∆ Leben ist eine Bitch

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Schauspielen habe ich im Gegensatz zu Cara gut drauf. Bei ihr merkt man es sofort. Sie würde in der Situation auch nicht schauspielen wollen, sondern jeder hätte es schon unter die Nase gerieben bekommen. Doch das wäre leichtsinnig und dumm.

Als Cara in der zweiten Stunde zu mir kommt, sage ich auch nichts zu ihr davon. Erstmal bleibt es mein Geheimnis. Ich sage ihr nicht mal etwas von dem Vorfall. Innerlich bin ich sehr aufgelöst und würde ich etwas davon sagen, wüsste ich nicht, ob ich meine Fassade aufrecht erhalten könnte.
„Denkst du Bryden fährt uns noch?",fragt Cara.

Zu diesem Zeitpunkt ist die Frage mehr als nur unpassend. „Kannst ihn ja fragen", antworte ich, aber eigentlich will ich überhaupt nicht mit ihm interagieren. Es macht mich nervös zu wissen was er ist, aber nicht einordnen zu können, ob er mir etwas tun würde oder nicht, oder wie er reagieren würde, wenn er wissen würde, dass ich es weiß.

„Ey Bryden. Was ist mit am Freitag?", schreit Cara über den halben Klassensaal, weil sie zu faul um aufzustehen ist. Echt geil. Sie hat nicht nur Brydens Aufmerksamkeit auf sich gezogen, sondern das von der ganzen Klasse. „Ja, kann ich machen", sagt er nur. Zum Glück war die Konversation kurz und knapp. Dennoch gefällt mir die Antwort nicht. Cara und ich mit einem Vampir in einem Auto.

Allein die Vorstellung, lässt in mir die Übelkeit hervorsteigen. In der Pause kommt Brydens direkt zu mir. „Könnte ich mit dir allein sprechen?", fragt Bryden, wobei er ziemlich gestresst wirkt. „Ich will noch etwas für Englisch lernen", antworte ich und starre weiterhin auf die Vokabelliste, die ich mir versuche in letzter Sekunde einzuprägen.

Es stellt sich heraus, dass wir doch kein Englisch schreiben.
Ich hasse Lehrer, die es einem jede Stunde androhen, aber schlussendlich vielleicht zwei Tests schreiben im Jahr.
Dennoch bin ich deshalb nicht traurig, weil ich Angst hätte mich nicht konzentrieren zu können.

Das Erlebte geistert immer noch durch meinen Kopf und lässt mich nicht los. Es gleicht eher einem Laubfeuer, welches sich immer mehr ausbreitet. Immer mehr Fragen machen sich in meinem Kopf auf. Tötet er Menschen? Trinkt er Blutkonserven? Oder vielleicht trinkt er auch Tierblut? Wie viele Menschen hat er umgebracht? Warum flieht nur sein Bruder mit ihm? Beziehungsweise was ist mit seinen Eltern passiert? Leben die noch? Ist er ein Mörder?

Die Gedanken machen mich nervös. Meine Gefühle kommen leider auch noch dazu, obwohl ich eigentlich gar nichts mehr für ihn fühlen dürfte. Mein Herz schmilzt immer noch dahin, wenn ich ihn allein nur vor mir sitzen sehe. Dabei ist er ein Monster und ich sein Frühstück.

Dennoch macht jetzt alles einen Sinn. Er scheint mir nichts tun zu wollen, beziehungsweise gleich zu empfinden. Sonst hätte er sich nie versucht die Hoffnung zu nehmen.
Wahrscheinlich hat er Angst mich zu verletzen. Deshalb hat er sich auch zurückgezogen.
Dann tut es mir dazu auch noch leid, wie sein Leben gelaufen ist und dass er derjenige war, der sein Leben nicht mehr leben konnte.

Unter so viel Last wäre jeder zerbrochen. Er war Stark, egal was man sonst gerne über Selbstmörder denken würde. Viele würden früher einknicken.
Allein durch welche Hölle viele gehen. Depressionen vernebeln einem die Sicht dazu. Die Krankheit ist wie ein Tumor, welcher einmal klein war und mit der Zeit immer schneller wächst, bis man sich selbst und die Kontrolle über sein Leben verliert.
Depressionen sind auch nie komplett besiegbar, man kann nur lernen damit umzugehen. Es ist eine Last, die ich auch lernen musste zu tragen.

„Christella, so you want to write the test? Or why are you asleep again (Christella, so du willst den Test schreiben? Oder warum bist du wieder eingeschlafen)", nörgelt Frau Winter herum. „No, but sorry I was lost in my thoughts (Nein aber sorry ich war in meinen Gedanken verloren)", antworte ich.
„Wir bräuchten dringend Philosophie an dieser Schule", brummt Frau Winter. Zu uns sagt sie, dass wir nur in englisch reden sollen, doch selbst hält sie es nicht ein. Macht Sinn.
Zumindest macht sie weiter mit dem Unterricht und ignoriert mich.

Nach der Schule laufe ich zusammen mit Chara Richtung nach Hause. Irgendwie scheint es ihm unangenehm zu sein mit ihr zu reden. Erst nach dem sie weg ist kommt er auf mich zu. „Du verhältst dich irgendwie seltsam. Ist alles ok?",fragt er mich. „Ich bin immer seltsam", entgegne ich.
Bryden verdreht kurz seine Augen und sagt:„Hast du irgendwie Angst?" „Ich bin etwas überemotional und das heute morgen war etwas viel für mich und ich freue mich auf Zuhause, damit ich meine Ruhe habe. Ich steigere mich zu sehr in Dinge rein", erkläre ich.

Hoffentlich kauft er es mir ab, hoffentlich kauft er mir es ab, hoffentlich kauft er es mir ab und verwandelt mich nicht in Vampirfutter...gerade hat sich dieser Gedanke noch lustiger angehört, aber nein.
Wenn er weiß, dass er mich nicht manipulieren kann bin ich Vampirfutter.

„Kenne ich auch von mir. Ich steigere mich auch in Dinge leicht rein und mache mir immer mehr Panik und Druck, als eigentlich nötig ist", gibt er mit einem Schmunzeln zu. Er wirkt so menschlich, nicht wie man sich ein Vampir vorstellt.
Nicht, wie ich mir ein Vampir vorstelle.  „Das k..kenne ich nur allzu gut. Ich h..habe ein l..leichtes Stotterproblem. Als Kind konnte ich  nicht gut h.. hören und würde oper..riert. Ich war bei der Logopädie. Irgendwann habe ich mich gelangweilt und die Logopädin meinte, dass es kein Sinn mehr mache", erkläre ich und blicke in seine Augen.

Vielleicht kann ich ihn überzeugen, dass es wirklich nicht an ihm hängt. Stottern tue ich eh, egal ob ich aufgeregt bin oder nicht, also lüge ich nicht einmal. Aber es versuchen meine Angst zu verschleiern, scheint nicht schlecht zu sein. Er darf auf keinen Fall wissen, dass ich es weiß.

„Hey, alles gut. Jeder hat irgendwo seine Schwächen",meint Brydens und blickt in meine Augen.
Als wir am Ende unseres gemeinsamen Wegs gekommen sind umarmt mich Brydens kurz und wir gehen getrennte Wege.
Zum Glück scheint er es mir zu glauben...

Beim Ankommen Zuhause erwartet mich ein unangenehmer Schock- mein Vater liegt auf der Couch und eine Flasche Whisky steht vor ihm. Die Flasche ist halbleer. Ja das klingt negativer als würde ich nun halb voll sagen, aber die Situation ist wirklich negativ.

Tränen rennen mir über die Wange, weil mir alles zu viel wird. Ich will nicht schon wieder meinen Vater an Alkohol verlieren. Die Zeiten, in denen er mich wie eine Prinzessin behandelt hatte und vielleicht ab und zu Mal etwas getrunken hatte, möchte ich zurück. Endlich bräuchte ich wieder ein paar schöne Zeiten.

Und dann ist mein Schwarm ein Vampir und ich habe keine Ahnung, wie ich ihn einschätzen sollte. Ich weiß nur, dass ich mitspielen muss, da ich sonst als Blutcocktail ende...

Warum muss das Leben eine verdammte Bitch sein?!

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