»Nein.«, antwortete ich knapp. »Aber weißt du was. Du hast Recht. Das habe ich zu lang schweifen lassen. Das sollten wir als erstes erledigen.«

»Nein. Nicht heute. Die Sonne ist schon vor einer Stunde untergegangen als du in deiner Prüfung warst. Wir haben heute Nacht noch viel vor.«, widersprach sie.

»Also gut. Was haben wir vor?«

»Gib mir deine Hand.«, forderte sie. Ich gab sie ihr und im nächsten Moment waren wir verschwunden. Als sich meine Sicht wieder schärfte, war ich in meinem alten Zuhause. Attica zündete die Kerzen an und ich konnte wieder mein allzu vertrautes Zimmer sehen in dem ich die glücklichen Monate meines Lebens verbracht hatte. Was hauptsächlich an meinen Freunden Nalhyka, Des und Luc lag. Das wusste ich noch, aber diese Erkenntnis ließ mich kalt.

»Was tun wir hier?«, fragte ich sie.

»Du musst deinem Volk zeigen, dass du noch lebst.«, erwiderte sie. »Wir wissen nicht wann wir von dem Auftrag zurückkehren und das hier kann nicht mehr warten.«

Also gut. Sie hatte Recht. Ich musste meinem Volk zeigen, dass ich nicht tot war und noch ihre Anführerin war, bevor sie jemand anderes auswählten.

»Heute ist eine Todesfeier an den alten Grabstädten und dort werden alle versammelt sein.«

»Und warum hast du uns dann in mein Zimmer gebracht?«, fragte ich.

»Ich dachte du würdest dir vielleicht etwas anziehen wollen, was einer Anführerin angemessen ist.«, sagte sie und musterte mich. »Vielleicht etwas Farbenfrohes. Es könnte ihnen das Gefühl geben, dass du noch die selbe bist.«

»Muss das sein?« Ich seufzte, aber ich wusste, dass ich heute eine Show abliefen müsste. Egal wie wiederwillig ich das tat. Ich musste sie überzeugen mir zu gehorchen und sich mir unterzuordnen, sonst würde ich sehr viel Arbeit damit haben sie unter Kontrolle zu bekommen. Attica kramte in meinem Schrank rum, bis sie etwas fand und sich zu mir umdrehte.

»Das hier ist perfekt.« Sie hielt ein langes, weißes Kleid hoch mit einem blauen Muster. Das Muster bewegte sich mit jeder Bewegung, wie Wellen die an ein Ufer geschwemmt werden.

»Nein nicht das.«, sagte ich bevor es mir bewusstwurde. Es war das Kleid das Nalhyka selber gemacht und mir zu meinem ersten Fest hier ausgeliehen hatte. Danach hatte ich vergessen es ihr zurückzugehen und jetzt würde sie es bestimmt nicht mehr gebrauchen können.

»Los zieh es an.«, bestand Attica und warf es mir zu.

Ich zog es an und wusste nicht warum ich mich anfangs dagegen gewehrt hatte. Wie für mich gemacht, schmiegte sich das Kleid um meine Haut und betonte meine Figur. Es war nur ein unbedeutendes Kleid. Attica steckte mir gekonnt die Hälfte der Haare hoch, sodass sie wie eine Krone um meine langen Haare lagen. Ich fragte mich woher sie das konnte. Sie sah für mich nicht wie jemand aus, der sich gerne frisierte oder generell aufwand in ihr Erscheinungsbild legte. Für mich war sie eher diese wilde Schönheit, die wenn sie wollte auch durch ihr Aussehen leicht hätte jemanden in den Tod führen könnte.

»Wo hast du das gelernt?«, fragte ich sie.

»Auch ich musste mein Volk überzeugen. Meine Brüder hassen mein neues ich. Sie haben zwar niemanden verraten, dass ich dunkelgeworden bin, aber sie haben es mir sehr schwergemacht und tuen es noch. Ein Fehler und sie werden mich beseitigen. Und glaub mir sie sind in der Lage mich zu töten. Sie werden nicht mit den Wimpern zucken um es zu tun.«, erklärte sie gleichgültig, als würde sie über das Wetter reden. »Ich weiß das sie mich noch lieben, obwohl sie mich hassen sollten, dafür das ich unseren Vater getötet habe. Aber sie würden mich töten, wenn es die Sicherheit unseres Volkes gewährleisten würde.« Ich tat so, als hätte ich das nicht gewusst. Des hatte mir also die Wahrheit erzählt.

»Woher haben sie die Tränen eines dunklen Neyfrems, um dich zu töten?«, fragte ich neugierig.

»Los jetzt lass uns gehen.« Irgendwie würde ich diese Information schon von ihr herausbekommen. Ich musste sie nur wieder dazu bringen mir zu vertrauen. Also beharrte ich nicht mehr und folgte ihr raus. Sie führte uns zu den alten Grabstätten, als wäre sie schon mal hier gewesen. Wieso kannte sie sich hier so gut aus. Und woher wusste sie wie mein Zimmer hier aussah? Wenn sie uns reinteleportieren konnte, dann musste sie es schon mal gesehen haben.

»Wie lang hast du mir hinterher spioniert?« Ihr Blick schoss ertappt nach oben.

»Es war für kurze Zeit mein Auftrag. Ich sollte dir wie ein Schatten folgen. Deshalb wusste Mehly auch, dass du Luc nicht getötet hattest.«, gestand sie. Das ergab Sinn.

»Warum hat Mehyl nicht Des darauf angesetzt?«

»Er wusste nicht wie Des auf deine Rückkehr reagieren würde und wem seine Loyalität galt. Also war er vorsichtig.«

»Wenn Mehyl Des nicht vertraut, warum behält er ihn als seine rechte Hand?«, fragte ich irritiert.

Sie lachte, als sei es offensichtlich. »So hatte er schon immer etwas gegen dich in der Hand.«

»Des ist mir egal. Sonst hätte ich ihn nicht getötet. Außerdem war er mir vielleicht in meinem ersten Leben wichtig, aber jetzt nicht mehr.« Sie musterte mich eindringlich, als würde sie nach einem Anzeichen suchen das mich verriet.

»Du hast ihn nicht getötet.«, widersprach sie schließlich. »Du hältst ihn in deinem Dolch gefangen. Das sind zwei unterschiedliche Sachen. Wenn er dir so egal ist, wie du sagts, warum behältst du ihn dann?«

»Für Informationen.«, sagte ich und wusste, dass es die Wahrheit war. »Außerdem empfinde ich für niemanden etwas. Wie oft soll ich dir noch sagen, dass ich jetzt ein dunkler Neyfrem bin und nichts fühle. Manchmal frage ich mich, ob du einer bist.« Sie sah mich an und blickte dann weg um etwas in ihrem Blick zu verstecken, was ich kurz hatte sehen können. Als sie mich wieder ansah war es jedoch verschwunden und diese eisige Kälte die Attica ausmachte schien wieder durch.

»Komm wir sind fast da.«

»Was ist, wenn sie schon wissen, dass ich dunkel bin?«, fragte ich sie.

»Das tun sie nicht. Ich habe das überprüft und das hätte sich rumgesprochen. Solche Geheimnisse können nicht lange im Verborgenen bleiben.«

Ich glaubte ihren Worten. Sie klangen aufrichtig, also folgte ich ihr weiter.

Dark Neyfrem #2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt