»Was denkst du, woher die kommt?«, fragte ich schließlich.

Langsam schien Alec zu dämmern, was ich vor hatte.

Er verzog das Gesicht, als würde ihm, aus welchen merkwürdigen Gründen auch immer, missfallen, was ich tat.

Unsicher zuckte Adam mit den Schultern, sah verlegen hinab und hinauf und hinab und hinauf, ihm war es ganz offensichtlich unangenehm, mein Auge so genau anzusehen.

Na vielen Dank auch, das machte es für mich natürlich besser...

»Ehm«, meinte er schließlich unsicher.

»Sieht... übel aus?«

Alec schnaubte genervt auf, während ich mich zurückhielt, um nicht die Augen zu verdrehen.

Danke. Dass sie nicht schön aussah, wusste ich selber, das war aber ehrlichgesagt nicht wirklich die Frage gewesen.

»Kommt aus deinem dämlichen kleinen Mund auch eigentlich mal irgendetwas Intelligentes?«, knurrte Alec genervt, Adam schrumpfte in seinen Stuhl weiter und weiter zusammen, merkte wohl jetzt erst, dass das, was er gesagt hatte, nicht unbedingt freundlich kam.

»Entschuldigung«, murmelte er dann plötzlich.

Überrascht sah ich ihn an. Hatte er sich da gerade tatsächlich entschuldigt?

Ich blinzelte ein paar Mal und selbst Alec wirkte in diesem Moment überrascht.

Nein, Adam war definitiv noch nicht lange ein Ven. Und er war ganz sicher einer der Guten. Wenn auch ein wenig unbeholfen.

Schließlich seufzte ich.

»Schon gut«, wank ich ab, kam dann auf das eigentliche Thema zurück.

»Also, das hier«, redete ich weiter, zur Verdeutlichung tippte ich erneut auf die Narbe, die sich von meiner Wange über mein Auge zog, diesen unverwechselbaren Bernstein hinterließ, und schließlich meine dunkle Augenbraue spaltete.

»Ich war gerade mal sechs Jahre alt. Mein Rudel war, beziehungsweise ist, eines der Guten. Wir leben in einem Dorf tief im Wald und beschützen die Inbecs in den Dörfern außerhalb unseres Waldes vor anderen Wölfen, verhandeln Verträge aus, damit sie niemand anrührt und kümmern uns um frisch Gebissene, damit die nicht die Kontrolle verlieren.«

Adam blinzelte ungläubig, starrte mich an, als würde er geradezu auf die blinkende Leuchtschrift über meinem Kopf warten, die in dicken, glühenden Buchstaben Lügner  schrie.

Von seinem Blick allerdings ließ ich mich nicht beirren, verknotete die Hände ineinander und wollte weiterreden.

Ich meine hey, wenn er uns seine Geschichte erzählte, zumindest einen Teil davon, wäre es da nicht eigentlich nur fair, ihm auch etwas zu erzählen?

Ja, versuch das mal Alec zu erklären, lauter hast du ihn bestimmt noch nie lachen gehört.

Um genau zu sein, hatte ich ihn bis jetzt nur einmal lachen gehört. Also so richtig lachen, kein dämliches Grinsen, kein nachdenkliches Lächeln, kein einfaches Mundwinkelzucken.

Ein wirkliches Lachen.

Damals, als wir an dem See gesessen hatten.

Irgendwie war es ein erleichtertes, ein ausgelassenes Lachen gewesen, weil der ganze Mist, wenigstens für den Moment, endlich vorbei war.

Ich glaubte, dass war auch der Zeitpunkt gewesen, seit dem wir uns manchmal gar nicht mehr so sehr hassten, wie am Anfang.

Gut, nein, ich gab es zu, hassen tat ich Alec wirklich nicht mehr - hatte ich es überhaupt jemals getan? - manchmal war der große Volltrottel nur etwas... nervig.

Aruna - Die Rote WölfinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt