Chapter 12

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Immer schneller ging ich die Straßen Yorktowns entlang. Mein Kopf ganz und gar benebelt von jener Eiseskälte, welche sich einfach nicht abschütteln ließ.

Sie war mir unter die Haut gekrochen. Nahm meinen kompletten Körper ein und hinderte mich so daran, auch nur einen einzigen klaren Gedanken zu fassen.

Stattdessen irrte ich derweil am Rande Yorktowns ganz Nah der unendlich großen, sich weit erstreckenden, öden Landschaft entlang, während sich in meinem Kopf millionen von Fragen gleichzeitig überschlugen, während ich mir verzweifelt auf all diese, versuchte Antworten zu reimen, nur um jene keine fünf Minuten später wieder zu verwerfen. Sie passten nicht. Nichts passte, was hätte Ordnung in meinen Kopf bringen können.

Keuchend und innerlich am Rande der Verwirrung, ließ ich mich Abseits des großen Highways nieder, welcher aus der kleinen Stadt hinaus, über abertausende von Kilometern in darauffolgende Ortschaften führte, bis hin zu meiner alten Heimat Pennsylvania. Ein Ort, der schon  allein, mit all seinen verbitterten Erinnerungen in meinem Kopf für Schmerzen sorgte und desweiteren nicht gerade zur Linderung meines eigenen Chaos beitrug.

Verzweifelt griff ich nach einer Hand voll Kieselsteine, die mich, wie ein Haufen voller Ameisen am Straßenrande umgaben und verschloss diese so in meiner Hand. Drückte ihre scharfen, spitzen Ecken und Kanten gegen meine dünne, blasse Haut, sodass ich das Blut, welches sich unbewusst mit dem salzigen Wasser meiner Augen vermischte, aus all den Kratzern auf meiner Handfläche förmlich auf meiner Zunge schmecke, jener metallene Geruch zu mir heraufstieg und mir bewusst wurde, dass ich etwas hatte, an dem ich mich festzuhalten konnte. Etwas, dass jene innerlichen Scherzen übertönte. Nicht für immer, doch allein für diesen Augenblick genügte es.

Wie in Trance genoss ich die Ruhe, die mich, umso fester ich die kleinen, spitzen Steine in meiner Faust zusammendrückte umgab. Es war angenehm, nichts zu spüren, all die Schmerzen meiner aufflammenden Vergangenheit, welche in Verbindung mit Lennart standen, seinem Unfall, seinem Tod, gegen welchen ich machtlos gewesen war, sowie seine braunen Augen, welche sich vor den meinen geschlossen hatten. Dabei hatte er doch versprochen das alles gut wird...

Doch nichts war gut geworden. Nicht mal helfen hatte ich ihm können, viel zu sehr war ich damals am zerbrechen gewesen, dabei war er doch gebrochen, nicht ich. Genauso wie er es gewesen war, der mir Besserung versprach, nicht ich. Er war für mich da, doch ich nicht für ihn. Und diese Schuld, würde ich nie wieder begleichen können. Den er war aus meinem Leben gerissen worden und das für immer.

So also saß ich dort, am Rande der Straße, starrte das Blut an, welches Tropfen für Tropfen aus meinem Handballen auf das graue Pflaster tropfte, sich dort bis zum nächsten Regen verewiegte und merkte, dass nicht mal der Umzug etwas an meinem Zustand geändert hatte. Nichts hatte mir helfen können. Kein noch so guter Arzt, Tante Ahn, sowie auch der Umzug hatte bis jetzt nicht mal die kleinste aller Kleinigkeit an meinem Wohlbefinden geändert, obwohl mich dieser erst einmal ablengelenkt hatte. Doch nun war es, als würden mich jene Gefühl wieder eingeholen, sich an mir festsauen und mich nie wieder loslassen, genauso wie es jene Kälte niemals tun würde, welche mir unaufhörlich im Nacken saß.

Dennoch lag es an mir, diese abzuschütteln, obwohl meine Muskeln, jede einzelne Faser meines Körpers mittlerweile schon bis aufs letzte ausgeleiert war. Nicht mehr zu benutzen.

Ich seufzte, während ich geistlos weiter auf den ewig langen betonierten Weg vor mir starrte, welcher sich in jener weiten, öden Landschaft regelrecht zu verlieren schien.

Von ungewisser Kälte erdrückt, dachte ich daran, dass obwohl ich jetzt vielleich hier saß, ich nicht für immer an dieser Stelle, abseits von allem verharren konnte, auch wenn ich dies am liebsten wollte. Den ich durfte nicht auf ewig diese Person bleiben, die ich jetzt war, verletzlich, sowie verzweifelt.

Diamond Where stories live. Discover now