4. Vier

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Grayson

Vielleicht würde ich doch nicht so schnell von hier wegkommen, wie Anfangs gedacht.
König Ronan achtete schon fast zwanghaft auf eine wohlgepflegte Privatsphäre. So geschah es mir, dass ich bereits mehrere Stunden durch das Schloss schlich, versuchte mir einen Überblick zu beschaffen und gleichzeitig irgendwas über den König rauszufinden.
Wenigstens wurde mir jahrelang beigebracht wie ich mich zu bewegen hatte, um so wenig Lärm zu verursachen wie nur möglich.

Dieser verdammte König verstand wohl echt was davon etwas geheim zu halten. Ich durchsuchte praktisch alle Räume nach irgendetwas, was mich weiterbrachte. Nun stand ich wieder einmal vor seinem Büro. Vor ein paar Stunden habe ich mitbekommen wie er es abgesperrt hat und sich in sein Schlafzimmer begab. Ich warf einen Blick über meine Schulter, ließ ihn durch die Gänge schweifen und lauschte ein paar Sekunden die Stille. Als nichts zu hören, weder zu sehen war, griff ich in meine Hosentasche und holte die Haarnadeln, die ich mir von der Prinzessin netterweise ausleihen durfte, heraus.
Naja, sie wusste nicht, dass ich sie mir genommen hatte, aber ich bezweifelte, dass sie ihr abgehen werden.

Meine Augen hatten sich schon an die Dunkelheit gewöhnt, weswegen ich mich ein paar Sekunden auf das Licht der Taschenlampe einstellen musste. Da ich keine freie Hand mehr hatte, klammerte ich die Lampe zwischen meine Zähne.

Ich hatte schon hunderte Schlösser geknackt, weswegen es nicht lange dauerte, bis ich alle Pins nach oben schob und mir ein leises Klick zu Ohren kam.
Jetzt waren nur noch die anderen drei Schlösser der Tür an der Reihe.

Bevor ich den Türgriff nach unten drückte, lauschte ich nochmal an der Tür um sicher zu sein, dass niemand dahinter lauerte und mich gleich überfiel. Gerade als ich die Tür aufmachen und leise dahinter wieder verschwinden wollte, hörte ich ein Poltern, keineswegs laut, auch nicht nah.
Jedoch war es zu gewagt, weiterzumachen, es reichte allein schon, wenn mich irgendein verängstigtes Dienstmädchen erkannte. Also zog ich die Flügeltür wieder ins Schloss und folgte dem Geräusch. Es ist viel zu spät für einen anderen Bodyguard noch wach zu sein und viel zu früh für das Küchenpersonal.

Ich wollte schon fast an der Bibliothek vorbeigehen als mir das warme Licht, das am unteren Türrahmen an den Flur fiel, auffiel.
Die Prinzessin konnte es wohl kaum sein, immerhin hatte sie schon geschlafen als ich mich auf die Suche nach den Geheimnissen ihres Bruders begab. Personal war es, meines Wissens, nicht gestattet die Bibliothek zu betreten. Also wagte ich einen Blick in die heiligen Hallen der Prinzessin.

Und da stand sie auch schon, in ihrem Rosè-farbenden Satin Pyjama. Sie zeigte mir noch den Rücken, also sah ich nur ihre blonden Locken. Sie stand bei einem der Regale und hüpfte, mit emporgestreckten Arm, am Stand. Ein sanftes Grinsen schlich sich über meine Lippen.
Sie wird mich hassen, wenn ich ihr Gesellschaft leistete, also stieß ich mich vom Türrahmen ab und ging zu ihr, griff über sie hinweg zum Bücherregal und nahm mir das Buch. Es hatte einen braunen Einband und sah aus als hätte es schon die besten Jahre hinter sich gehabt, so wie jedes Buch in diesem Raum.

Unter mir zuckte die Prinzessin heftig zusammen und schnappte nach Luft. „Verdammt! Erschreck mich nicht immer so!"
Sie griff verärgert nach dem Buch und riss es mir aus der Hand.

„Stets zu Diensten, Eure Hoheit", grinste ich und blickte zu ihr hinab. Sie starrte mich einige Sekunden mit genervten Blick an und drehte sich von mir weg, als ich das Gaffen erwiderte. Sie drückte das Buch an ihre Brust, ließ sich mitten im Raum auf eine Decke sinken und öffnete sich eine Chipstüte.
„Ich dachte ich wäre dich Spinner los", schmollte sie vor sich hin und steckte die Hand in die Tüte. Ich hatte noch nie zuvor eine Prinzessin Chips essen sehen, lag wahrscheinlich auch daran, dass ich generell selten was mit Prinzessinnen zu tun hatte.

„Grayson, eure Hoheit. Mein Name ist immer noch Grayson.", stellte ich ruhig fest und spazierte durch die Bibliothek, bis ich wieder vor ihr stand.

Bockig klappte sie ihr Buch wieder zu und blickte zu mir hoch.
„Was willst du eigentlich noch hier, Grayson", murrte sie und betonte dabei spöttisch meinen Namen.

Sie war schlechter
gelaunt als sonst, und das konnte ich feststellen obwohl ich sie erst einen Tag kannte.

„Das könnte ich Sie auch fragen. Immerhin sollten Sie schon längst im Bett liegen." Ich legte den Kopf etwas schief und musterte sie, als sie sich eine Hand voll Chips in den Mund schob.

„Du bist mein Bodyguard und nicht mein Babysitter."

„So gesehen eigentlich schon", grinste ich wieder gehässig und bereute meine Aussage als sie wieder ihr Buch aufschlug und geknickt ihren Kopf einzog.

Wenn ich etwas nicht konnte, dann ist es mit weinerlichen Mädchen umzugehen. Doch bevor ich daran dachte, saß ich schon vor ihr am Boden.

„Stimmt etwas nicht...?", hauchte ich mitfühlend.

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written by artisticwinchestxr

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