The Chosen One

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In den nächsten Stunden änderte sich nicht viel an meiner Lage. Es wurde immer dunkler, ich konnte die Wege, die die Wachen nahmen, nicht erkennen. Der Wald um uns herum schien zu leben, überall hörte ich Geräusche und das Scharren von Tieren. Ich fürchtete mich vor der Dunkelheit, es machte mir Angst, ohne Sicht zu sein. Mit der Düsternis kam auch die Kälte. Je näher wir der Ice Nation kamen, desto frostiger wurde es. Ich hatte nicht einmal eine Jacke in Polis mitgehabt, daher trug ich auch jetzt nur ein dünnes Top und Jeans. Die Wachen und Roan trugen die typische, dickgefütterte Azgeda-Kleidung und froren kein bisschen.

Ich zitterte immer mehr, je später es wurde. Dazu kam die Angst und die Ungewissheit, was passieren würde, was mich noch mehr erschaudern ließ. Wenn schon, dann richtig. Der Prinz hatte mich fest in die Arme geschlossen, was ein bisschen half, aber es ersetzte keinen Mantel. Nachdem wir einige Stunden geritten waren, hielten wir vor einem Steinwall, der fast wie aufgeschüttet aussah. Ich erschrak ein wenig, als ich nach langem Schweigen wieder Roans Stimme vernahm. „Wir sind nun an der Grenze zu Azgeda, in wenigen Minuten machen wir eine Pause." Ich war vollkommen fertig, am liebsten hätte ich in meinem eigenen Bett geschlafen, doch das würde ich wohl nie wieder sehen. Ich stimmte müde zu und lehnte den Kopf an seine Brust an. Ich war zu müde, um richtig nachzudenken und sehnte mich nach Wärme und einer Decke. Roan hielt mich weiterhin fest und ließ das Pferd durch einen Engpass traben. Die Wachen folgten ihm und hielten sich zunächst hinter uns. Nach dem Wall veränderte sich die Vegetation kaum, wieder sah ich Bäume in der Dunkelheit. Bestimmt wurde es erst später so kahl und trostlos wie beschrieben.

Nach kurzer Zeit hielten wir an, Roan half mir vom Pferd herab und leitete mich zu etwas, was aussah wie eine Höhle. Ich war froh, dass wir endlich eine Pause machten, mir tat vom Reiten alles weh. Eine Wache entzündete eine kleine Fackel und wies den Weg in die Höhle hinein. Es sah für mich so aus, als wären hier öfters Leute unterwegs. Auf dem Boden ein Steinkreis mit verkohltem Holz, daneben Decken und mehrere Taschen.

„Ich und die Wächter waren vor zwei Tagen schon hier gewesen, unsere Sachen sind unberührt geblieben.", meinte der Prinz und setzte sich um das gerade entfachte Feuer. Ich ließ mich neben ihm nieder und fragte zitternd: „Darf ich kurz schlafen?" Er nickte lächelnd und reichte mir eine der Decken. Ich sank dankbar auf den Boden und murmelte: „Danke." Die Decke war weich und warm, fast augenblicklich schlief ich ein. Vorher hörte ich Roan irgendetwas flüstern. „Schlaf gut, Prinzessin.", waren die letzten Worte, bevor ich in den Schlaf abdriftete.

Als ich aufwachte, drang Tageslicht durch den schmalen Eingang der Höhle und durchflutete den Innenraum mit Helligkeit. Das kleine Feuer neben mir war erloschen, die Überreste der Holzstücken waren zu Asche geworden. Die Wachen standen am Eingang, einer davon schien draußen zu sein. Ich drehte mich schläfrig auf die Seite, nur um neben mir den Prinz liegen zu sehen. Er schlief mit dem Rücken zu mir, ich setzte mich auf und betrachtete ihn kurz. Er wirkte friedlich, wie ein schlafendes Kind und nicht wie ein blutrünstiger Krieger der Azgeda. Bevor ich mich weiter umsehen konnte, drehte er sich auf den Rücken. Ich erschrak ein bisschen, diese plötzliche Bewegung hatte ich nicht erwartet. Seine Augen waren geöffnet und blickten hinauf an die Decke der Höhle.

„Es ist nicht mehr weit bis zu meiner Mutter.", sagte er und fuhr sich durchs Haar. Dann schaute er kurz zu mir und lächelte mit ungewohnter Sanftheit. „Du siehst immer noch so aus, als müsstest du irgendeine Strafe von mir erwarten. Verwerfe diesen Gedanken, ich werde dir nichts antun." Ich biss mir verunsichert auf die Unterlippe und spielte mit einem losen Faden der Decke. Roan setzte sich auf und fügte hinzu: „Die Einzige, vor der du Angst haben solltest, ist meine Mutter. Aber ich werde dich beschützen."

Bevor er aufstehen konnte, fragte ich schnell: „Warum ich?" Er blieb sitzen und sah mich mit verwirrtem Gesicht an. „Wie, warum du? Was meinst du?" Ich überlegte kurz, wie ich es formulieren sollte, und meinte: „Warum hast du ausgerechnet mich gewählt? Du hättest jede andere nehmen können." Er lachte leise auf, ich blieb an die Felswand gelehnt sitzen und betrachtete seine Gesichtszüge, während er sprach.


Mother in LawWhere stories live. Discover now