Prolog

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Ich atmete den beißenden Gestank des Rauchs

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Ich atmete den beißenden Gestank des Rauchs.

In meinen Rücken wehte die Hitze der Flammen.
»Scheiße«, fluchte ich.
Vor mir wand sich ein Körper, der die Erde unter meinen Füßen zum Beben brachte. Das Feuer spiegelte sich in den metallenen Schuppen und den schwarzen Augen.

Das Zahnradgetriebe der mechanischen Bestie dröhnte in meinen Ohren, als sie sich vor mir erhob und die Nüstern blähte. An manchen Stellen sah ich durch die bronzene Schuppenschicht in die feine Mechanik des Ungeheuers.
Nur ein geschickter Stich hinein und das Uhrwerk würde sich verhaken.
Aber hier stand ich starr am Rande des fackelnden Dorfes, das einmal meine Heimat gewesen war, neben mir mein bester Freund und meine Pistole lag nutzlos auf dem Boden. Meine Finger klammerten sich taub um mein Schwert.

»Dieser bekackte Drache!«, hustete ich.
»Wyvern«, erwiderte Julian ohne den Blick von der riesigen Kampfmaschine zu nehmen.
Nur Julian würde kurz vor unserer Niederlage auf die korrekte Bezeichnung hinweisen.
Ich verdrehte die Augen, musste aber grinsen.
»Dann lass uns dem Wyvern mal das mechanische Herz ausreißen. Wie abgemacht.«
Ich sah, wie Juli seinen Mund öffnete, um etwas zu sagen, dann aber wortlos seinen Kiefer zuklappte.
Er war nicht begeistert von dem Plan, das war offensichtlich.
Aber manchmal musste man etwas opfern, um etwas zu erreichen.
»Das wird schon«, sagte ich, wusste nicht, ob ich es ihm oder mir einreden wollte und begann zu zählen.
»Drei.«

Julian nickte und ich machte mit meinem Bein einen Schritt, hob das Schwert und fixierte die Rotation zwischen den Rippen, auf denen rotorange Schatten tanzten.
Asche vernebelte meine Sicht, glühende Erde schmiegte sich um die Echse, die ihre Flügel spannte und das Maul aufriss. Der Schrei aus ihrer Kehle zerfetzte mir fast das Trommelfell.

»Zwei.«
Julian spannte die Sehne seines Bogens. Ich spürte seine Bewegung neben mir, verlagerte mein Gewicht.

»Eins.«
Und sprintete los.
Das Feuer verbrannte die Luft um mich herum.
Ich konnte nicht atmen.
Nichts sehen.
Glut und Asche regneten mir entgegen.
Mit einem Schrei stieß ich mein Schwert in den riesigen Schatten vor mir. Ich spürte, wie sich Metall zwischen die Zahnräder grub. Dann jagten Dolche in meinen Körper. Die Fänge des Drachen bohrten sich in meinen Körper.

»Jojo! JOHANNA!«, rief jemand meinen Namen, dann fiel ich in Dunkelheit und starrte auf die virtuelle Anzeige meiner Lebensenergie, die rot flimmerte und dann auf null sank.
»Shit«, stöhnte ich genervt und riss mir die Virtual Reality-Brille von meinem Gesicht.
Das Adrenalin rauschte durch meine Adern und ich lag wie erschossen – oder eben verschlungen – auf Julis Bett, starrte an die Zimmerdecke und rührte mich nicht.

»Dieser bekackte Drachen hat mich echt einfach gefressen. Als wäre ich ein laufendes Steak oder so. Das Schwert war so nutzlos, ich hätte auch einfach mit meinem Kopf gegen den Drachen rennen können«, murrte ich und hatte das Gefühl, nie wieder spielen zu können. Meine Muskeln taten weh, mein Nacken war verspannt und jagte mir ein Pochen in den Kopf.
Dieser beschissene Drache raubte mir noch meine ganzen Spezial-Items – von meinen Nerven einmal abgesehen. Aber im Inneren seines mechanischen Herzens lag der Gegenstand, um auf die nächste Ebene zu gelangen.

Wir schwiegen einige Augenblicke.
Ich lauschte dem Ticken der Uhr.
»Naja, dann halt beim nächsten Mal. Nicht? Juli?«
Er antwortete nicht, also hob ich meinen Kopf und warf ihm einen Blick zu.
Juli saß neben mir auf der Kante seines Bettes und starrte ins Nichts, seine Virtual Reality-Brille hatte er noch immer auf.
»Was hast du?«, fragte ich und setzte mich langsam auf.
Er tippte etwas in die Luft, was vor ihm in der virtuellen Realität leserlich schweben würde, aber ich konnte nur raten, was er da sah.
»Nichts, nichts«, sagte er und zog die Brille vom Gesicht. »Ich habe mir nur nochmal unsere letzten Szenen angeschaut.«

Mit einem Stöhnen ließ ich mich zurück auf die Matratze fallen.
Juli lachte leise.
»Wir müssen eh langsam los.«
»Du willst echt auf das bescheuerte Schulfest gehen?«
Ich wusste nicht mehr, wie oft ich es ihm in den letzten Wochen hatte ausreden wollen.
Ich hatte echt genug von Schule, selbst wenn sie vor mir auf einem Fest mit dem nackten Arsch wackelte.
»Johanna«, quengelte er gespielt genervt und brach dann bei meinem Blick in Lachen aus. Er nannte mich normalerweise nie so. Nur, wenn ich etwas echt verbockt hatte.
»Wir könnten auch einfach noch eine Runde zocken und dem Drachen diesmal in den Arsch treten.«
Ich rechnete nicht damit, Juli seine Mission, mir die Schule als einen Ort des vergnüglichen Zusammenseins näher zu bringen, vergessen lassen zu können. Selbst nicht mithilfe der virtuellen Realität.
»Es wird ein toller Abend, du wirst schon sehen.«
Mit einem resignierten Schulterzucken ließ ich die Virtual Reality-Brille auf der Matratze zurück.

Juli lag selten falsch.

Ludwigsberger Rundschau am 16

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Ludwigsberger Rundschau am 16.07.2033

Vermisst: Julian Müting
Geburtstag am 4. Juni 2016, gefärbtes Haar (blau), ca. 159 cm, sehr schlank. Zuletzt getragen: schwarze Jeans, schwarzes T-Shirt und Gürtel mit Nieten.
Hinweise bitte an die polizeiliche Dienststelle in Ludwigsberg.
0213/19931012

Der 16-jährige Schüler Julian Müting aus Ludwigsberg wird seit Samstagmorgen vermisst. Der junge Mann hatte am Freitagabend an einem Schulfest der Nikolai-Werner-Gesamtschule teilgenommen. Gegen 2.30 Uhr war er dort von Mitschülern zum letzten Mal gesehen worden.  

Virtual Death [ Cyberpunk/Steampunk ]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt