6. Kapitel

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Cathy

Um Punkt drei Uhr morgens ging es los, da um diese Uhrzeit anscheinend am wenigsten Verkehr auf den Strassen war und somit das Risiko, dass wir gesehen wurden, kleiner war.

Ich war nicht sonderlich begeistert davon, denn normalerweise schlief ich um diese Uhrzeit tief und fest. Dementsprechend war auch meine Laune nicht gerade auf einem Höhepunkt, als Carlos mich irgendwann mitten in der Nacht weckte. Auch seine Laune schien nicht gerade prächtig zu sein und die dunklen Ringe unter seinen müden Augen bestätigten mir, dass er kein Auge zugetan hatte.

Komplett übermüdet liess ich mich von ihm ins Wohnzimmer zerren und wartete nicht sonderlich begeistert auf das, was uns wohl nun empfing.

Schlecht gelaunt zerrte ich mir die Kapuze meiner Sweatshirt Jacke, die eigentlich Enrique gehört hatte, tief ins Gesicht, als ein Bulle zu uns kam und anfing, uns vollzulabern. Ich hörte nur mit halbem Ohr zu und lehnte mich komplett übermüdet an Carlos. Er schien genauso wenig in der Lage zu sein, zuzuhören und verdrehte nur genervt die Augen, als der Typ irgendwas davon laberte, dass wir uns ruhig und unauffällig verhalten sollten.

Als er endlich fertig war mit seiner Sardinenpredigt und wir uns Jacken übergeworfen hatten, ging es auch schon los. Ich konnte nicht wirklich klar denken, als ich mich im Treppenhaus dicht an Carlos drückte. Überall wimmelte es nur so von Polizisten und ich kam mir vor wie in einem schlechten Krimi.

Eigentlich hatte ich mich tierisch auf den Moment gefreut, in dem ich endlich wieder einen Fuss nach draussen setzen konnte, aber kaum hatte ich dies getan, standen auch schon links und rechts Bullen neben mir, die mich von Carlos wegzerrten. Ich kam mir vor wie die hinterletzte Schwerverbrecherin. In einem Mordstempo schleiften sie mich zu einem dunklen Van und drückten mich auf den Rücksitz. Dem Rest meiner Familie schien es nicht besser zu ergehen. Im Nu sass Carlos neben mir und Mom mit Luiza, die überhaupt nicht begriff, was hier gerade abging, vor uns.

Mit einem lauten Knall wurden die Türen zugeschlagen und der Typ hinterm Steuer warf den Motor an und drückte aufs Gas. Ein weiterer Bulle, der auf dem Beifahrersitz hockte, drehte sich kurz zu uns um und schärfte uns ein, dass wir uns anschnallen sollten.

Augenverdrehend tauschte ich einen Blick mit Carlos, als ich den Gurt einklicken liess. Ich wusste genau, dass ihm die ganzen Polizisten, die in den letzten Tagen ständig in unserer Nähe gewesen waren, dermassen auf den Sack gingen, dass er sie am liebsten allesamt erwürgt hätte.

Der Wagen heizte in einem ziemlichen Tempo durch die Strassen Liverpools. Somit blieb mir nicht gerade viel Zeit, um ein letztes Mal durch die abgedunkelten Scheiben hindurch meine Heimatstadt zu betrachten. Ich konnte jedoch nicht besonders viel erkennen. Die Dunkelheit und die Müdigkeit in meinen Augen sorgten dafür, dass ich nur ein paar Lichter vorbeifliegen 

Viel zu schnell fuhren wir aus der Stadt hinaus und landeten auf der Autobahn. Nur am Rande bekam ich mit, wie meine Mutter die Polizisten mit Fragen durchlöcherten, wo wir eigentlich 

Mit einem Schlag war ich wieder hellwach, denn das war echt eine gute Frage und ich hatte mir nie wirklich Gedanken darüber gemacht. Ich glaube, ich hatte es einfach verdrängt, weil ich so sehr gehofft hatte, dass irgendwas passieren würde, was dafür sorgte, dass wir in Liverpool bleiben konnten. Ich wusste selbst nicht, was genau ich mir eigentlich erhofft hatte. Manchmal war ich einfach nur eine unrealistische Träumerin, die immer hoffte und betete, aber der Wahrheit nicht ins Auge sehen konnte. Aber ich glaube, Carlos war in dieser Hinsicht genau gleich wie ich.

Ich wusste, dass er auch davon ausgegangen war, dass wir in Liverpool bleiben und genauso weiterleben konnten, wie vor dieser Sache und dass er sich innerlich verdammt darüber aufregte, dass dies nicht der Fall zu sein schien.

Escape... Schatten der VergangenheitNơi câu chuyện tồn tại. Hãy khám phá bây giờ