»Ich soll wieder eine Leiche für Sie heilen?«, fragte sie vorsichtig.
»Ja.«, erwiderte ich knapp und wandte mich an Caleb. Er verstand sofort und kam auf mich zu. Leicht berührte er meinen Arm, bevor er uns aus der Halle teleportierte. Die Halle war hell beleuchtet gewesen, weshalb sich jetzt erst meine Augen an die Dunkelheit gewöhnen mussten.
»Wo sind wir, Caleb?«, verlangte ich zu wissen. Langsam nahmen meine Augen die umrisse eines langen Ganges wahr.
Seine kleinen Füße entfernten sich mit dumpfer werdenden Geräuschen. Er kramte etwas aus einem Metallbehälter heraus. Es dauerte nicht mehr lange, bevor er eine Fackel anzündete. Der Gang vor uns wurde beleuchtet.

Ich erkannte, dass wir im Kerker waren. Was wollte er mir hier zeigen. Caleb nahm die Führung an und führte mich im Gang entlang. Ein strenger Geruch stieg mir in die Nase. Zum Glück hatte ich heute noch nichts zu mir genommen, was ich hätte erbrechen können.  Es roch nach einer Mischung aus Exkrementen und erbrochenen. Zu meiner rechten kam ich an der ersten Gefängniszelle vorbei.
Eine magere Gestallt stand an den Gitterstäben und sah mich mit hasserfüllten Blick an. Ich starrte unbeeindruckt zurück.
»Ihr dunklen Neyfrem denkt ihr wäret etwas Besseres, aber dabei seid ihr nur Abfall. Ich wünsche euch allen den Tod.«, schrie sie mir entgegen.

Ich gab mir nicht einmal die Mühe ihr zu antworten und lief hinter Caleb her. Langsam blickte ich an mir herunter. Die Heilerin hatte mir die typische Kleidung der dunklen Neyfrem angezogen. Kein Wunder das sie mich sofort als solchen erkannt hatte. Sonst vermied ich diese langen dunklen Gewänder.
In dieser Umgebung war es nicht ideal, so dicke Gewänder zu tragen. Die wärme wurde dadurch nur noch unerträglicher.
»Komm schon.«, hetzte mich Caleb weiter. Er blieb erst stehen, als wir so tief in das Labyrinth aus Gängen und Zellen gelaufen waren, dass ich komplett die Orientierung verloren hatte. Wir waren so oft abgebogen, dass ich den Weg zu Fuß nicht alleine finden würde.

Immerhin konnte ich mich hier herausteleportieren.
Caleb war vor einer dreifach so großen Zelle stehen geblieben, als die anderen Verliese. Etwas an dieser musste besonders sein, sonst hätte mich Caleb nicht mitgenommen.

»Hier wärst du gelandet, wenn du gegen Hiyon verloren hättest.«, erklärte Caleb.
»Du meinst ich wäre in eine Zelle geworfen worden?«, fragte ich unsicher. Ich wusste, dass Caleb über vieles was im Lager geschah, bestens bescheid wusste, aber das klang etwas extrem.
»Nein. Hiyon hat dir bei eurer Prüfung doch gedroht, dass du, wenn du gegen ihn verlierst auf die Neyfrem aufpassen müsstest, die nicht dunkel sind.«

Es überraschte mich nicht, dass er davon wusste. Schließlich hatten wahrscheinlich alle Zuschauer jedes einzelne Wort mitbekommen, dass Hiyon und ich ausgetauscht hatten. Auch als er mir sagte, dass er mir bei meiner Niederlage den Job des Neyfremaufpassers übertragen würde.

Das war unter den dunklen Neyfrem die größte Schande. Nur die schwächsten von uns mussten diese Arbeit ausführen. Es war dennoch eine wichtige Arbeit die erledigt werden musste.
»Hier werden also die Neyfrem aufbewahrt, die später von ihren Kindern getötet werden sollen?«, fragte ich neugierig.
»Ja. Ihre Kinder sind zur Hälfte dunkel. Sie sind in einem anderen Abteil. Manchmal gehe ich zu ihnen. Hier sind aber nur die Eltern.«
»Du gehst sie besuchen?« Was brachte ihm das? Er schlich durchs Lager und begab sich in Gefahr für nichts.
»Seit ich mit dir befreundet bin habe ich im Lager mehr Freiheiten und werde nicht wie früher mit den anderen in dem Camp zusammengezwängt.

Mein ganzes Leben habe ich in dem Raum gelebt, in dem du mich damals kennengelernt hast.«, sagte Caleb. »Jetzt muss ich in der Nähe deines Zimmers schlafen, falls du etwas brauchst. Es ist viel besser als früher. Ich muss es mir nur mit zehn Leuten teilen. Aber es tut mir trotzdem um meine alten Freunde leid. Sie müssen den ganzen Tag die Kristalle befördern.«

Dark Neyfrem #2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt