1 - Unbekannte Weiten

90 3 0
                                    

Als sie langsam in diesen undurchdringlichen, wabernden Nebeln zu dem Bewusstsein gelangte, dass sie ein Selbst hatte, dass sie wirklich existierte, hatte sie trotz alle dem nicht den geringsten Schimmer, wer sie war, noch wo sie sich gerade befand.

Sie war körperlos, schwerelos, fast wie ein Windhauch an einem sonnigen Nachmittag in den Bergen. Es gab keinen Anfang, kein Ende, und was dazwischen lag, konnte sie beim besten Willen nicht erfassen. 

Ein merkwürdiges Gefühl von Leichtigkeit hatte sie erfasst, und trug sie auf sanften Schwingen immer weiter heraus aus diesem Nichts, welches sie nicht nur zu umgeben, sondern auch zu durchdringen schien.

Ganz langsam wurde sie sich dann doch noch ihrer Selbst wieder bewusst, als sie den weichen Untergrund spürte, auf dem sie anscheinend lag, und den feinen, leichten Stoff, der ihre Haut an den Armen, Beinen, und auch sonst scheinbar überall berührte. Sie fühlte den regelmäßigen Schlag ihres Herzens in der Brust, die sich bei jedem Atemzug hob und wieder senkte.

Sie war am Leben.

Kraftlos lag sie einfach nur da und kramte in den hintersten Winkeln ihrer Erinnerungen nach einer Erklärung für das, was gerade mit ihr geschah.

Kein einziger ihrer Muskeln reagierte auf ihre Befehle, und auch ihre Augenlieder waren so unsagbar schwer, beinahe so, als lägen Tonnen von Steinen auf ihnen. 

Unfähig sich auch nur einen Millimeter zu bewegen, ging die junge Frau die Eckdaten ihres Seins durch.

Name: Elizabeth Marie MacKenzie

Geboren: Mai 1995 in Washington, D.C.

Eltern: Sarah und Peter MacKenzie

Okay, soweit so gut. Sie wusste immer noch wer sie war. Doch wo befand sie sich gerade, und was zu Teufel war passiert?

Das etwas nicht stimmte, war der jungen Frau relativ schnell klar. Dennoch war es schier unmöglich in ihren Erinnerungen eine passende Erklärung für ihren jetzigen Zustand zu finden.

Langsam und zitternd versuchte sie ihre Augen zu öffnen, doch es gelang ihr einfach nicht.

"Komm schon Kleines", dachte sie bei sich, "schlag einfach die Augen auf. So schwer kann das doch wohl nicht sein. Ist ja schließlich keine Raketenwissenschaft."

Es schien eine schiere Ewigkeit zu vergehen, bis sie schließlich doch noch schwerfällig ihre Lider öffneten.

Kurz blickte sie, zwischen ihren immer noch zitternden Wimpernkränzen hindurch, an die graue Decke über ihr, bevor ihr Blick langsam auf das Display am der Wand hinter ihr wanderte. 

Es kostete sie eine unglaubliche Kraftanstrengung sich zu konzentrieren, doch noch immer noch fand sie in ihrem Kopf nicht den geringsten Anhaltspunkt darüber, was geschehen war.

Wo war sie bloß?

Irgendwo in den unendlichen Weiten ihres nun langsam immer stürmischer werdenden Gedankenmeeres musste es doch einen Hinweis geben, wo sie sich gerade befand, und vor allem wie sie hier hergekommen war.

Mit vor Schwäche zitternden Gliedern versuchte sie sich aufzusetzen, kam jedoch nicht weit. Noch bevor sie einen Blick durch den riesigen Raum werfen konnte, in dem sie lag, wurde ihr Versuch auf Klärung ihrer verwirrenden Situation von einem stechenden Schmerz in ihrem Kopf bestraft. 

Beinahe fühlte es sich so an, als hätte ihr jemand einen Eispickel mit voller Wucht in den Schädel gerammt. Auch wenn ihr für diesen Vergleich jetzt die Erfahrungswerte fehlten.

Dennoch war dieser Schmerz so unsagbar stark, so allumfassend, dass er sie wieder auf das Kissen zurückzwang, auf dem sie gerade eben noch gelegen hatte.

Only You - Gestrandet ohne ErinnerungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt