe schon krächzend vor Unglaube gefragt.
„Ausgerechnet du?", hatte er sogar noch mal wiederholt und eine der schlaff herabhängenden Hände der Fee angehoben, um die zarten Glieder ihrer Finger zu betrachten, obschon sie tatsächlich kein halb verhungert wirkendes, ätherisches Wesen war, wie es in den Büchern der Alten beschrieben stand. Scheinbar hatte man da nun endlich doch mal in der Anderwelt eingesehen, dass auch Feen ein Recht auf genügend Nahrung hatten.
Oh, sie war natürlich dennoch wunderschön und absolut perfekt und trotz der weichen Fülle viel, viel zarter als jedes andere Mädchen, das er jemals zuvor gesehen hatte.
Trotzdem hatte Donnal auf den gängigen Proben bestanden und ihm geheißen, ihr zunächst einmal Alkohol anzubieten.
Doch den hatte sie sofort an seinem Geruch erkannt und sogleich abgelehnt. Dann hatte er ihm gesagt, er sollte sie entkommen lassen und sehen, wohin sie laufen würde. Sie war natürlich direkt zum Steinschlag der Ahnen gerannt und hatte versucht, das Tor im Dit'haill erneut zu öffnen. Er wusste, dass es bei einer magischen Fee sofort funktionieren und sie auch ohne den Funken der Mitternacht durchlassen würde. Wenn sie den Altar berührte hätte, wäre sie ihm entkommen.
Doch das hatte er nicht zugelassen, sie rasch wieder eingefangen und zurückgetragen.
Und erst da hatte sie gezappelt und geweint und einige Worte geschrien, laut und verzweifelt. Und immer wieder rief sie „Nein".
Zuletzt dann auch Nay. Nein und Nay war aber wohl dasselbe. Sie sprach wohl mehrere Sprachen. Die Sprachen der Feen. Unverständliche Worte, die keiner hier kannte. Er hatte sie selbstverständlich auch gefragt, ob sie eine echte Fee sei und sie hatte es bejaht, hatte genickt und auf sich selbst gedeutet. Feeline ... Fee. Sie war also die Fee Feeline. Ein so schöner Name. Feeline. Niemand hier oder in den anderen bekannten Reichen hieß so oder ähnlich. Da war er sich sicher.
Er ging zum Feuer hinunter und sah seinen Ohm hart schluckend an.
„Ich habe eine echte Fee gefangen, Ohm", sagte er recht heiser klingend und alle nickten sie nur langsam.

Drachentanz, 1.Platz PlatinAward2020Where stories live. Discover now