»Ja.«, antwortete ich ihm, ohne nachzudenken. Sobald es jedoch raus war, wusste ich jedoch, dass es die richtige Entscheidung gewesen war. Das hier war kein Ort für einen Ivok. Wir würden eine Zeit lang im Wald sein. Was sicherlich besser für ihn war, als das hier.

»Warte. Das kannst du doch nicht einfach so entscheiden.«, mischte sich Zach ein. »Dieses Vieh könnte uns einfach aussaugen während wir schlafen.« Es wunderte mich nicht, dass er in seiner kurzen Zeit hier auf Gaia Bekanntschaft mit den Ivoks gemacht hatte.

»Doch. Ich kann.«, erwiderte ich nur ruhig. So ruhig, dass er schwieg. Niemand sagte irgendetwas. »Bringen sie uns zu dem Ort.« Der Soldat nickte nur.

Unsicher näherten sich alle. Wir legten unsere Hände in die Mitte. Mit meiner freien Hand berührte ich Rrru. Er brummte nur. Im nächsten Augenblick standen wir mitten im Wald.

Rrru war so froh, dass er anfing wie verrückt durch die Gegend zu rennen. Der Soldat sah ziemlich verängstigt aus. Er verabschiedete sich schnell und verschwand.

»Ru. Komm.«, befahl ich. Der Ivok ignorierte mich.

»Das ist nicht sein Name. Du musst das R mehr rollen.«, erklärte Caleb, als würde er ihn schon eine Ewigkeit kennen.

»Rrru.«, erwiderte ich genervt, damit Caleb sah, dass es nicht an dem ungerollten R lag. Der Ivok blieb in der Tat stehen und schielte zu mir rüber. Caleb überraschte mich immer wieder. Rrru schien sich etwas zu beruhigen und legte sich in den Schatten eines großen Baumes.

Ich sah mich um und bemerkte, dass Freya mich zum ersten Mal ansah. In ihrem Blick spiegelte sich purer Hass. »Was ist?«, fragte ich sie.

»Was ist?« Sie sah mich fassungslos an und schnaubte. » Was ist? Du hast meinen besten Freund in den Körper von diesem Verräter gesteckt.« Sie zeigte angewidert auf Des Körper. Zach setzte unbewusst eine beleidigte Miene auf. Ich glaubte langsam gewöhnte er sich zu sehr an seinen neuen Körper. Der Ivok reagierte auf die Wut in Freyas stimme und brummte. Caleb ging zu Rrru rüber und setzte sich neben ihn. Dieser Junge war so leichtsinnig. Konnte er sich nur einmal nicht in Schwierigkeiten bringen?

»Geh von ihm weg Caleb.«, befahl ich ihm.

»Du brauchst dir keine Sorgen um mich zu machen. Er wird mir nichts tun.« Freya und Zach sahen zwischen mir und Caleb hin und her. Den Blick den sie uns zuwarfen, konnte ich nicht lesen. Dachten sie etwa ich würde mir wirklich Sorgen um Calebs Sicherheit machen? Wenn sie das glaubte, waren sie dümmer als ich dachte.

»Genau das gefällt mir ja daran nicht.«, nuschelte ich. »Er sollte eine Bestie sein. Nicht ein Kuscheltier. Also geh von ihm weg. Er muss stark werden.«

»Du denkst, wenn er alleine ist, dann ist er stark?«, fragte Caleb verwirrt, aber machte keine Anstalten sich von ihm weg zu bewegen. »Du bist doch auch stark und bist nicht alleine.«

»Doch. Das bin ich.«, widersprach ich.

»Nein. Schau dich doch um. Deine Freunde sind zurückgekehrt.« Er lachte, als könnte er nicht glauben, dass ich das tatsächlich übersah. Als wäre ich eine Idiotin, weil ich das nicht erkannte.

»Die sind nicht meine Freunde.« Ich verstand Charon immer mehr. Umgeben zu sein von Personen, die dich den ganzen Tag vollquatschten und dazu noch Sachen sagten, die überhaupt keinen Sinn ergaben war einfach unerträglich. Zum Glück war Attica hier. Sie war die einzige die nicht zu Gefühlsausbrüchen neigte. Gebe es ihre Stabilität nicht würde ich noch in den Abgrund fallen.

»Und ich bin auch hier.«, sagte Caleb. »Du bist nicht allein. Du bist meine beste Freundin.« Hätte ich ein Herz gehabt, hätte ich das traurig gefunden. Wer einen dunklen Neyfrem seinen besten Freund nannte konnte nie einen echten Freund gehabt haben. Ich hatte ihm nie das Gefühl vermittelt, dass wir Freunde waren. Er war mein Diener und nichts weiter. »Seit du im Lager bist, hatte ich die schönste Zeit meines Lebens.«

»Es reicht.«, befahl ich. Dieses ganze gequatschte ging mir langsam echt auf die Nerven. Ich wollte nichts mehr davon hören. Freya lachte. Es schien ihr zu gefallen, dass Caleb mich auf die Palme brachte. Oder sie lachte über etwas anderes. War mir auch egal. Wir mussten uns auf den Weg machen, sonst würden wir noch eine Woche nach dem Standort meines Cousins suchen. »Wir sind nicht hier um unsere Gefühle zu bereden. Wir sind hier um meinen Cousin zu suchen. Also los. Wer zurückfällt wird zurückgelassen.« Endlich gehorchten mir alle. Selbst Ru stand auf und humpelte neben mir her. Mir war aufgefallen, dass er vor allem humpelte, wenn er langsam lief. Wenn er rannte konnte man das kaum erkennen.

Ich führte die Gruppe an. Als letztes lief Attica, um sicherzustellen, dass Freya nicht flüchtete. Es kam mir vor als liefen wir schon seit Stunden durch den Wald. Nun ja. Es war wohl er ein umherirren. Denn obwohl ich die anderen anführe hatte ich keine Ahnung wohin ich sie überhaupt hinführte. Mehyl wusste nicht wo ich unseren Cousin finden konnte und schickte mich einfach in einen riesigen Wald um ihn zu suchen. Was stellte er sich eigentlich vor? Das er plötzlich aus einem Gebüsch sprang und schrie „Hier bin ich?". Diese Mission war aussichtlos. Ständig suchte ich die Gegend auch im Geiste mit meiner Fähigkeit ab, doch kein Neyfrem befand sich in unserer Nähe. Hinzukam, dass es unerträglich warm war, was sehr an meinen Kräften zog. Ich kämpfte mich weiter nach vorn.

»Wie lang noch?«, fragte Caleb nun zum mindestens zehnten Mal. Er sah ziemlich erschöpft aus. Aber er lief trotzdem weiter und bat kein einziges Mal darum eine Pause einzulegen. Ich sah mich zu den andern um. In allen Gesichtern war die Erschöpfung deutlich zu sehen. Selbst in Atticas. Auch ich war müde und ausgelaugt. »Also gut. Wir machen eine halbe Stunde Pause und dann gehen wir weiter.«

Alle sahen mich erleichtert an. Fast schon dankbar. Wir suchten uns einen großen Baum und setzten uns in seinen Schatten. Ich trank ein riesigen Schluck Wasser und aß etwas von dem Brot, welches Attica mir hinhielt. Danach lehnte ich mich an den Baum und schloss meine Augen. Wollte nur meine Augen vor der unerträglichen, hellen Sonne schützen. Doch der Schlaf riss an mir und zog mich in seine Umarmung.

Dark Neyfrem #2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt