Erpresst

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Kapitel 16

Maya blieb der Mund offen stehen und erst nachdem sie ihn einige Minuten fassungslos angesehen hatte und sich ihre Wangen wegen der Enttarnung glühend heiß anfühlten, bemerkte sie, dass es zu spät war, um zu lügen. Zu spät, um ihn für verrückt zu erklären, stattdessen lag ihr nur eine Frage auf der Zunge:
„Weiß Damien es?", fragte sie gerade heraus und das teuflische Glitzern in seinen Augen verstärkte sich. Oh Gott, alleine mit dieser Frage hatte sie noch mehr offenbart. Und sie beide wussten das. Hunter legte seinen Arm lässig auf die Rückenlehne seines Sitzes und musterte sie mehr als interessiert.
„Na sieh mal einer an. Er weiß es nicht? Ich dachte ehrlich, er hat dich als Lockvogel zu mir geschickt, um sich zu rächen. Aber das eröffnet uns ja ganz neue Möglichkeiten."
Mayas Herz schlug ihr bis zum Hals. Egal welche Pläne dieser Mistkerl gerade schmiedete, sie wusste, dass sie kein Teil davon sein wollte. Sie schluckte und entschied sich dann dafür das Thema zu wechseln.
„Warum sollte er sich rächen wollen?", fragte sie und zu ihrer Überraschung antwortete er ohne zu zögern. „Weil ich ihn über den Tisch gezogen habe oder weil ich Markus verabscheue oder weil ich ihn seiner Meinung nach betrogen habe. Die Liste ist endlos", gestand er, schien aber weder irgendetwas davon zu bedauern, noch wütend zu sein, über eine mögliche Racheaktion. Maya aber interessierte etwas anderes.
„Wieso mögen Sie Markus nicht?", fragte sie vorsichtig. Hunter zog eine dunkle Augenbraue nach oben und sein Grinsen erstarrte. Er wurde ernst und zu ihrer bodenlosen Überraschung sah er mit einem finsteren Gesichtsausdruck noch sehr viel attraktiver aus, als zuvor. Kurz erwartete sie sogar eine körperliche Reaktion auf ihn, schließlich war sie eine gesunde Frau, aber... es kam nichts.
„Das solltest du doch am besten wissen, sofern auch nur die Hälfte von dem stimmt, was in der Zeitung stand. Er hat dich belästigt, stand da drinnen und zwar so ernsthaft, dass Damien ihn in die Klapse einweisen ließ. Stimmt das?", fragte er. Maya entschied sich für die grausame Wahrheit. Sie würde Markus niemals verteidigen und ihn auch nicht schützen.
„Er hat versucht mich zu vergewaltigen." Naja. Für eine halbe Wahrheit. Den Rest behielt sie für sich, nicht wegen Markus, sondern weil sie nicht wusste, was Damien mit ihr anstellen würde, wenn sie es Hunter brühwarm erzählte.
Bei dem Gedanken er könnte sie bestrafen, durchfuhr ein lustvoller Schauer ihren Körper und sie widerstand nur schwer dem Drang ihre Schenkel zusammen zu pressen. Doch noch etwas machte sich in ihrem Magen breit: Angst. Ja, sie war frech zu Damien, ja, sie versuchte sich nicht mehr einschüchtern zu lassen, aber eines war klar: Er machte ihr noch immer Angst, auf eine dunkle, erotische Art und Weise, die sie fesselte und nie wieder loslassen würde.
Hunters Blick wurde mit einem Mal einfühlsam. „Das tut mir ehrlich leid", raunte er und Maya nickte nur in die aufkommende Stille hinein. Das hatte er ernst gemeint, doch sein Mitleid berührte sie nicht im geringsten.
„Als ich ihm zum ersten Mal begegnet bin, wusste ich, dass mit ihm etwas nicht stimmte. Er war zu überzeugend, zu nett. Ohne Ecken oder Kanten. Solche Menschen existieren in Wahrheit nicht und die, die sich als solches ausgeben, verstecken in Regel etwas, das viel hässlicher ist, als eine kleine Macke", erklärte er und Maya wusste es zu schätzen, dass er ihr das sagte, konnte ihm aber natürlich nicht sagen, wie richtig er damit lag. Wie tief Markus' Verdammnis ging.
„Damien liebt Marcus, egal was er tut", entfloh es Maya voller Bitterkeit und Hunters Blick nahm ihren wieder gefangen. „Auch das tut mir leid, überrascht mich aber nicht. Er ist sein Bruder. Obwohl es mich überrascht, dass er es selbst jetzt noch nichts tut, wo seine Schwester davon betroffen ist." Maya zuckte mit den Schultern, um das schwere Gefühl loszuwerden, das auf ihre Brust drückte.
„Er kennt mich ja noch nicht lange. Ich bin seine Stiefschwester, nichts weiter. Markus kennt er seit Jahren."
„Du verteidigst Damien?", fragte Hunter mit gerunzelter Stirn. Maya zuckte noch einmal mit den Schultern. Langsam wollte sie das Thema beiseite lassen, sonst würde sie sich noch weiter verplappern.
„Nein. Ich verstehe seine Beweggründe, das bedeutet nicht, dass ich sie gutheiße. Bitte halte den Wagen an, ich habe ein Praktikum zu erledigen!", sagte sie mit einer Beiläufigkeit, die Hunter tatsächlich hätte dazu bringen können, den Wagen anzuhalten, oder auch nicht. Dieses dunkle Glitzern trat zurück in seine Augen und er lächelte wieder.
„Dein Praktikum findet bei mir statt, Ms Dust. Und ich hoffe, dass ich Ihnen nicht explizit damit drohen muss, dass ich es Damien erzähle, oder?", meinte er und sah sie durchdringend an. Mayas Augen wurden schmal und sie prustete so abfällig wie sie konnte.
„Sie wagen es, sich mir immer noch aufzuzwingen?", fragte sie provozierend und anscheinend traf das einen Nerv bei ihm, das Grinsen verschwand wieder und etwas tödliches trat in seine Augen, etwas das ihr Angst mache und etwas, das sie so sehr an Damien erinnerte, dass es sie kurz tatsächlich erregte.
„Ich zwinge mich niemanden auf, aber ja: Ich wage es dich dazu zu nötigen mehr zu tun, als Post zu sortieren und Kaffee zu machen. Dafür bedanken kannst du dich später", winkte er wütend ab, drehte sich wieder um und fuhr das Trennfenster zwischen Fahrer und Kabine wieder hoch.
Am liebsten hätte Maya aktiv auf etwas eingeschlagen. Irgendetwas, das so aussah und sich anfühlte wie Hunters Gesicht, aber stattdessen ballte sie nur die Fäuste in ihrem Schoß und blieb an dem amüsierten Ausdruck von Kathleen hängen. Die ihr ja auch noch eine Antwort schuldete.
„Wie können Sie mit ihm nur arbeiten?" Vor allem nachdem er sie in der Öffentlichkeit auch schon so angegangen war. Kathleen zuckte mit den Schultern.
„Er ist gar nicht so schlimm." Und in diesem Moment begriff Maya genau drei Dinge: Kathleen war verknallt in Hunter, trotz ihres ehrlichen Lächelns und ihrem warmen Blick, hasste diese Frau sie abgrundtief und Maya konnte es ihr nicht mal übel nehmen.
Enttarnt.
Erpresst.
Gehasst
Na das war doch ein hervorragender Start in den zweiten Tag. Ganz fantastisch.

So.

Für diese Geschichte ist die Lesenacht beendet. Bei Sweet little Bird geht es aber noch weiter.

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