VII.

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Schon früh morgens wurde Lyanna mit der Verkündung, dass heute die ersten Wettkämpfe stattfinden würden, geweckt.

Sie hatte keinen guten Schlaf gehabt, das Bett war zwar gemütlich aber sie vermisste schon jetzt die warmen Dämpfe der Quellen, auf denen Winterfell erbaut war.

Zu allem Übel hatte sie auch noch einen äußerst verwirrenden Traum von einer gleißend heißen Feuerwand und eiskaltem Schnee gehabt der unter dessen Hitze schmolz, gehabt.

Am liebsten würde sie noch ein wenig weiterschlafen, doch man erwartete ihre Anwesenheit bei der Eröffnung des Turniers und außerdem interessierte sie sich für die Kämpfe.

Schon kurze Zeit nachdem Lyanna aufgestanden war eilten einige Mägde und andere Bedienstete in ihren Schlafraum, brachten ihr ein reichhaltiges Frühstück und fingen dann an sie herzurichten.

Ihre Haare wurden kunstvoll geflochten und mit südländischen Ölen zum Glänzen gebracht, ihre Haut wurde mit Sprinklern duftenden Balsam versehen und sie wurde in ein seidenes, blass blaues Kleid gehüllt.

Es war edler als jedes Kleid, dass sie zuvor getragen hatte und doch wünschte sie sich ihre Jagdkleidung und die Lederstiefel zurück.

Gerade als sie anfing sich über den vielen Stoff zu beklagen hörte sie ein leises Klopfen an der Tür und dann ein paar fester Schritte auf dem knatschenden Holzboden.

"Das ist ein wahrlich ungewöhnlicher Anblick.", hörte sie Brandon hinter ihr sagen.

Wenn sie sich nicht irrte, und das tat sie im Falle ihrer Brüder selten, dann hörte sie einen Hauch von Bewunderung im Ton ihres Bruders.

Lächelnd drehte die junge Wölfin sich einmal im Kreis und kam dann vor dem ältesten der Stark-Geschwister zum stehen.

"Du siehst wirklich schön aus, so gepflegt, ordentlich...", murmelte Brandon mit Schalk in der Stimme, als er seiner Schwester seinen Arm anbot.

Sie blickte ihn gespielt verärgert an aber ergriff seinen Arm.

Zusammen schritten sie in den weitläufigen Gang der Burg hinaus, bis sie an der Treppe zum Empfangssaal angekommen waren, in dem einige der Gäste warteten, weil es am großen Tor ein Gedränge gab.

Jeder wollte einen guten Platz bekommen, aber vor allem war jeder gespannt den König zu sehen, der seit so langer Zeit zum ersten Mal wieder einen Auftritt vor seinem Volk hatte, welches ihn langsam zu verachten drohte.

"Sind Ned und Ben schon draußen?", fragte Lyanna leise an ihren Bruder gewandt.

Immerhin musste sie ja nicht jeder sprechen hören, während sie die Stufen hinabschritt.

"Die beiden dürften irgendwo dort unten in dem Pulk voller Leute sein. Robert übrigens auch.", die drei letzten Worte hatten einen sehr eindeutigen Klang und Lyanna biss sich auf die Unterlippe um sich davor zurückzuhalten etwas zu erwidern.

Plötzlich spürte Lyanna einen stechenden Blick auf sich.

Suchend blickte sie sich im Raum um, bis sie die Augen traf, die sie förmlich durchbohrten.

Violettfarbene, eiskalte, wunderschöne Augen blickten ihr entgegen, so intensiv wie sie noch nie angeschaut wurde, musterte Rhaegar Targaryen sie.

Nervös ging sie auch die letzten Stufen hinunter, bis sie unten angekommen und von der Menschenmenge verschluckt war.

Den Kronprinzen konnte sie nun nicht mehr sehen und sie wusste nicht, ob sie darüber erleichtert oder enttäuscht sein sollte.

Fanfaren waren zu hören, als die Menge auf einmal begann sich schneller vorwärts zu bewegen.

Es ging los, der König war auf dem Weg und die Gäste mussten nun auf ihre Plätze.

Es dauerte trotzdem noch eine Ewigkeit, bis die Stark-Geschwister sich endlich gefunden und gesetzt hatten. Sie saßen auf einer Tribüne direkt unter dem Podium des Königs und hatten somit die beste Sicht auf das Turniergelände.

"Warum sind Vater und Mutter nicht mitgekommen?", hörte Lyanna den kleinsten der Starks fragen.

Ned lächelte ihn an, "Nun Benjen, es muss immer ein Stark auf Winterfell sein, deswegen sind sie nicht hier."

Benjen nickte verstehend, obwohl Lyanna noch immer einen fragenden Ausdruck in seinem Blick erkennen konnte.

"Wir Starks sind sehr eng mit dem Volk verbunden, Ben. Das was du bei uns auf Winterfell findest, zum Beispiel Freundschaften zwischen den Kindern des Lords und den Stallburschen, das gibt es bei den anderen Häusern nicht.", fing Lyanna den alten Spruch an zu erklären.

"Deshalb sehen wir Starks es als unsere Pflicht und Ehre an, immer für unser Volk da zu sein und damit das auch bei jedem möglichen Ereignis der Fall ist, muss immer mindestens ein Stark auf Winterfell sein, da wo die Menschen sich mit ihren Problemen und Fragen an ihn wenden können. Das ist eine der Dinge die an uns Starks am höchsten geschätzt wird.", beendete sie ihre Erklärung.

"Ja, das und die Sache, dass wir verdammt schwer zu töten sind.", lachte Brandon, doch Lyanna seufzte bloß.

Benjens Augen leuchteten nun, "Wir sind also besser als die anderen Häuser?", fragte er triumphierend.

Ned sah ihn warnend an, "Ben, hier sind wirklich viele Vertreter der anderen Häuser und ich habe keine Lust auf einen Streit mit irgendwem, also könntest du die Lautstärke deiner Worte ein wenig zügeln?"

Benjen nickte eingeschüchtert. Ned war ihm schon immer der liebste Bruder gewesen und er hörte auf alles was der ältere Junge ihm sagte.

Lyanna lächelte ihn aufmunternd an.

"Natürlich ist unser Haus besser als die anderen, schau dir doch bloß die verklemmten Lannister dort drüben an.", raunte sie dann in der Hoffnung den Jungen wieder fröhlicher zu stimmen und tatsächlich musste er breit grinsen, ehe er mit einem schnellen Blick zu Ned sah und erleichtert aufatmete als dieser auch lächeln musste.

Lyanna lehnte sich wieder auf der Sitzbank zurück und verfolgte die Ritter die Königsgarde, die gerade auf den Platz vor ihr traten.

Alle standen auf um den König in Empfang zu nehmen.

Aerys Targaryen schleppte sich den langen Weg entlang bis zu seinem Platz.

Er wirkte nicht so wie der Mann, von dem Lyanna so viel gehört hatte. Natürlich wusste sie von den Gerückten über seine Verrücktheit, aber dass man ihm dies so sehr ansah hatte sie nicht gedacht.

Die silberweißen Haare des Königs waren lang und verfilzt, die Krone saß schwert auf seinem Kopf und an der Körperhaltung konnte man erkennen, dass es für ihn eine Last war sie zu tragen.

Er lief gebückt, versuchte jedoch den Kopf aufrecht zu halten.

Zwar trug Aerys die feinsten Gewänder, aber trotzdem sah er ungepflegt aus.
Dieser Eindruck wurde noch verstärkt von dem langen zotteligen Bart und den ungekürzten Fingernägeln.

Lyanna konnte nicht anders als Abscheu für ihren König zu empfinden und sie spürte, dass es den Menschen im Publikum nicht anders erging.

Benjen hatte bei seinem Anblick sogar erschrocken nach Luft geschnappt.

Erst als Aerys, der die gesamten Anwesenden misstrauisch beobachtete, sich setzte, durften auch sie sich wieder niederlassen.

Das ist also der König der sie regierte.

Der König der seinem Sohn scheinbar so unähnlich war wie nur irgend möglich.

Der König, der die Targaryen Dynastie ein weiteres Mal in den vielen Jahren seit Aegons Landung in Königsmund in Frage stellte und sie dieses Mal vielleicht sogar zu einem Ende bringen könnte.

Irgendwo in der Magengegend spürte Lyanna, wie sich ein Sturm über Westeros zusammenzog, der nicht zuletzt etwas mit dem Prinzen zutun haben würde, der sie schon wieder aus seinen unerklärlichen Augen anblickte.

Promise (Game of Thrones FF)Where stories live. Discover now