Kapitel 1

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Ich werde von meinem vibrierenden Handy wach und reibe mir die Augen, strecke mich ordentlich und gehe ins Bad. Ich wasche mir mein Gesicht und plötzlich kommt mir das Gespräch von gestern mit Frau Fehse in den Kopf. Sie meinte, dass ich auch diese Zeit überstehen werde, doch es fühlt sich so an, als würde ich langsam von innen sterben. Ich bin noch nicht mal in der Schule und zittere am ganzen Körper, ich will ihr nicht begegnen. Frau Peters macht mich total verrückt. Wenn ich ihr auf dem Schulhof über dem Weg laufe, rutscht mir mein Herz in die Hose, ich beginne jedes mal zu schwitzen.

"Yulia, du musst langsam los!", ruft meine Mom von unten aus der Küche.
Ich murmel nur ein leises "Jaja" und ziehe mir schnell meine Klamotten an und gehe nach unten.
"Tschau", entgegne ich meiner Mom, die mal wieder total beschäftigt mit jemandem telefoniert. Sie ist ständig auf der Arbeit und wenn sie schonmal zuhause ist, dann schenkt mir kaum Aufmerksamkeit. Aber das ist momentan mein kleinstes Problem.

Gott sei Dank ist die Bushaltestelle direkt um der Ecke. Ich steige in den Bus, der fünf Minuten später an kommt und spüre meine ansteigende Nervosität. Meine Hände beginnen, nass zu werden und mein Puls verschnellert sich schlagartig, als wir an der Haltestelle vor der Schule anhalten.

Ich steige aus und gehe über den Haupteingang ins Schulgebäude. Auf dem Weg zu meinen Klassenraum bemerke ich, dass ich ständig um mich herum schaue und regelrecht nach Frau Peters suche. Ich versuche, die Gedanken an sie sofort zu stoppen.. Und eine Zeit gelingt es mir, ich kann kurz durchatmen bis mich eine Person anrempelt. Ich falle zu Boden und fasse mir an die Stirn.

"Oh Gott, ist alles in Ordnung mit dir?", höre ich eine besorgte, ruhige Stimme. Als ich aufschaue bestätigt sich mein Verdacht: Es ist Frau Peters.
Ich nicke ihr nur schüchtern zu und greife nach ihrer ausgestreckten Hand, um wieder aufstehen zu können.
"Das tut mir total leid, Yulia. Ich bin eben im Stress und hatte dich gar nicht bemerkt, entschuldigung."
Sie schaut mich wirklich so an, als würde es ihr leid tun. Ihre Blicke wandern immer wieder auf ihre Armbanduhr. Sie scheint es ja echt eilig zu haben..
"Ist schon okay.", mehr bekomme ich nicht raus. Nach diesem Satz zwinge ich mich noch zu einem Lächeln und renne dann stürmisch auf die Toilette.
Ich schließe mich in eine der Kabinen ein und schaue genervt an die Decke. Was denkt sie denn jetzt von mir? Ich konnte mich einfach nicht mehr zusammen reißen, ich musste schnell weg von ihr. Ich schäme mich dafür, dass ich mich nicht mal drei Minuten zusammen reißen konnte, dass ich meine Gefühle mal wieder nicht unter Kontrolle hatte. Die Klingel läutet, ich muss jetzt in den Klassenraum. Also mache ich mich langsam auf dem Weg und komme gerade noch pünktlich.
Zu meinem Erstaunen steht aber Frau Peters vorn am Lehrertisch. Eigentlich hätten wir jetzt Deutsch..
Verwundert setze ich mich auf meinen Platz und begrüße Jonas, meinen Kumpel.

"Guten Morgen, vielleicht habt ihr ja schon mitbekommen, dass Herrn Rothe heute krank gemeldet ist. Jedenfalls werde ich seine Stunde vertreten. Jedoch werde ich mit euch keinen üblichen Deutschunterricht machen..
Ich werde euch gleich eine Frage stellen und ihr habt 25 Minuten Zeit, um eure Antwort auf ein Blatt Papier zu schreiben. Anschließend möchte ich, dass ihr eure Antwort vor der Klasse vortragt."

Wir wussten alle, dass Frau Peters sehr kreativ ist, doch wir hatten trotzdem keine Ahnung, was ihr für eine Frage in den Sinn kam.

"Da kommt bestimmt irgendwas von Politik und dem ach so schlimmen Ereignissen zwischen der USA und Nordkorea.", flüstert mir Jonas leicht genervt zu. Ich nicke ihm nur grinsend zu und widme mich dann wieder Frau Peters, die gerade etwas an die Tafel zu schreiben beginnt.

- Was bedeutet 'Liebe'? -

Wow. Damit hatte ich jetzt nicht gerechnet. Fragend schaue ich sie an, doch sie nickt nur.

Hazel Eyes (TeacherxStudent)Where stories live. Discover now