1.3

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Gott ...
Fee begann nun heftig zu zittern. Warum starrten die denn nur alle so sehr? Und warum kannte sie sie nicht? Sie sahen seltsam aus. So ... wild und irgendwie abgerissen.
„Tjörderremdarr?", fragte der junge Typ sie schließlich doch wieder zögernd, eine Hand zu ihr hinstreckend. Sie stand nur hastig einatmend auf und wankte dann aber gegen den Felsen, weil ihr wehes Bein sie nicht trug ... „Ahhh...!", stieß sie leise aus und verzog schmerzlich ihr Gesicht.
„Darrak!", sprang der junge Mann eilig wieder vor und ergriff ihren Arm, aber sie zuckte erneut von ihm weg. Da ließ er sie schnell wieder los ... und murmelte irgendetwas Leises.
Fee spürte, dass ihr der Blumenkranz auf dem Kopf verrutscht war, und schob ihn hastig wieder gerade, ... irgendetwas war hier merkwürdig. Wo waren denn bitte die anderen Gäste hin? Die Zuschauer? Mama und die anderen Mädchen? Judith, die Choreographin ... und Lia?
„Lia?", fragte sie den Mann, der nun langsam vor ihr niedergehockt dastand und immer noch beschwichtigend eine Hand gehoben hielt, wie um sie zu grüßen.
„Saksura cm mki dasch, sumja Fee."
„Fee?", hörte sie als einziges heraus und nickte hastig. „Ja, ... das bin ich. Ich bin Fee", tippte sie mit dem Finger auf ihre Brust. „Feeline", sagte sie dabei unsicher zu ihm. Er lächelte ganz kurz und drehte sich zu den anderen Typen um.
„Nengeraun Samja Fee! N'garra Fee Feeline!", sagte er und ein lautes Raunen setzte ein. Erstaunt und ungläubig. Da kam ein großer Mann, der schon deutlich älter war, herangeschritten, und Feeline drückte sich kurz ängstlich gegen den Felsen, bevor sie dann doch noch auf die Idee kam zu flüchten, doch als sie nach rechts davonhumpeln wollte, stieß sie gegen den jungen Riesen, der sie sogleich aufhielt und wieder nur beruhigend die Hand hob, während er unbekanntes Zeug murmelte. „Nesse dara, mina Fee! Nesse dara!", hielt er sie trotzdem zurück, als sie erneut versuchte, an ihm vorbeizukommen.
Gott ... Was bedeutete das nur?
Was war das denn für eine Sprache?
- Keine Zeit, darüber nachzugrübeln, denn die gewaltige Pranke des älteren Mannes packte nun ihre Schulter und wirbelte sie zu sich herum, sodass ihre Haare erneut flogen und der Schleier verrutschte. Sein Gesicht lag im Halbschatten. Sie sah nur seine Nasenspitze und seine Augen, die gelblich zu glühen schienen.
- Hu?
„Ramarrendekkna trra? Rammara Fee nen du ga worrik?", knurrte er sie böse an.
Fee aber drückte sich nur zutiefst eingeschüchtert rückwärts gegen die Brust des jüngeren Riesen und schüttelte den Kopf.
„Es ... Es tut mir leid. Ich spreche kein ... was immer Sie auch sprechen. Ich bin Deutsche, ... ich ... ich bin Fee, ... ähm ... Feeline Hagen", erklärte sie dem großen Mann hastig und ging einen Schritt zurück.
„Nendruga arren Fee?", fragte der Ältere sie wieder verwirrt. Sie schluckte nur und zuckte die Schultern. Wiederholte noch mal ihren Namen und ihren Spitznamen: „Feeline ... Fee", und tippte sich dabei auf die Brust. Eine andere große Hand legte sich sachte auf ihre Schulter und sie wollte schon vorspringen, um auszuweichen, doch da griff der junge Riese, der sie scheinbar am Felsenmeer nach dem Unfall oder was auch immer das gewesen war,  aufgehoben und irgendwohin mitgenommen hatte, ihren Arm, zog sie erneut mit sich mit zurück zu der Decke am Felsen, zwang sie mit sanfter Gewalt, sich da wieder auf das Lager hinzusetzen und hockte dann auch schon wieder vor ihr nieder, wobei er aber zum Glück nicht sie anblickte, sondern den älteren Mann ... und zwar missbilligend?!
„Donnal ... Nen drugarr rarr mina Fee!", knurrte er ihn ernsthaft an und der nickte kurz, schien aber nicht sonderlich zufrieden zu sein. Fee erschauerte kurz und schlang sich bibbernd die Arme um die Schultern. Es war immer noch kalt ...
„Nassusess?", wurde der junge Mann sofort wieder auf sie aufmerksam und öffnete rasch seinen Gürtel, um sich das lange, zusammengerollte Lederdeckenteil auszuziehen, bevor er es aufstehend ausbreitete und ihr dann erst sachte um die bebenden Schultern schlang.
Wow, war das Teil aber schwer!
Feeline keuchte unwillkürlich niedergedrückt auf, doch wärmte es sie tatsächlich so gut wie eine Heizdecke, weshalb sie sich letztlich auch dazu entschied, es nicht gleich wieder von sich abzuwerfen.
„Mikonszu, mina Fee!", sagte der junge Mann schließlich ernsthaft zu ihr und neigte kurz den Kopf.
Fee schluckte nur nervös und nickte dann aber ebenfalls dankbar, rang sich auch ein klitzekleines Lächeln ab. Was für eine erbärmliche Unterhaltung ... Ob sie es vielleicht mal mit Englisch versuchen sollte?
Der ältere Mann sagte irgendwann wieder etwas, es klang nun ziemlich säuerlich. Da griff der Jüngere augenrollend wieder an seinen Gürtel und löste eine lederne Flasche davon, entkorkte sie und reichte sie ihr zu.
„Tarekdarr Uisgebratha", nickte er ihr auffordernd zu.
„Uisgebratha?", sagte sie verwirrt. War das nicht scharfer Alkohol aus Schottland?
Sie nahm zögernd die Flasche, schnupperte daran und roch sofort den Alkohol, zuckte weg und hielt dem jüngeren Mann die Flasche wieder hin, wobei sie heftig den Kopf zu schütteln begann. „Nein!", sagte sie entschieden. Sie würde sich hier garantiert nicht betrunken machen lassen. Sie wollte vielmehr nun endlich wissen, was hier los war?!
Hatten die Kerle sie etwa ... entführt? Oder nein, ... nein, ... nicht gleich den Teufel an die Wand malen. ... Warum sollten sie?! Vermutlich hatten sie sie nur bei der Massenpanik vorhin mitgenommen und in Sicherheit gebracht. Oh ja, ... das war es sicher, beruhigte sie sich selbst und lächelte kurz erleichtert.
Sie waren nur Touristen, ... die mit ihrer sehr altertümlichen Kleidung wohl bei dem Reigen irgendwie hatten mitspielen wollen ... oder so ähnlich.
Ja, das musste es sein.
Und sie hatten ihr Whiskey angeboten, um den Schock besser zu verdauen. ... Das machte man doch im Ausland so, oder?
Auch der junge Mann lächelte nun leicht und wandte sich dann wieder dem älteren Kerl zu. „Saksu Donnal! Mina Fee neda sraa Uisgebratha!", meinte er zufrieden und wieder erklang ein Murmeln und ein Raunen unter den anderen, die nun auch noch näher herantraten und sie so groß und überrascht anblickten wie eine himmlische Erscheinung.
Hu?
Wieso das denn?
Gerade erst hatte sie sich noch beruhigt, nun fühlte sie sich schon wieder sehr viel unwohler in ihrer Haut.
„Colum ... aggrru men dasch sach tuarra?", sagte einer der anderen Männer und reichte dem jüngeren eine Art Beutel zu. Er lächelte und nickte, lächelte sie dann kurz wieder an und entkorkte eine weitere seltsame Leder-Flasche. „Wata", sagte er ...
Also doch Englisch?, dachte sie nur wieder schrecklich verwirrt, nahm aber zögernd die Flasche und roch auch daran, bevor sie etwas auf ihren Finger goss und prüfend schmeckte. Es schien wirklich nur Wasser zu sein. Gott sei Dank. Durstig hob sie die Flasche an die bebenden Lippen und trank sie beinahe komplett aus.
„Haggrah ... mina Fee ...!", fiel ihr der junge Mann schließlich in den Arm und nahm ihr die Flasche mit sachter Gewalt wieder ab. Sein Lächeln war nachsichtig, fand Feeline errötend vor Verlegenheit. Diese Männer waren gerade freundlich zu ihr und sie trank ihnen dafür das ganze Wasser weg.
Höchste Zeit also zurück zu den anderen zu gehen, fand sie und stand langsam am Felsen abstützend auf.
„Mina Fee, Sakkos?", fragte der junge Riese sie erneut irritiert, derweil sie bewusst an ihm vorbei blickte. „Verzeihung, Sie sind alle wirklich nett. Danke, dass Sie mir geholfen haben, thank you, ... aber ich muss jetzt wieder nach Hause zurück ... zu meiner Mutter und zu meiner Gruppe.
Können Sie mir vielleicht den Weg zeigen, wohin die anderen Tänzerinnen und Zuschauer evakuiert wurden? Es gab einen Erdrutsch, richtig?", fragte sie erst ihn und dann auch diese anderen Männer, welche sie aber nur vollkommen verwirrt anglotzten.
„Donnal?", fragte der Jüngere den Älteren dann auch schon wieder hilfesuchend. Doch der zuckte nur die Schultern. „Rach nen draa trru. Kaana alegirr sach."
Feeline blickte lediglich wieder verwirrt von einem zum anderen, wickelte sich schließlich wieder seufzend aus der Decke aus und reichte sie dem jüngeren Mann, bevor sie geschwind an ihm vorbei humpelte und dann links vom Feuer zu dem dunklen Loch hin ging, das wohl der Höhlenausgang war. Die vorhin noch so schön wehenden Tücher, die ihr Kleid darstellten, störten sie nun irgendwie beim Laufen. Diese Kerle sahen dadurch aber auch einfach zu viel Bein ...
„Feeline!", rief der junge Riese hinter ihr her, doch sie reagierte nicht mehr darauf, sondern rannte nun los. Draußen schien der Mond. Sie hörte den Typen noch einmal nach ihr rufen und dann aber laut aufschreien. Doch sie hatte sich schon umgesehen und auf dem gerade echt kahl aussehenden Hügel da oben das Steinfeld entdeckt ... Nur sah es hier jetzt gänzlich anders aus als zuvor. Die Bäume waren weg ... Gott!
Es musste also tatsächlich einen schweren Erdrutsch gegeben haben, der den Wald komplett weggerissen hatte und die Männer hatten sie nur freundlicherweise in Sicherheit gebracht ...
„Oh, gut!", seufzte sie erleichtert und lief eilig darauf zu. „MAMA!", rief sie laut, weil nun seltsamerweise außer dem Mondlicht gar keine Lichter mehr dort waren. War etwa der Strom ausgefallen? Hatte der Erdrutsch auch die elektrischen Leitungen beschädigt, die extra für heute verlegt worden waren? Himmel, ... alle anderen mussten schon wie irre nach ihr suchen, oder? Zumindest Mama und Lia ...!? Hoffentlich war ihnen nichts passiert.

Drachentanz, 1.Platz PlatinAward2020Where stories live. Discover now