Prolog 3

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Hastig atmete sie durch, verwandelte sich und hetzte die dunklen Straßen entlang in Richtung Supermarkt.

Da waren aber bereits zwei drei Patrouillen unterwegs, die sie weiträumig umschleichen musste. Zweifellos rechnete dieser Mistkerl Lucan damit, dass Tom doch noch einkaufen gehen würde. Also alles wie gehabt. Hastig verkroch sie sich in den Schatten und wartete ab. Einfach nur das, ganz still und reglos.

Trotzdem hatten die Wächter wohl ihre Schritte gehört, denn sie kreisten auf einmal um den Supermarkt herum wie Planeten um die Sonne. Ein Glück nur, dass diese Bestien sie nicht auch noch im Rudel-Link hören konnten, sonst wäre es ihr nun garantiert schlecht ergangen.

Eine Ewigkeit lang versteckte sie sich unter den Müllcontainern und wartete, bis es den Wächtern und auch Lucan zu langweilig wurde, und sie beschlossen, einen kurzen Wächterwalk zu Toms Haus und zum Wald hin zu machen. Vielleicht hatte sich aber auch nur wieder Ria nach draußen vor die Tür gewagt, um doch noch eigensinnigerweise Milchpulver für das Baby holen zu wollen. Nun, ... sie würden sie ganz schnell wieder einsperren und alles Wimmern und Schreien würde nichts nützen. Vermutlich hatte sie auch gerade am Rudelhaus angerufen und Sebastian hatte sie abgewiesen, ... so etwas war ebenfalls schon öfters geschehen. Das Rudel schaffte sich gerade wieder ganz eigene Gesetze, die nur für die Geborenen galten und der Alpha sah tatenlos lächelnd dabei zu, ganz und gar vereinnahmt von seiner Mate und seinem kleinen Sander.

Sie wusste, dass sie jetzt nur ein paar Minuten Zeit haben würde, doch das würde völlig ausreichen. Wie immer verwandelte sie sich direkt vor dem Eingang und trat mit noch gelb glühenden Augen und leicht gefletschten Zähnen ein.

Die Ladenbesitzer kannten sie bereits und duckten sich einzig nur, während sie sich zwei Leinbeutel vom Ständer nahm, mehrere Brote, Aufschnitt, Obst, Saft, Schokolade, Fleisch und auch noch drei Sorten Erstlings-Milchpulver für Babys einpackte, wie auch neue Fläschchen, Sauger, ein paar Löffel und einen neuen Wasserkocher, damit Ria ihr Baby füttern konnte. Sie wusste, dass sie dabei beobachtet wurde, doch es störte sie schon lange nicht mehr. Die Menschen schrieben nur auf, was sie stahl, dann wurde die Liste an den Alpha weitergereicht, er würde sie zu sich befehlen, ausschimpfen, ihr drohen, ihre Mutter nie wieder sehen zu dürfen, wenn das so weiterging ... Rahel würde sich einmischen, ihn milder stimmen, dann würde sie mal wieder vom Beta und den Wächtern verdroschen und fertig. Für ihre Mama packte sie dann auch noch Honigkekse, Konservendosen, Waffeln und auch noch ein paar Rollen Toilettenpapier ein, dann ging sie stracks an der Kasse vorbei.


„Rechnung bitte wieder an den Alpha!", knurrte sie lediglich finster und
war auch schon draußen, noch bevor die Frau des Geschäftsführers überhaupt schon jemanden im Rudelhaus wegen ihr erreicht hatte, und stürmte davon. Sie schlich sich schwer bepackt zurück zu Toms Haus und wartete, bis die Wächter die Order erhalten hatten, sie am Supermarkt einzufangen, die schon wieder geklaut hatte. Sie verschwanden alle gleichzeitig, also schlich sie schnell an die Terrassentüre heran und stellte ihre Einkäufe für Ria, Tom und das Baby davor ab, bevor sie ihr Erkennungszeichen der Gebissenen klopfte.

Ria öffnete auch sofort.

„Versteck das Zeug! Mach sofort ein paar Fläschchen für euer Baby und versteck auch diese! Kein Wort zu niemandem und heul weiter, ... schrei die Wächter an und brate Tom jetzt gleich das Fleisch, bevor du lüftest, damit der Geruch verfliegt. Er muss es essen und sich verwandeln, okay?! Ich muss los!"

„Komm später wieder, Marnie! Du musst doch auch etwas essen, ... oh, wieso gehst du nur immer wieder solche Risiken ein, du bist doch selbst noch ein Kind?!", flüsterte Ria tief besorgt. „Und du bist auch noch so schrecklich dünn geworden in letzter Zeit."

„Sie wollen mich zwingen, Lebendbeute zu jagen, aber keine Sorge! Ich habe mir auch etwas zu essen mitgenommen! Ich esse es gleich auf dem Weg zu Mama. Sie versorgen sie nämlich schon wieder nicht, obwohl Rahel es angeordnet hat. - Typisch."

„Lass dich bitte nicht erwischen!", rief Ria ihr noch besorgt hinterher und sie hob lediglich die Hand, damit die Frau wusste, dass sie sie verstanden hatte.

Dann knotete sie den Beutel so auf ihren Rücken, dass sie ihn auch als Wolf transportieren konnte und jagte davon ins Territorium hinein, wo ihre Mutter in einem kleinen, kargen Häuschen in der Nähe des Rudelhauses in der Werwolfsiedlung hausen musste, festgehalten vom Alpha und seinen Wächtern, eingeschüchtert bis hin zur Selbstaufgabe.

Sie hielt nicht an, auch nicht als sie sogar den Alpha irgendwo heulen hörte. Vermutlich rief er nach ihr ... Doch sie war noch nie im Rudel-Link gewesen, zum Glück. So musste sie immer erst vor ihm stehen, damit seine Alpha-Stimme Wirkung zeigte. Er meinte ja, das läge daran, dass ihre menschliche Seite gerade wieder viel zu stark ausgeprägt war und ihre Wölfin nun zu schwach, um ihn zu hören - auch egal.

Sollte das Monster doch denken, was es wollte. Sie war nur froh und dankbar darüber, dass er sie nicht direkt hören und sprechen konnte.

Doch wenn er sie nun am Haus ihrer Mutter erwischen würde, würde es ihr schlecht ergehen und Arielle ebenso sehr. Sie durfte sie auf seinen Befehl hin weder sehen noch sprechen. Also schlich sie sich so leise und langsam, in den Schatten wandelnd, an die Werwolfsiedlung an, dass die durchaus sehr aufmerksamen Wächter sie trotzdem nicht kommen und vorbeihuschen sahen. Ohja ...

Sie hatte es gelernt, sich unauffällig zu bewegen, um zu entkommen oder anzuschleichen. Trotzdem pochte ihr das Herz so wie jedes Mal bis in ihre Kehle hinauf, als sie endlich Mamas Häuschen erreichte und den Beutel minus einer Konserve und einer Tüte mit Waffeln an ihre Tür hängte und leise anklopfte.

So still wie es drinnen war, hatte Mama das sicher gehört. Also klopfte sie gleich auch noch das Zeichen, dass sie immer bei ihr klopfte, um ihr zu bedeuten, dass sie es war, die draußen stand. Ihr Herz schmerzte, als sie danach gleich wieder um die Hausecke herum verschwand und rüber zu den Nachbarn lief, um von dort aus wenigstens einen Blick auf ihre arme Mutter zu erhaschen, so wie so oft.

Sie ballte die Hände zu harten Fäusten, als die gezwungen gebissene Arielle die Tür öffnete und hinauslugte ... „Marnie?", flüsterte sie leise und bemerkte den Beutel, ... lächelte bitter und schniefte kurz.

„Danke, ... mein liebes, gutes Kind! So sorgst du nun für mich, noch nicht einmal vierzehn Jahre alt, obwohl ich die Mutter bin ... Möge Gott über dich wachen, mein liebes Kind!", flüsterte sie weiter, wartete noch kurz, doch Marnie sah bereits die Wächter aus dem Wald heranschleichen. Sie durfte ihr nicht antworten.

Marnie fühlte die bitteren Tränen über ihr Gesicht rinnen, als Arielle die Tür hastig wieder schloss und die Kette vorlegte. Als ob das bei den Monstern helfen würde, wusste Marnie aus bitterer Erfahrung und schlich in die entgegengesetzte Richtung davon. Eines Tages, ... schwor sie sich selbst, ... ja, eines Tages würde sie ihre Mutter wiedersehen dürfen. Rahel würde ihr dabei helfen, das hatte sie ihr fest versprochen. Denn die Luna des Schwarzwaldes versuchte wirklich alles, um für die gebissenen Wölfe da zu sein. Sie vertraute ihrer Überzeugungskraft. Musste einfach daran glauben, dass alles gut ausgehen und sie irgendwann wieder bei ihrer Mama sein würde.

Ja, ... eines Tages, vielleicht wenn sie einen eigenen Mate fände in einem der anderen Rudel, einem freundlicheren ... und der sie und auch ihre Mama dann für immer von hier fortbringen und beschützen würde. Und bis dahin musste sie nun einfach nur durchhalten!

Seelenverwandt, Marnie - Die wilde Luna Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt