Kapitel 4 Die Klänge der Tasten

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A/N: Hey, Leute, ja , ich lebe noch! Tut mir leid, dass das Kapitel erst so spät kommt.
Lange Rede, kurzer Sinn: Viel Spaß mit dem neuen Kapitel! Lasst doch einen Kommentar da und schreibt mir, wie es euch gefällt.

Um ehrlich zu sein, bin ich noch nie wirklich gut mit klassischer Musik zurecht gekommen. Ich verstehe nicht, warum Menschen wie Mozart oder Bach Genies genannt werden. Das einzige, das sie getan haben, ist Noten aneinander zu reihen, sodass am Ende eine einigermaßen pasable Melodie daraus hervorgeht.
Lotti ist, was das angeht, ganz anders.
Meine kleine Schwester weiß alles über ihre Lieblingskomponisten, kann drei Sonaten, vier Menuette und ein Requiem auswendig auf dem Klavier spielen und spricht zudem auch noch fließend Musikalisch. Immer, wenn die mit Begriffen wie ‚forte' oder ‚crescendo' um sich wirft, frage ich mich, was genau sie mir damit eigentlich sagen will.
„Erde an Tam! Bist du noch da, oder in welchen Sphären schwebst du gerade?", reißt Lotti mich unsanft aus meinen Gedanken. Wir sitzen in Saal 14 von ‚Wagners Musikschule für Jung und Alt' und warten auf den neuen Klavierlehrer meiner Schwester. Die Dame aus dem Foyer, Viola wie Lotti sie genannt hat, meinte, dass er sich um ein paar Minuten verspäten würde.
„Ich schwebe nirgendwo", antworte ich leicht genervt. „Mir ist bloß langweilig."
„Niemand hat gesagt, dass es spannend wird." Sie seufzt. „So habe ich mir das aber auch nicht vorgestellt!"
Wir warten inzwischen seit fünfzehn Minuten und meine Laune steuert langsam aber sicher auf den Abgrund zu. Mein Schultag war anstrengend, das Mittagessen eklig und jetzt sitze ich hier. Klasse.
Lotti starrt nicht minder missmutig vor sich hin.
Da wird die Tür von außen plötzlich aufgerissen. Herein stolpert ein mir durchaus bekannter junger Mann und meine Augen weiten sich überrascht. Ich habe mit jedem gerechnet, aber nicht mit ihm.
„Lukas?", frage ich völlig perplex.
„Was machst du denn hier?", will er überrascht wissen und mustert mich.
Da schaltet sich Lotti ein und sie klingt mindestens so verwirrt, wie ich. „Ihr kennt euch?" „Ja. Nein. Nur ein bisschen", stottert Lukas, aber ich unterbreche ihn.
„Er ist Luciens große Bruder." Auf Lottis Gesicht erscheint ein vielsagendes Grinsen. „Na das ist ja interessant!"
Ich werfe ihr einen warnenden Blick zu. Sie soll bloß nicht schon wieder damit anfangen. „Ich bin Lotti!", stellt sie sich vor und streckt Lukas ihre kleine Hand entgegen. „Ich bin Tams Schwester. Jünger, aber trotzdem mehr Lebenserfahrung!"
Lukas lächelt. „Ich bin Lukas", meint er und schüttelt ihre Hand kurz.
„Und du arbeitest hier?", frage ich und lege die Stirn in Falten. „Ich dachte, du studierst." Er nickt. „Du hast Recht. Aber mit dem Job kann ich meine Eltern etwas entlasten", erklärt Lukas. Er klingt furchtbar müde. „Es tut mir unendlich leid, dass ich zu spät bin. Die... Vorlesung hat länger gedauert als erwartet." Instinktiv weiß ich das er lügt. Aber warum?
Lotti winkt ab. „Ach, nicht so schlimm. Jetzt bist du ja da! Können wir anfangen?"
Lukas nickt und öffnet den schwarzen Flügel.
„Ist es in Ordnung, wenn ich hier bleibe?", frage ich und er lächelt. „Sicher doch."
Während Lotti und Lukas über die Stücke sprechen, die meine Schwester mitgebracht hat, habe ich die Möglichkeit, Lukas näher zu betrachten.
Irgendwie habe ich das Gefühl, dass es ihm nicht besonders gut geht. Er ist ziemlich blass, unter seinen Augen liegen dunkle Schatten und seine Hände zittern.  Das Lächeln auf seinen Lippen wirkt erzwungen.
Ich erinnere mich wage an das Gespräch mit Lucien heute morgen. Nachdem er gestern Abend nicht mehr chatten konnte, wollte ich wissen, was mit Lukas losgewesen ist.
„Er hat es nicht besonders leicht, Tam. Das mit gestern tut mir wirklich leid, aber es ging nicht anders." Luciens Worte wiederholen sich in meinem Kopf, zu gerne würde ich wissen, was dahinter steckt.
Lotti und Lukas haben sich inzwischen für ein Stück entschieden. Die Mondscheinsonate. Die kenne sogar ich, in der achten Klasse war in Musik noch voll dabei. In der Neunten hat unserer Lehrer schließlich mit diesen italienischen Fachbegriffen angefangen und von da an war es dann vorbei.
Die Klavierstunde erstreckt sich noch über weiter fünfundvierzig Minuten und ich muss zugeben, dass Lukas wirklich etwas von Musik versteht. Außerdem spielt er nicht nur gut, sondern fantastisch auf dem Klavier. Lotti ist total begeistert und mir fallen fast die Augen aus dem Kopf. Das ist doch nicht mehr normal.
Als sich die beiden schließlich erheben und sich verabschieden, stehe auch ich auf. „Lotti wartest du draußen auf mich?", frage ich, daraufhin wirft mir meine kleine Schwester einen skeptischen Blick zu, verlässt aber den Raum. Auch Lukas blickt mich fragend an. „Sag mal", beginne ich und mustere ihn kurz. „Es geht mich ja eigentlich nichts an, aber... geht's dir gut? Du siehst ziemlich fertig aus."
Ich bereue es schon, gefragt zu haben, als er sich unauffällig auf die Unterlippe beißt. „Du hast recht", murmelt er leise und ich bin überrascht von der plötzlichen Schärfe in seiner Stimme. „Es geht dich wirklich nichts an."
Lukas packt seine Unterlagen zurück in den Rucksack, genau darauf bedacht, mir nicht ins Gesicht zu sehen. Dann verlässt er den Saal und lässt mich etwas verwirrt neben dem Flügel stehen. Wow. Was für ein Abgang.

„Ich glaube, ich bin verliebt!", schwärmt Lotti, als wir durch die Altstadt schländern. Für September ist es ziemlich heiß, weshalb mir beschlossen haben, noch Eisessen zu gehen.
„Vielleicht sind es ja wirklich nur Stimmungsschwankungen."
„Lukas ist total lieb!"
„Glaubst du, er ist depressiv?"
„Und er spielt viel besser Klavier, als meine alte Lehrerin!"
„Es könnte auch etwas schlimmeres sein, so wie er aussah..."
Lotti sieht mich empört an. „Was laberst du da eigentlich die ganze Zeit?! Und warum ist Lukas vorhin so wütend gegangen? Was hast du gemacht, Tam?"
„Geflüchtet trifft es wohl eher...", murmle ich abwesend. „Du kannst deine Krallen wieder einfahren. Ich hatte nur das Gefühl, dass es ihm schlecht geht."
Lotti legt den Kopf schief und sieht mich fragend an. „Echt jetzt? Fand ich nicht."
„Emphatie ist ja auch nicht so dein Ding", necke ich sie. Meine Schwester verdreht die Augen. „Das bildest du dir nur ein... und zur Info! Ich bin super, wenn es um Gefühle geht!" Ähm... nein. Eher nicht. Aber ich beschließe, sie in dem Glauben zu lassen. Diskussionen helfen uns da auch nicht weiter.
Wir biegen in eine große Einkaufspassage ein und ich bleibe ruckartig stehen. Auch Lotti hält überrascht inne. Der komplette Bereich ist mit gelbem Band abgesperrt. Männer und Frauen in Uniform versuchen die aufgebrachte Menge hinter der Absperrung zu beruhigen. Ein ganzer Löschzug und mehrere Krankentransporter stehen mitten in der Fußgängerzone, Sanitäter und Feuerwehrleute pendeln zwischen den Wägen und den Trümmern hin und her, um die Verletzten zu bergen.
„Was ist den hier passiert?", fragt Lotti entsetzt. Eine ältere Frau mit aschgrauem Haar kommt auf uns zu. „Ihr habt es noch nicht gehört?"
Lotti und ich schütteln die Köpfe. „In dem Laden ist ganz plötzlich ein riesiges Feuer ausgebrochen!", erzählt sie aufgeregt. „Viele der Kunden und Angstellten haben es noch rechtzeitig nach draußen geschafft, aber..." Sie bricht ab und wirft einen besorgten Blick auf das Geschehen. „...anscheinend gibt es viele Verletzte. Die Sanitäter haben schon zum zweiten Mal Verstärkung angefordert."
Ich will mich gerade für die Auskunft bedanken, als mir das Herz wortwörtlich in die Hose rutscht. Zwei Santitäter tragen einen Jungen in meinem Alter aus dem verbrannten Haus. Sein Gesicht ist mit Rus beschmiert, seine Augen fest geschlossen. Mir wird schlecht, als ich ihn dort liegen sehe. Diesen hellblauen Haarschopf würde ich überall erkennen.
Phillip. Es ist Phillip.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jun 04, 2018 ⏰

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Walking on a curvy road [boyxboy]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt