Kapitel 1 - Der übliche Wahnsinn

3 0 0
                                    

Kapitel 1 - Der übliche Wahnsinn (POV Hazel Schmidt)

»Hazel!«, weckte man mich aus der schläfrigen Trance, in die ich schon wieder gefallen war. Ich hatte zwar schon zwei große Becher Kaffee zu mir genommen, seitdem ich meine Schicht heute um 16 Uhr begonnen hatte, aber auch das hatte den fehlenden Schlaf in der letzten Nacht leider nicht wettgemacht.

»Hazel, komm doch mal kurz, bitte!«, winkte er mich erneut zu sich rüber, »Du kennst dich doch aus mit...«

Den Rest konnte ich schon nicht mehr verstehen, weil er sich gleich wieder zu seinen Gesprächspartnern umgedreht hatte. Auch Musik und andere Gespräche hatten es von der Akustik her schwergemacht das Thema mitzubekommen, aber ich hatte keine Lust laut nachzufragen. Ich hatte eigentlich auch keine Lust aufzustehen, eigentlich wollte ich überhaupt nicht reagieren. Ich konnte weder ihn oder seine bescheuerte, nervige Lache leiden, noch wollte ich mich mit den hochnäsigen Arschlöchern unterhalten, die auf diesen Galas immer herumstolzierten. Aber leider war gerade auch meine Chefin in der Nähe, bei der ich durch mein lustloses Verhalten nicht negativ auffallen wollte. Sie stand mit Gitti neben dem DJ-Pult und hatte leider mitbekommen, dass Fabio mich gerufen hatte. Ich war eigentlich sogar eine der wenigen, die sich wirklich gut mit unserer Chefin verstanden, und damit das auch so blieb, musste ich mich natürlich auch anständig verhalten, gerade wenn Kunden und Gäste in der Nähe waren.

Also stand ich schwermütig von meinem Klappstuhl auf, den ich mir hinter dem Tresen der Garderobe aufgestellt hatte, und machte mich auf den Weg.

Fabio, der Kollege der mich eben zu sich gewinkt hatte, seines Zeichens Veranstaltungstechniker und wahnsinnig kindische Nervensäge, unterhielt sich mit zwei aufgebrezelten Tussis in Stöckelschuhen, teuren Abendkleidern, hochgesteckten Frisuren und Champagner-Gläsern in den Händen. Schon der erste Anblick der zwei Gestalten ließ vermuten, dass sie von Beruf Ehefrauen waren, ansonsten wahrscheinlich den halben Tag mit shoppen beschäftigt sind; und da sie momentan leicht angetrunken waren, mit jedem flirteten, der ihnen begegnete. So jetzt auch mit Fabio, der mindestens zehn Jahre zu jung für die gackernden Hühner war. Für ihn war das anscheinend wie ein Statussymbol, sich dauernd mit irgendwelchen weiblichen Gästen zu unterhalten und das allen unter die Nase zu reiben. Aber für ihn war das auch nicht schwierig, denn er konnte viel und herzlich lachen, wirkte auf den ersten Blick recht sympathisch und selbstbewusst, und war auch dank seines Jobs körperlich recht gut in Form. Er war gut darin, irgendwelche eigentlich total uninteressanten Geschichten aus seinem Leben interessanter aussehen zu lassen, als sie eigentlich waren, und somit die weniger erleuchteten Mitmenschen schnell in seinen Bann zu reißen. Ich konnte ihn nicht leiden. Neben seiner übertriebenen Lache, die bei fast allem zum Einsatz kam, war er sehr egozentrisch, rechthaberisch und teilweise auch sehr ungezogen. Das ließ meiner Meinung nach jeden Menschen hässlich wirken, unabhängig vom äußeren Erscheinungsbild. Aber auch sein Aussehen machte mich aggressiv auf eine komische Art und Weise. Die kurzen, fettig-gekringelten, braunen Haare, die breiten Wangenknochen, das unrasierte Doppelkinn, das auffällig schlecht gestochene, jetzt schon ausgeblasste Drachen-Tattoo auf dem rechten Oberarm; innerlich regte ich mich jedes Mal über sein Aussehen auf, wenn er mir begegnete oder in Sichtweite war. Und leider passten meine Vorurteile gegen ihn auch oft zu seinem Verhalten: Was nicht auf Anhieb funktionierte schob er irgendwem anders in die Schuhe, und wenn ihn etwas nicht interessierte, hörte er gar nicht weiter zu, sondern fiel den Leuten einfach ins Wort. Aber das machte er natürlich nur bei Leuten, die er schon länger kannte, also zum Beispiel seinen Arbeitskollegen. Bei den Partygästen und der üblichen Kundschaft hier war das natürlich etwas ganz anderes.

»Hazel! ...Wir haben uns gerade über das Malen mit Aquarell-Farben unterhalten...«, begrüßte er mich mit auffällig gestelltem Interesse, »...Gitti hat erzählt, dass du damit ein bisschen Erfahrung hast...«, erklärte er, warum er mich überhaupt gerufen hatte.

Good Luck Hazel - Das Motiv der FüchsinWhere stories live. Discover now