Der Grund des Schicksals

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Auszug aus „Das Buch des flüsternden Frostes":

Nicht nur Menschen können Liebe empfinden, sondern auch Götter. Doch wen könnten die Götter lieben? Die anderen unter ihnen? Ihre Geschwister?

Nein.

Auch Götter können sich in Menschen verlieben.


Dafydd war der jüngste Sohn eines Jägers im Schwellenland, nahe des großen Sehertempels. Seine drei älteren Brüder waren bereits verheiratet und erwarteten ihre Kinder. Nur er hatte das Pech, noch keine Braut gefunden zu haben.

„Du bist ein Nichtsnutzt! Kannst nur Pfeil und Bogen führen, aber kein Mädchen nach Hause bringen!", schimpfte sein Vater immer.

Dafydd verstand seinen Vater nicht. Jeden Tag musste er mit ihn in den Wald, um zu jagen, um das Fleisch und Leder zu verkaufen. Wie sollte er da denn ein Mädchen kennenlernen?


Eines Tages im Herbst, war Dafydd das erste Mal ohne seinen Vater im Wald. Schon Tage zuvor klagte dieser, dass ihm sein Bein langsam lahm werden würde. Bis er es nicht mehr ohne Schmerzen lang machen konnte.

„Du muss nun alleine los!", befahl sein Vater. „Wehe dir, du findest nicht genug!"

Dafydd war nicht glücklich, nun ganz alleine für seinen Vater und seine Mutter zu sorgen, doch er war froh darüber endlich seine Ruhe zu haben. Stets ermahnte ihn sein Vater, egal was er tat.

War einmal eine Falle nicht genug verdeckt, bekam Dafydd eine Ohrfeige. Verfehlte er ein Tier, schimpfte sein Vater und befahl ihm, neue Pfeile anzufertigen, wenn sie wieder daheim waren,

Nun gab es niemanden, der ihn kritisieren konnte. Es gab nur noch ihn und die Natur.

Und das Glück.

Dafydd hatte bereits zwei Hirsche und einen Hasen erlegt und die Sonne stand noch nicht im Zenit. Um sich etwas zu verschnaufen ging er zu einer Lichtung, die von vielen nur „Der Grund des Schicksals" genannt wurde. Diese war immer, egal welches Wetter herrschte, sonnig und warm. Einige Bewohner aus den umliegenden Dörfern munkelten, ob sie vielleicht von einem Gott gesegnet worden sei.

Er hing das Fleisch an einem Baum und setzte sich ins Grüne.

Wie sehr Dafydd es doch mochte, wie die Sonne ihm ins Gesicht schien.

Wie schön warm ...

So leicht ...

Einschläfernd ...


Er wusste nicht, wie lange er geschlafen hatte. Doch der Schock darüber, dass die Sonne bereits leicht unterging, wandelte sich in Panik um. Dafydd sprang auf und wollte zu seiner Beute.

Doch sie war weg.

Es gab keine Spuren von Tieren in der Nähe. Nur noch die Seile, wodran Dafydd das Fleisch befestigt hatte, waren noch da.

Traurig über seinen Verlust und zornig über die bevorstehende Standpauke kehrte er mit leeren Händen nach Hause zurück.

Er sah schon von weitem, wie der Schornstein seines Heims fleißig rauchte. Sicherlich fror seine Mutter wieder. Er konnte sie sich gut vorstellen, wie sie ihre Hände an der Feuerstelle wärmte. Und er konnte sich vorstellen wie sein Vater... Wie er wohl auf die Botschaft reagieren würde, dass es morgen kein Essen gäbe?

Dafydd war nur wenige Meter vom Haus entfernt, da erblickte er eine junge Frau davor. Die zwei Hirsche lagen neben ihr und den Hasen trug sie auf dem Rücken. Als ob sie seine Blicke gefühlt hätte, drehte sie sich zu ihm um. Durch das Licht des Sonnenuntergangs und der kleinen Flamme der Kerze an der Haustür erkannte er, dass sie ihn anlächelte.

Tacha und der Gott der Jagd - Wenn das Schicksal einen küsstWhere stories live. Discover now