Das Wiedersehen

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Nervös sah ich nun schon das achte Mal auf die Uhr in unserem Klassenzimmer. Wieder konnte ich mit großer Enttäuschung feststellen, dass wir erst 09.34 Uhr hatten und die Zeit noch langsamer verging als sonst. Nur noch eine Minute. Ich hasse es, wenn unser Lehrer unsere Stunde bis zur letzten Sekunde ausnutzte. Dachte er denn etwa, dass wir die zehn Minuten, die er uns nicht früher gehen ließe, zuhören? Wir sind in der 12. Klasse eines Gymnasiums, der Zug mit dem Gedulds-Training war schon längst abgefahren. Völlig in Gedanken nahm ich ganz leise und entfernt das melodische klingeln der Pausenglocke wahr. Wie einstudiert standen nun alle Schüler auf und verließen den Raum. Nahezu Kopflos lief ich im Stechschritt in Richtung Flur um mich anschließend durch die Menge der Schüler zu kämpfen. Ich hörte das Blut in meinen Ohren Rauschten und mein Herz in meiner Brust schlagen. Durch jeden Meter den ich zurücklegte, schlug es schneller und schneller. Die Tür ihres Klassenzimmers stand bereits offen. Rot wie ein Feuerlöscher und komplett außer Atem, klopfte ich mit zwei Fingern gegen den Türrahmen.

Ihr starrer Blick löste sich und in ihrem Gesicht machte sich ein Lächeln breit. Als sie ihre Arme aufschlug, konnte ich nicht anders als grinsend auf sie zu zu rennen. Mit voller Wucht schlugen unsere Körper gegeneinander und sofort fand mein Kopf zwischen ihrem Nacken und ihrer Schulter halt. Ich schloss die Augen um ihre warmen Hände auf meinem Rücken noch besser spüren zu können. Ein tiefer Atemzug. So muss sich das Anfühlen, wenn man wunschlos Glücklich ist und alle Sorgen der Welt für einen Moment verschwinden.

„Meine Süße..." flüsterte sie mir in mein Ohr.

Als wäre es ein Reflex, drückte ich sie noch fester an mich. Ich liebte es, wenn sie mich so nannte. Es gab mir das Gefühl, etwas besonderes zu sein, etwas wertvolles. Zwei Monate lagen zwischen Ellas und meinem letzten Treffen und komischerweise wurde mir erst jetzt bewusst, wie sehr ich sie vermisst hatte. Sie jetzt wieder so nah bei mir zu haben, war das Schönste was ich mir vorstellen konnte. Wir lösten uns und sie sah mich an, als wäre ich IHR großes Mädchen.

„Meine süße Marie..." Sie fuhr mit ihrer Hand über meine Wange und strich meine Haare hinter mein Ohr. „Schau dich an, wie bildhübsch du bist. Ich hab dich so vermisst."

Ich sah ihr tief in die Augen. Bis auf den leichten grauen Ansatz, sah sie genau so gut aus wie immer. Glücklich und zufrieden irgendwie. Ich konnte nicht anders, als sie wieder in die Arme zu schließen. Wir standen da, uns in den Armen haltend und schwiegen. Es war ein besonderes schweigen, dass nur dann entstehen konnte, wenn keine Worte notwendig waren um seinem gegenüber zu sagen, wie froh man war ihn zu haben.

Weißt du eigentlich, wie lieb ich dich hab?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt