Kapitel 20 Meine Geschichte

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Wir steuerten den Wald an. Er umfasste mit seinen großen Händen meine zierlichen. Er ging hinter mir her, seine Arme umarmten mich von hinten, den Kopf hatte er neben meinem und wärmte mit seiner Wange - vorher hatte er sich das Blut abgewischt - mein eiskaltes Gesicht. Geduldig wartete er, bis ich anfing.

Ich holte einmal tief Luft. Ich wusste, ich sollte es ihm verraten, er hatte irgendwie das Recht, über mein Leben zu erfahren. Sam war nun Teil meines Lebens. Der größte Teil meines verkorksten Lebens. Ich hatte das Gefühl ich musste es ihm erzählen.

Nun, nachdem ich ordentlich Dampf abgelassen und geflennt hatte wie ein Baby, fühlte ich mich besser. Sam hatte mal wieder Recht - wann irrte sich dieser Mann auch? -, es tat gut seine Gefühle herauszulassen. Ich fühlte mich zehn Kilo leichter, die Last auf meinem Herzen hatte sich verringert.

Ich räusperte mich - wusste nicht, wie ich anfangen sollte.

»Du musst das nicht tun«, erwiderte Sam mit sanfter Stimme. »Ich verstehe das. Du sollst nicht den Eindruck haben, ich verlange, dass du es mir sagst. Das musst du nicht. Wirklich nicht. Ich werde dich nicht wieder fragen, wenn du das nicht willst.«

Ich zwang meinen Mundwinkel sich zu heben. Es war ein schwaches Lächeln, was ich zu Stande brachte. »Ich will aber«, beteuerte ich.

Er entgegnete nichts mehr und ich fragte mich, wie er wohl dreinblickte. Doch ich fürchtete mich immer noch, ihn anzusehen. Also senkte ich den Kopf und seufzte.

»Ich...« Spontan beschloss ich, einfach von Vorne anzufangen. Von dem Moment, an dem alles begann. »Meine Eltern Rovena Blake und Vincent Charles waren beide Jäger, sie hatten dieses ungewöhnliche Hobby beide von ihren Familien. Während eines Falls in Mystic Hill lernten sich die beiden kennen. Lange Zeit arbeiteten sie zusammen und kamen sich schon ziemlich schnell nahe. Mein Dad machte Mom nach drei Jahren Zusammenseins einen Antrag und Mom nahm überglücklich an. Sie führten eine glückliche Ehe.

Ein Jahr nach der Hochzeit kam ich zur Welt. Als Kind hatte ich schnell gemerkt, dass meine Eltern keine gewöhnlichen waren. Ständig verschwanden sie plötzlich aus dem Haus, lasen ungewöhnlich viel Zeitung und schauten sich immer Nachrichten an. Von der Arbeit - Mom war Reporterin bei Mystic unusal News, mein Dad Arzt im Mystic Memorial Hospital - kamen sie ständig zu spät. Ich weiß noch, dass Danie und ich manchmal abends alleine am Tisch saßen und darauf warteten, dass Mom oder Dad nach Hause kamen und Essen machten. Meine Schwester und ich waren ziemlich oft allein und ich war diejenige die für uns sorgen musste. Ich war gerade erst fünf geworden, als wir erfuhren, weshalb.

Danie und ich kamen vom Kindergarten nach Hause. Mein Dad schickte uns immer auf direktem Wege, ohne Verzögerung, als hätte er Angst, dass wir dem großen, bösen Wolf über dem Weg liefen. Ich hatte ihn nie gefragt, weshalb er uns so übervorsichtig behandelte, Danie schon. Meine Mom hatte ihr immer gesagt, dass die beiden uns einfach so sehr liebten.

Danie wurde immer ungeduldiger und verlangte nach Antworten. ›Wieso sind Mom und Dad nachts nicht zuhause? Was machen sie den ganzen Tag?Wieso dürfen wir nicht in den Keller? Warum dürfen wir nie alleine aus dem Haus? Wieso müssen wir immer anrufen, wenn wir uns mit Freunden treffen wollen? Weshalb lässt uns Dad nicht aus dem Haus?‹

Sie hatte so viele Fragen und auch wenn ich es nie zugegeben hatte, ich stellte mir dieselben Fragen. Doch ich konnte keine von ihnen beantworten.

An diesem Tag riefen wir wie immer in das Haus, nachdem wir die Tür hinter uns ins Schloss einrasten gelassen hatten. Es war Routine und völlig unnötig, da unsere Eltern nie da waren. Jeden Tag hofften wir, dass sie da wären. Nur einmal, wenn wir nach Hause kamen, wollten wir sie begrüßen können, wie alle es in unserem Alter taten.

DämonenküsseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt