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Das Galoppieren der Pferde und die Räder der zwei Kutschen waren in der Stadt zu hören. Die Bewohner gingen erstaunt zur Seite und bildeten so eine Reihe, wodurch die Kutschen und ihre Begleitung passieren konnte. Einige begrüßteten die heimgekehrte Kaiserfamilie mit einem Gejubel, andere wiederum wandten sich ab oder schauten neutral zu. Ein junger Mann mit Strohhut, das sein halbes Gesicht verbarg, schaute von einer kleinen Gaststätte aus zu. Er hob seinen Strohhut leicht an, um das Geschehen besser begutachten zu können. Soldaten ritten nun im Schritttempo vor und hinter die Kutschen, um so die Familie zu schützen und ja auch keinen der Bewohner zu zertrampeln. Jene, die die Pferde der Kutschen steuerten waren Shunsuke und Imawaka. Shunsuke hielt die Zügel der Kutsche, in der sein ältester Bruder und Kaiser mit seiner Familie sich befand und Imawaka die, in der Tomonobu sich mit ihrem Gatten und ihrer Familie befand. Der Junge Mann im Strohhut musterte überrascht Imawaka, dessen Auftreten ihn bekannt vorkam. Als hätte Imawaka seine Augen auf sich gespürt, drehte er sich um und sah in seine Richtung. Doch ehe die Augen der Beiden sich treffen konnten, verschwand der junge Mann mit dem Strohhut.

Einige Minuten später erreichte die Kaiserfamilie den Kaiserhof. Michihide hatte bereits von der Ankunft ihrer Geschwister erfahren, weshalb sie sich zurecht machte und von ihrem Balkon aus zu sah. Heute war der letzte Tag, an dem sie in ihrem Zimmer bleiben müsste. Nach einer Weile konnte sie auch schon die Pferde und die fahrenden Kutschen von der Ferne hören, was sie noch viel aufgeregter fühlen ließ. Es war für sie das erste Mal so lange ohne ihren Geschwistern und Neffen zu sein, und somit fühlte sich dieses Wiedersehen einfach besonders an.

Schon gleich fand sie am Hof ihre Neffen vor, die in Richtung Palast um die Wette rannten. Klein und Groß eilten zu den großen Türen, doch die kleine Yuki stoppte kurz davor und schaute auf. Sie sah zum Balkon des Zimmers ihrer Tante auf. Michihides und Yukis Augen trafen sich und sofort strahlten sich Beide an.
,,Michihide-nee!!", rief die Jüngste ihrer Tante zu und winkte ihr wild zur Begrüßung. Michihide könnte nicht anders, als zu lachen und ihr ebenso wie ein aufgeregtes Kind zuzuwinken. Allmählich stoppte Yuki ihr Winken und rannte schnurstracks ihren älteren Geschwistern und Cousins hinterher in den Palast.

Keine Minute verging, in denen Michihide zurück ihn ihr Zimmer traf und vom Flur aus Gestampfe hören konnte. Als hätte sie es vorhergesehen, lief sie zur Tür, die sich rasant aufschob.
,,Michihide-san!", hörte man Haru und Kayu gleichzeitig, als sie mit strahlenden Gesichtern ihre Tante wieder sahen.
,,Kayu! Haru! Bin ich froh euch wieder zu sehen - Huh?"
Gerade als Michihide ihre zwei großen Neffen, die mit ihr dieses große Abenteuer erlebt haben, empfangen wollte, wurde sie mit zwei große Umarmungen beinahe zu Boden geworfen.
,,Mensch, Tomohito! Yuki! Ihr benimmt euch so, als wären diese zwei Wochen Jahre gewesen. Lasst unsere Tante auch Mal aufatmen.", kam es von Sakura, die als letzte den Raum erreichte.
,,Aber wir haben unsere Tante so sehr vermisst!", erwiderte Tomohito darauf und umklammerte Michihide wie ein kleines Äffchen.
,,Genau! Zwei Wochen sind einfach viel zu lang!", stimmte ihm Yuki zu.
Als Michihide dies von ihren Neffen hörte, bildete sich ein breites Lächeln wie das eines Kindes auf ihrem Gesicht. Sie tastete nach den Köpfen ihrer Neffen, die sie umarmten und streichelte diese.
,,Ich habe euch auch vermisst.", sprach sie in einem sanften Ton.
Es folgte daraufhin ein angenehmes Schweigen, in der sie ihren Aufenthalt einfach nur genossen.

Sie saßen alle auf den Boden und bildeten einen Kreis, als die Neffen ihren Aufenthalt bei ihrer ältesten Tante aufgeregt erzählten. Es war ein wildes durcheinander an Gesprächen. Ehe der Eine zu ende erzählen konnte, begann auch schon der Andere zu erzählen. Michihide hatte kaum die Möglichkeit auf alle Geschichten zu antworten oder gar zu reagieren, doch das was sie konnte, war in die Situation hineinzulachen. Es war ein wunderbares Gefühl, dieser einsamen Stille zu entfliehen und wieder die freudigen Stimmen dieser Kinder zu hören.
Da unterbrach ihre Wiedervereinigung die Stimme einer Dienerin, die die Ankunft des Kaisers ankündigte.
,,Sie sollen sich bereit machen und sich in den Thronsaal begeben, Hime-sama."
Michihide schluckte, doch um ihre Nervosität vor ihren Neffen zu verbergen, schickte sie diese fort. Sie musste noch an Energie sammeln, um nicht aufzufallen, wenn sie ihren älteren Geschwistern gegenüber steht. Ein Blick hinaus in den Schnee reichte, um ihr ein Lächeln aufs Gesicht zu zaubern. Na dann, dachte sie sich und erhob sich, sich selbst zunickend. Dann griff sie langsam nach den Rahmen der Schiebetüren und blickte hinaus in den Schnee. Sie atmete tief ein und aus, wodurch ihre nervösen Gesichtszüge allmählich verschwanden und es ihr gelang, ernster zu schauen. Mit neu gewonnener Kraft schloss sie die Schiebetüren und wandte sich den anderen Schiebetüren zu, die in den Gang des Palastes führten. Da schob ein Dienstmädchen diese auf, worauf sie hinaus trat. Chichi, ihre treue und lebenslängliche Dienerin, begleitete sie und mit ihr liefen zwei weitere Dienstmädchen. Sie hielt ihren Blick gesenkt und starrte auf ihre Füße beim Laufen und umklammerte ihre dünnen Finger unterm langen Ärmel. Ob ihre Geschwister noch sehr wütend sind, fragte sie sich. Mit der Bestrafung hatte sie sich bereits abgefunden, schließlich hatte sie einen Monat Zeit, darüber nachzudenken. Doch viel mehr würde es sie Quälen, die Enttäuschung ihrer Geschwister auf sich lasten zu haben. Vor allem, wenn es um ihren ältesten Bruder Katsuhito und ihrer zweit ältesten Schwester Tomonobu ging, die für sie von Geburt an immer da waren. Natürlich waren die anderen Geschwister ebenso für sie da, aber eben bei diesen Beiden war es eine andere Bindung, die sie zu ihnen hatte. Was sie aber auch als Schade empfand, war, dass sie keine genauso starke Bindung zu ihrer ältesten Schwester Mitsuha hatte. Sie war bereits Schwanger gewesen, als Michihide zur Welt kam und besuchte selten den Palast. Somit tat es ihr noch mehr weh, dass sie ihre älteste Schwester nicht besuchen konnte - doch was sollte sie denn schon machen? Es gehörte nun mal zu ihrer Bestrafung.

The way of a snowflake Where stories live. Discover now