Kapitel 2 - Gitti hatte Recht

1 0 0
                                    

Kapitel 2 – Gitti hatte Recht

Für mich war jetzt Wochenende. Nach sieben Tagen, die ich nun am Stück gearbeitet hatte, hatte ich jetzt tatsächlich mal einen Tag frei. An einem Samstag. Es war allerdings nur ein kurzes Wochenende, denn am Sonntag war schon wieder die nächste Veranstaltung geplant. Es war irgendeine Lesung oder so etwas, und auch da musste ich die Garderobe mal wieder ganz alleine machen. Außer mir waren mal wieder alle - natürlich in der Hochsaison - in den Urlaub gefahren, und der ganze Stress war wie so häufig an mir hängengeblieben.

Umso schneller wollte ich jetzt nach Hause kommen, für mich sein, und einfach nur meine Ruhe haben. Möglichst viel von meiner Freizeit genießen, die ich größtenteils sowieso alleine verbrachte.

Die letzten Leute hatten gerade ihre Sachen bei mir abgeholt, und danach hatte ich mich sofort darangemacht, meinen Klappstuhl aufzuräumen und die Kasse wegzusperren. Fabio und Matthias hatten umgehend damit angefangen, Mikrofonstative, Kabel, Lautsprecher und dann zum Schluss das Rednerpult aufzuräumen, und auch die Leute vom Catering machten sich gleich ans Werk, leere Weingläser und anderes Geschirr aufzusammeln, nachdem die letzten Gäste endlich die Halle verlassen hatten.

Ich wünschte ihnen allen eine gute Nacht und machte mich auch gleich auf den Weg nach Hause. Die Guldeinstraße ging ich bis zum Ende vor, dann bog ich nach links, direkt auf die Donnersbergerbrücke, und in deren Mitte die Treppen nach unten zur S-Bahn, welche mich jeden Tag, mehr oder weniger pünktlich, bis zum Hauptbahnhof brachte. Von dort aus konnte ich dann ganz entspannt mit der U-Bahn nach Hause fahren.

Bis zur Donnersbergerbrücke war es ungefähr ein Fußmarsch von knapp zehn Minuten, und da ich genau wusste, dass ich die nächste S-Bahn nicht mehr kriegen würde ohne zu rennen, entwirrte ich erst einmal meine Kopfhörer, fädelte sie durch meine Jacke und schloss sie an mein Handy an, bevor ich dann ganz gemütlich losschlenderte.

Es nieselte ganz leicht. Ich liebte dieses Wetter, die frische, kalte Nachtluft roch dann immer viel besser als man es von einer Großstadt wie dieser erwarten würde, auch wenn sich das mit der Luftverschmutzung in München tatsächlich noch in Grenzen hielt. Es war auch alles andere sehr mild und friedlich heute, was man wirklich nicht von jeder Nacht im April behaupten konnte. Ich hatte also tatsächlich eine ganz gute Laune, trotz des späten Feierabends am Ende einer sehr langen Arbeitswoche.

Am Bahnhof angekommen las ich auf der elektronischen Anzeige, dass die nächste S3 erst in acht Minuten ankommen würde, also machte ich mich auf die Suche nach einem Sitzplatz. Am anderen Ende des Bahnhofs tummelten sich mehrere Gestalten. Sie schubsten sich hin und her, lachten lautstark und ausgelassen, und tranken Bier aus braunen Glasflaschen. Sie waren offensichtlich angetrunken, aber solange sie mir nicht zu nahe kamen, hatte ich keinen Grund zur Sorge. Also setzte ich mir auch den zweiten Stöpsel wieder ins Ohr und scrollte erneut durch meine Playlist. Nach zwei weiteren Liedern kam die S-Bahn, ausnahmsweise mal ohne Verspätung, und eine der Türen kam genau vor meinen Füßen zum Stehen.

Mit der S-Bahn fuhr ich für gewöhnlich immer nur die zwei Stationen bis zum Hauptbahnhof, die ich für meinen Arbeitsweg zurücklegen musste. Manchmal allerdings fuhr ich damit auch raus aufs Land, mit der S1 nach Freising, wo meine Eltern und mein Großvater lebten, seitdem sich mein Vater damals selbstständig gemacht hatte. Morgen würde ich das wieder machen, ich hatte sie schon seit über einem Monat nicht mehr gesehen, weil sich das zeitlich einfach nicht ergeben hatte, und ich freute mich schon ein wenig darauf, auch wenn mich das wieder einen halben Tag meiner wertvollen Freizeit kosten sollte. Ich freute mich darauf, sie endlich mal wieder zu sehen. Alleine der Gedanke daran gab mir wieder etwas Motivation und Energie mit auf den Weg.

Good Luck Hazel - Das Motiv der FüchsinWhere stories live. Discover now