»Das war zwar ziemlich knapp, aber es hatte seine Wirkung.«, sagte Attica leise neben mir. »Ich misch mich etwas unters gemeine Volk.«

»Bist du zum Feiern hergekommen oder was?« Sie zuckte nur mit den Schultern und lächelte berechnend, während sie ging.

Keine Sekunde später stand auch schon Luc vor mir. Als hätte er nur gewartet, dass Attica verschwindet. Er lächelte, um mich zu reizen. »Warum ziehst du hier diese Show ab? Du verhältst dich, als hättest du dich nicht verändert?« Für das letzte Wort kam er mir so nahe, dass er mir es ins Ohr flüstern konnte.

Alle Blicke der um uns stehenden lagen auf uns. Sie sahen ihn an, als wüssten sie jetzt, dass er einer der Anführer war. Nicht wie sie immer gedacht hatten, einer von ihnen. Als wollten sie sehen, wie wir uns verstanden. Ob unsere Völker sich miteinander verstehen würden und ob wir in der Lage sein würden ein Bündnis zu schließen. »Wissen sie das du der Anführer der Apyés bist?«

»Ja, mein Volk weiß es jetzt auch.«, sagt er diesmal zum ersten Mal ernst. »Bin nur gekommen, weil ich eine Einladung zu dem Fest bekommen habe. Ich lebe nicht mehr hier.«

»Die sehen dich an, als würden die dich zum ersten Mal sehen.«

»Du bist scharfsinnig geworden, seit du gegangen bist. Hast du dort gelernt Leute zu lesen?« Er vermied es die ganze Zeit schon mich ein dunklen Neyfrem zu nennen. Er umschrieb es, indem er sagte ich sei gegangen oder habe mich verändert. »Außerdem umgehst du meine Frage. Wieso lügst du dein Volk an? Sie können doch eh nichts gegen deine Veränderung tun.« Da war es wieder. Dieses Wort. Als würde er noch daran festhalten, dass ich noch zu retten sei. Als hätte sich mein Charakter nur etwas verändert. Als sei „mein Zustand" nur temporär. Was für ein Schwachkopf. Wenn er das wirklich glaubte, hatte ich ihn vielleicht falsch eingeschätzt.

Ich spürte noch die Blicke auf uns, also lächelte ich ihn so zuckersüß an, dass mir fast die Galle hochkam. »Wenn sie erfahren, dass ich dunkel bin, werden sie sich gegen mich auflehnen und ich werde viele von ihnen umbringen müssen. Willst du das?«, antwortete ich ihm schließlich.

Seine Mimik veränderte sich Augenblicklich. Auch er wollte nicht, dass unser Publikum in unsere Auseinandersetzung etwas Negatives deutete. Luc war schließlich sein ganzes Leben wie einer von ihnen gewesen. Ich wusste, dass ihm etwas an diesen Leuten lag. Er schaute fast schon freundlich. Nur seine Augen verrieten ihn. Zum Glück war ich jedoch die einzige die ihm so nah war, dass ich den Hass in ihnen lesen konnte. »Du hast die Hoffnung also aufgegeben?«, fragte ich ihn erfreut.

»Nein.«, sagte er immer noch genauso entschlossen wie beim letzten Mal. »Ich weiß, dass du noch etwas fühlst.«

Ich lachte abfällig. Für einen kurzen Augenblick hatte ich vergessen, dass wir beobachtet wurden also tat ich so als hätte er einen schlechten Witz gemacht, um den Abscheu in meinem Blick zu vertuschen.

»Warum, hättest du mich sonst geküsst?«, fragte er mich leise und war mir wieder so nah. Ich trat einen Schritt zurück. Weg von seinen prüfenden Augen und diesen bohrenden Blick.

»Was? Ich habe dich geküsst? Hast du halluziniert?«, fragte ich ihn fassungslos. »Du hast mich überfallen. Würden wir keine Zuschauer haben, wärst du jetzt tot.« Meine Drohung ließ ihn kalt.

»Ach, ja? Bist du dir da sicher.«, provozierte er mich weiter. »Vielleicht stürzt du dich dann wieder auf mich, wie ein Groupie.« Ich wusste, dass er das mit Absicht tat, damit ich eine Reaktion zeigte und irgendwie gelang es ihm auch. Die Wut stieg immer weiter in mir auf und fast hätte ich mich auf ihn gestürzt und ihm diese blauen Augen aus dem Kopf zu reißen. Doch Attica unterbrach meine Gedanken, bevor ich sie zur Tat wandeln konnte, mit einem räuspern.

Dark Neyfrem #2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt