KAPITEL DREI ㅡ camilla

Start from the beginning
                                    

„Dachgeschosswohnung, is' alles, was ich sage", sagte die Frau und hob abwehrend beide Hände. „Wär' aber gut, wenn die Bullen ausnahmsweise ihren Job tun würden, weißt du, Junge? Die sind... garantiert in schmutzige Sachen verstrickt, das sag ich dir."

„Deshalb bin ich hier", sagte Jeongguk mit einem falschen Lächeln, das fahrlässige Professionalität heucheln sollte. Er wusste, dass niemand, der bei vollem Verstand war, ihn mit einem NYPD-Officer in Verbindung bringen würde, aber es war besser, als dass sie den Grund erriete, wieso er wirklich hier war.

„Hmm, sicher, Junge", brummte die Frau und schloss die Tür, während er mit einem winzigen Augenrollen den Aufstieg in Angriff nahm; mehr als drei Treppenfluchten nach oben, bis er schließlich auf dem obersten Absatz innehielt und die einzige Tür ins Auge fasste, die dort zu finden war.

Sie schien abgeschlossen zu sein, und als er vorsichtig an dem Türknopf rüttelte, spürte er einen Widerstand, der seine Vermutung bestätigte. Er seufzte und machte einen Schritt von der Tür weg, ehe er sich mit einem plötzlichen Kraftaufwand und einer nicht allzu geringen Zuschaustellung seiner gesamten Muskelkraft gegen die morsche Holztür warf, die nicht eine Sekunde länger gegen ihn ausharrte, als er erwartet hatte.

Staub und ein wenig Putz lösten sich aus dem Türsturz, als die Tür plötzlich aus ihrer Verankerung gerissen wurde und Jeongguk hörte ein eiliges Rufen am anderen Ende der Wohnung, hinter angelehnten Türen, kaum, dass die Tür den Boden berührt hatte und über das billige Laminat gerutscht war, auf dem sie schließlich liegen blieb. Er hatte kaum Zeit, dass der Schmerz in seiner Schulter abklang, als ein bewaffneter Typ, vermutlich Italiener und nicht unähnlich dem, den er vor zwei Wochen in einer Wohnung nicht unweit von hier in einen Müllschacht geworfen hatte, mit lautem Gebrüll auf ihn zugerannt kam. Er hielt eine Pistole im Anschlag, die unmittelbar auf Jeongguks Gesicht gerichtet war und ihm blieb gerade genug Zeit, sich zur Seite zu ducken, ehe ein Schuss durch den beengten Flur hallte und ein dumpfer Aufprall in der Wand hinter ihm erklang.

In diesem Augenblick erreichte ihn der Mafioso und Jeongguk rang ihn nieder, indem er ihm mit einem gezielten Kick sein Standbein raubte – während er seine Arme um seinen Hals schlang und so lange nach oben riss, bis ein unschönes Knacken erklang, und der Mann in seinen Armen sich nicht mehr bewegte. Jeongguk schüttelte seinen Körper angewidert von sich herunter und löste die Pistole aus seinem starren Griff, ehe er die Waffe nebst ihm zu Boden richtete und vorsichtig den Gang hineineilte. Jede Tür, die er passierte, stieß er mit seinem Fuß auf, jedes Mal übereilig darin, seine Handfeuerwaffe in den leeren Raum zu richten, um sicherzugehen, das sich dahinter nicht jemand verbarg, der in der nächsten Sekunde eine Kugel durch seinen Kopf jagten konnte. Er wusste, dass zumindest der Runner noch hier sein musste; und es war wirklich unwahrscheinlich, dass der Italiener alleine gewesen war.

Jeongguks Herzschlag beschleunigte sich, als vor ihm nur noch zwei Türen aufragten, deren anschließende Zimmer er noch nicht durchsucht hatte. Die eine führte zu einer Küche, auf der ein überkochender Topf mit angebrannter Milch stand und Jeongguk hielt die Pistole von sich fort, während er in den Raum trat und jede Ecke absuchte. Der Gestank von verbrannter Milch waberte durch das Zimmer und er hätte am liebsten das Fenster geöffnet. Sein Blick fiel auf eine Reihe an Cornflakesschachteln, die ordentlich nebeneinander auf der dreckigen Theke standen und er verzog irritiert das Gesicht.

Ihm war das Haus mehr wie eine Behausung für Cutter vorgekommen; eine der hundert Arbeitsstellen für die illegalen Hilfskräfte, die das geschmuggelte Kokain so weit streckten, das ein astreiner Profit sich für ihre jeweiligen Bosse auszahlen würde. Vielmehr schien es jedoch so, als würde hier tatsächlich jemand leben.

Er schloss die Küchentür hinter sich und näherte sich dem letzten Raum. Als er die Tür vorsichtig öffnete, schwang sie sogleich vollständig auf und ihm wurde der Grund sofort bewusst. An der hinteren Wand befand sich ein speerangelweit geöffnetes Fenster, das offenbar auf eine Feuerleiter hinausführte, und vor enorm kurzer Zeit als Fluchtpunkt genutzt worden war. Jeongguk durchquerte eilig das Zimmer, bevor er seinen Kopf aus dem Fenster steckte. Er blickte auf einen gähnend leeren Innenhof, in dem ein wenig Wäsche aufgehängt war, die sich im Wind wiegte, aber von seinem Runner war keine Spur.

SLOWTOWNWhere stories live. Discover now