»Warum liegt dir überhaupt was daran ihnen zu helfen?«, fragte ich ihn interessiert.

»Das tat es mal. Früher da war ich Licht. Ich wollte den Neyfrem helfen. Doch egal ob Menschen, Zoyats, Neyfrem oder dunkle Neyfrem, diese Rassen ist zerstörerisch. Ich war dumm und jung. Genau wie eure Welten.«, gab er zu. »Nach meinem Fehlversuch mit Hades gab ich auf. Es wurde mir immer gleichgültiger was mit euch passierte. Ich wurde älter und aus mir wurde die Dunkelheit die du jetzt siehst. Doch ein Funken Licht steckt in jedem. Auch wenn die Dunkelheit es zu überschatten versucht.«

»Sie sind es nicht wert gerettet zu werden. Keiner von ihnen.«, erwiderte ich gleichgültig. Er hatte die richtige Entscheidung getroffen sie im Stich zu lassen.

»Das ist schon das zweite Mal, dass du „ihnen" sagst. Aber du gehörst dazu. Du bist auch eine von ihnen.«, stellte er amüsiert fest.

»Richtig.«, stellte ich bitter fest. Darin genau lag das Problem. Ich wollte nicht sein wie alle anderen.

»Aber du bist anders.« Er musterte wieder meinen Geist. »Letztes Mal dachte ich, dass es an deiner Reinheit lag. Du warst so gut und unschuldig. Aber das hat sich geändert und trotzdem bist du besonders. Warum?«

Seine Worte schockierten mich. Hier kamen täglich bestimmt tausende von Menschen durch und ich war es die besonders war?

»Du bist mir sehr ähnlich. Ich sehe mich in dir wieder. Anfangs war ich so wie du, bevor du zu einem dunklen Neyfrem wurdest. Ich wollte die Welt retten. Wollte bedeutend sein. Etwas mit meinem Leben bewirken. Nicht grundlos am Leben sein.« Er sprach so offen, dass ich mich plötzlich fragte, ob ich es hier wieder lebend rausschaffen würde. In Filmen erzählte man nur Leuten die schon dem Tod geweiht waren, seine persönlichsten Gedanken. »Doch durch Ereignisse veränderten wir uns. Wir wurden gnadenlos und uns wurde das Elend -was wir zuvor so beharrlich versucht hatten auszulöschen- gleichgültig. Der einzige Unterschied zwischen uns ist, dass ich echte Macht besitze und du nur den Krümel den jemand weggeschmissen hat.«

»So wenig Macht kann ich gar nicht haben, wenn ich dich besiegt habe. Richtig?« Es war wahrscheinlich nicht sehr weise ihn auch noch zu provozieren. Schließlich hatte er ja recht. Er konnte mich zerquetschen wie einen Käfer, wenn er nur wollte. Für mich grenzte es an einem Wunder, dass er es nicht schon getan hatte, nachdem ich ihm das letzte Mal vernichtend besiegt hatte.

Zum dritten Mal bebte es. »Ich glaube ich habe in meinem gesamten Dasein noch nie so viel gelacht wie heute. Du bist ein sehr amüsantes Wesen. Deshalb hasse ich dich auch nicht.«

»Wie wäre es? Wollen wir uns die Haare flechten und uns gegenseitig Freundschaftsarmbänder machen?«, fragte ich. Langsam schien er mir seltsam. Warum war er so an mir interessiert.

Diesmal spürte ich nur ein grinsen, soweit man ein grinsen spüren konnte. »Ich habe keine Haare. Aber danke für dein Angebot.«

Nun lag es an mir zu lachen. Dieses Gespräch war so absurd. Wie konnte es nur so anders verlaufen, als beim ersten Mal? Es kam mir fast so vor, als hätte diese alte Kreatur tatsächlich Humor. Wer sollte mir das bitte glauben!

»Aber wir könnten trotzdem Freunde sein.«, flüsterte Charon und ein Schauder lief über meinem Geist. Es hatte schon fast wie eine Drohung geklungen. Also sagte ich schnell: »Natürlich.«

Seine Laune hob sich. »Würdest du gerne sehen wo ich wohne.« Sah ich das nicht schon? Wo war ich gerade, wenn nicht in seinem Zuhause. Er schien meine Verwirrung zu spüren. »Das hier ist nur der Eingang. Wir könnten zu Nalhyka gehen, wenn du willst?«

Die Neugier packte mich. Es war mir egal, was er mir zeigte. Ob wir zu Nalhyka gingen oder zu dem ersten König von England. Ich wollte nur sehen, was sich hinter dem Vorhang verbarg. Wollte etwas sehen, was noch keine lebende Person gesehen hatte. Das gab mir bestimmt einen Vorteil im Leben. Wissen über das Leben nach dem Tod zu erhalten, würde mir bestimmt etwas bringen.
Aber konnte ich ihm auch wirklich trauen? Vielleicht war das ja auch nur eine Falle, damit ich ihm nicht wieder entwischte und wirklich auf der anderen Seite landete, wo es kein Zurück gab. Ich wollte gerade schon dankend ablehnen, als er mich schnell berührte und wir verschwanden. Die Dunkelheit blieb, dennoch fühlte ich wie wir uns fortbewegten. »Ich wusste, dass du „Nein" sagen würdest, obwohl du wolltest. Aber das ist keine Falle. Wenn du einen Weg rausfindest, wie beim letzten Mal werde ich dich nicht daran hindern. Aber solange kann ich dich ja rumführen. Ich hatte noch nie echten Besuch.« Er freute sich tatsächlich über meine Anwesenheit. Ich würde gerne sehen, wie er aussah. Hatte keine Vorstellung, ob er einen Körper besaß oder nur aus seinem Geist bestand.

Es war mir unheimlich, dass er so fröhlich war. Ich wusste nicht genau, was er von mir wollte. Wieso er heuchelte mit mir befreundet sein zu wollen, war mir ein Rätsel.

Die Dunkelheit wich immer mehr. Erst jetzt begann ich mich mit meinem Geist umzusehen. Hätte ich Lungen gehabt, wäre jetzt der Augenblick an dem ich den Atem angehalten hätte.

Dark Neyfrem #2Où les histoires vivent. Découvrez maintenant