Kapitel 3 - Dem Klischee alle Ehre machen

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Kapitel 3 – Dem Klischee alle Ehre machen (POV Luca Binder)

Es war das größte Klischee aller Zeiten. Wir hatten uns durch einen Unfall kennengelernt. Warum mir genau das als erstes in den Sinn kam wusste ich nicht genau, denn eigentlich spielte es auch keine große Rolle. Auch wenn ich mich zuerst schon ein bisschen ärgerte, dass ich den Zug verpasst hatte, seltsamerweise fühlte ich mich ganz wohl gerade. Es war auf jeden Fall besser, als mir zum fünften Mal in Folge dieselbe Playlist anzuhören, verschwitzt und alleine in der S-Bahn zu sitzen, und mir einzubilden, dass ich so schnell wie möglich nach Hause musste. Mich erwartete nichts zuhause, das tat es nie eigentlich, aber trotzdem bildete ich mir das immer wieder ein.

Natürlich war ich im ersten Moment sauer, normalerweise verfluchte ich die Leute, die sich immer mitten in den Weg stellten und überhaupt nicht auf ihre Umgebung oder Mitmenschen achteten. Aber bei ihr war das anders. Sie gestand sich ihre Schuld sofort ein, sie wirkte ehrlich besorgt und sie verstand meine ironische Art genau so, wie sie gemeint war. Alleine das war schon ein Indikator für mich, ob ich mit einem Menschen etwas anfangen konnte oder nicht. Leute, die schwarzen Humor oder Ironie nicht verstanden, mit denen konnte ich sowieso nichts anfangen. Das fing schon damit an, dass ich sie nicht einmal ernst nehmen konnte.

Sie aber war mir sympathisch schon nach den ersten fünf Sätzen, die sie mit mir wechselte. Ich hatte diese Begegnung sogar fast schon als Highlight meines ganzen Abends betrachtet.

»Darf ich dich nach deinem Namen fragen?«, versuchte ich vorsichtig die Stille zu unterbrechen, die auf dem Weg zur U-Bahn plötzlich eingekehrt war.

»Ähm, ja!«, schreckte sie aus ihren Gedanken hoch, »Natürlich! Mein Name ist Hazel!«

»H-a-z-e-l, wie die Haselnuss?«, fragte ich, ohne groß darüber nachzudenken.

»Ja«, bestätigte sie mit einem kleinen aber ironischen Seufzen, »Wie die Haselnuss...«

»Das ist ein wunderschöner Name, finde ich!«, lies ich sie wissen, »Viel besser als Jennifer.«

Das verwirrte sie ein bisschen, ließ sie aber auch leicht schmunzeln, »Habe ich auf den ersten Blick wie eine Jennifer ausgesehen?«

»Ich rate immer gerne«, erklärte ich mich, »...auch wenn ich fast nie richtig liege.«

»Naja«, schmunzelte sie, »...ich bin mir gerade eher wie eine Chantal oder eine Jaqueline vorgekommen...«, meinte sie trocken und selbstironisch.

Das brachte mich tatsächlich zum Lachen, was ich noch vor ein paar Minuten nicht mehr erwartet hätte von dieser Nacht. Ich liebte diese Art von Humor, dass ich wegen ihr die S-Bahn verpasst hatte, hatte ich ihr schon längst verziehen.

»Mach dir keinen Kopf deswegen«, beruhigte ich sie erneut, »Ich komme mir manchmal auch ein bisschen wie ein kleiner Kevin vor...«, fügte ich hinzu, als wir die Rolltreppe nach unten zu den U-Bahn-Gleisen erreicht hatten.

Auch sie schmunzelte jetzt wieder ein wenig, und das war verdammt ansteckend. Bei ihr hatte ich von Anfang an gemerkt, dass ich mich nicht verstellen musste, und das fühlte sich gut an. Jetzt hoffte ich inständig darauf, dass ich mir das nicht wieder versaute. Mit den wenigsten Frauen konnte ich mich auf eine Art und Weise unterhalten, bei der ich mich wirklich wohlfühlte, und diese waren dann meistens schon vergeben oder viel zu alt für mich. Das war mir noch nie leichtgefallen.

»Die einzige Möglichkeit sie näher kennenzulernen wäre vermutlich, sie nach ihrer Handynummer zu fragen«, machte sich der Gedanke in meinem Kopf immer wieder breit.

Good Luck Hazel - Das Motiv der FüchsinWhere stories live. Discover now