Selbst bei dem Schließen des Loches reagierte ich kaum, wo es mir sonst  doch einen kalten Schauer den Rücken hatte hinab laufen lassen.

Wie immer lag der Korridor vollkommen still vor mir.

Und für einen Moment wartete ich tatsächlich darauf, Alec würde seine Hand als Begrüßung durch die Gitterstäbe stecken, wie er es immer getan hatte.

Ich schluckte schwer, als ich realisierte, dass es nicht geschehen würde, und senkte meinen Blick.

Okay Aruna... Komm schon...

Für eine Sekunde noch schloss ich meine Augen, um mich zu sammeln, dann ballte ich die Hände zu Fäusten.

Okay Aruna, zeig der Arschgeige, dass du nicht das kleine, dumme, verletzliche Mädchen bist, das er in dir sieht. Oder tu wenigstens so...

Mit gestrafften Schultern schritt ich den Korridor entlang, ignorierte die Nervosität, die sich in mir hochkämpfen wollte und erreichte schließlich die Zelle, in der der Ven saß.

Ich sah ihn nicht an. Er sah mich nicht an. Stur starrte er gegen die Wand vor sich, während ich die Dunkelheit des Korridors entlang stierte, den Beutel immer noch fest umklammert.

Ich brachte es nicht einmal über mich, mich hinzusetzen. Stehen schien mir in diesem Moment irgendwie besser. Überlegender.

Ich wusste nicht, wie lange Still herrschte, in der keiner von uns ein einziges Wort sagt.

Es war komisch. Ein merkwürdiges Gefühl. Zwischen uns herrschte nichts als eisige Kälte und es schien beinahe unmöglich, dass ich bereits mit diesem Jungen gelacht hatte.

Ich war mir ziemlich sicher, dass er erwartete, ich würde als erste reden, weil er glaubte mich zu kennen. Weil er glaubte, ich würde die Stille nicht aushalten.

Aber da irrte er sich. Er unterschätzte mich. Denn ich war stur - das müsste er eigentlich wissen - und ich würde ganz sicher nicht nachgeben.

Meine linke Hand zuckte, ich lauschte auf jedes einzelne Geräusch, während ich einfach weiter mit der Seite zu ihm gerichtet da stand und meinen Kiefer fest aufeinander presste.

Und dann, nach einem weiteren Augenblick, raschelte es plötzlich zu meiner rechten.

Ich musste mir alle Mühe geben, keine Miene zu verziehen, meinen Blick nicht neugierig zu dem zu richten, was Alec da tat.

Und wenn er auf die selten dämliche Idee kommen sollte, in meinem Kopf herum wühlen zu wollen, so würde er auf eine robuste Wand aus Wut treffen, die bereit war, ihm Dolche durch seine verdammte Brust zu rammen.

»Ich habe es gelöst.«

Seine Stimme drohte mich erzittern zu lassen, so kalt und abstoßend klang sie.

Ich presste meine Zähne noch stärker aufeinander.

Gib ihm, was er verdient hat, Aruna. Der Ven kann dir egal sein. Wie er spricht kann dir egal sein. Ven bleibt Ven. Das hätte dir klar sein müssen.

Steif drehte ich mich zu Alec um, sah ihn allerdings nicht direkt an, bloß die Spitzen seines beschissenen Haares.

Und er tat es mir gleich. Sah mich nicht an. Er starrte auf irgendeinen Punkt neben meinen Beinen und verzog keine Miene, während er mir den Fetzen Pergament hin hielt.

Einfach aus Provokation wartete ich noch einen Moment, bevor ich mich etwas hinab beugte, um das Pergament entgegen zu nehmen.

Unter die Aneinanderreihung an Buchstaben war ein einziges, einfaches Wort gekritzelt worden - vermutlich mit dem Stift, den ich Alec vor ein paar Tagen mitgebracht hatte, damit er sich wichtige Dinge die er möglicherweise finden würde, markieren konnte.

Aruna - Die Rote WölfinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt