Kapitel 12

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Ich versuchte einen klaren Gedanken zu fassen. Und ich sage euch – das fiel mir echt schwer. Ich konnte meine Augen nicht von ihr abwenden...aber ansehen konnte ich sie irgendwie auch nicht.

Fest stand: ich musste mit ihr sprechen. Unbedingt. Unbemerkt.

Ich musste ihr irgendwie erklären, dass ich das alles überhaupt nicht so gewollt hatte. Dass ich ihr vom ersten Augenblick an verfallen war und mir in meiner Dummheit nicht anders zu helfen gewusst hatte.

Die Jansen quatschte weiter, aber ich bekam nichts davon mit. Lena würde mir eh alles erzählen. Es ging bei solchen Veranstaltungen ja eh nur um Wandertage, Klassenfahrten und anderen organisatorischen Quatsch.

Ich wischte mir mit dem Handrücken über das Gesicht. Ich sah bestimmt furchtbar aus.

Die Zeit schien ewig nicht zu vergehen, doch irgendwann schloss die Jansen die Veranstaltung mit den Worten, dass am heutigen Tag nichts weiter stattfinden würde, aber ab morgen dann volles Programm wäre.

Und dann war es soweit. Alles sammelte seine Sachen zusammen und bummelte langsam aus dem Raum. Auch die Jansen und auch Nikki.

Sie machte auch keine Anstalten zu warten. Wollte sie denn gar nicht mit mir sprechen? Hatte sie denn keine Fragen? Wollte sie keine Erklärung?

Lena gab mir einen Stubs, als Frau Sommer das Zimmer verließ. Sie sah sich nicht einmal nach mir um.

Aber vielleicht wollte sie sich auch einfach nichts anmerken lassen. Hier stand ja schließlich ziemlich viel auf dem Spiel. Das wurde mir immer wieder bewusst. Und ich hätte mich echt selbst vermöbeln können für meine Blödheit.

Ich schnappte mir meinen Rucksack, warf Lena noch einen verheulten Blick zu und stürzte dann den beiden Lehrerinnen hinterher.

Ey, ich fragte mich echt, wie Nikki so tun konnte, als wäre gerade überhaupt nichts passiert. Ich war total aufgelöst und sie schien das überhaupt nicht zu interessieren.

Oder war es wirklich möglich, sich so extrem krass zusammenzureißen?

Ich wusste überhaupt nicht, wie ich eigentlich anfangen sollte, aber es spielte ja, wenn man es so nahm, nicht mehr wirklich eine Rolle.

„Frau Sommer!", rief ich schließlich aus und sowohl die Jansen, als auch meine Nikki drehten sich rum.

„Frau Grundmann, was ist denn heute nur los mit Ihnen? Sie sind doch sonst nicht so neben der Spur.", brummte Frau Jansen und schüttelte sich eine Zigarette aus ihrer Schachtel.

Die Frau hätte mir ihrem Einfühlungsvermögen Vertrauenslehrerin werden sollten, echt. Wahnsinn, ohne Mist.

„Ich würde gern kurz mit Frau Sommer reden...wenn Sie nichts dagegen haben?" Beim letzten Teil des Satzes warf ich Nikki einen flehenden Blick zu.

Ihre Fassade war hart wie Stein...doch irgendwas regte sich wieder in ihr. Ich konnte es in ihren Augen sehen. Doch in Worte fassen konnte ich es nicht.

Die Jansen stand immer noch daneben und machte keine Anstalten zu gehen. Selbst Nikki warf ihr einen leicht verstörten Blick zu...weil diese Frau einfach mal null Gefühl für gewisse Situationen hatte.

Mir zog es in der Brust.

Wenn jetzt alles gut zwischen uns gewesen wäre, hätten Nikki und ich uns vielsagende Blicke zugeworfen und uns im Nachhinein zusammen kaputt gelacht.

Ich wollte ihr am liebsten um den Hals fallen. Wollte, dass sie mich ganz fest hielt. Und nie mehr losließ.

Aber ob das je wieder passieren würde, stand in den Sternen.

SommergewitterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt