Die Wahrheit

168 14 19
                                    

POV: Taddl

Wie verdattert stehe ich noch da, während ein in Raserei geratener Manu alles Mögliche in die Tasche schmeisst und abhaut. Ich versuche noch, ihn aufzuhalten, aber er wehrt mich immer wieder ab. Vergeblich versuche ich ihn zu erreichen. Bei Larissa nimmt ebenfalls niemand ab und ich stürme ins Wohnzimmer. Beide sehen mich verdutzt an.

„Was hast du wieder angerichtet?", fragt Liv verwirrt und starrt mich an.

„Keine Ahnung. Wisst ihr, wo er ist?", gebe ich kurz angebunden zurück.

„Woher soll ich das denn wissen? Er ging nach oben und stürmte danach direkt aus dem Haus. Was hast du also angestellt?", bohrt sie nach und funkelt mich an. Ardy versucht seinerseits, meinen Mann zu erreichen und schüttelt den Kopf. Kein Erfolg.

„Ich weiss es nicht!", rufe ich laut und das entspricht immerhin der halben Wahrheit. Was genau passiert ist, weiss ich doch nicht. Ich kann nicht einmal sagen, ob Manu einfach überreagiert hat oder ob ich wirklich etwas Falsches gemacht habe, was ihn dazu veranlasst hat, einfach wieder zu verschwinden. Ja, ich war abweisend, aber ist das der wirkliche Grund, dass er so eine Szene macht? Was geht nur in seinem verfluchten Kopf vor?

„Dann REDET! Verdammte Hacke, das kann ja nicht so schwer sein! Ich hab echt geglaubt, dass ihr das mittlerweile drauf habt."

„Dazu wäre es hilfreich, wenn ich wüsste, wo er steckt!", rufe ich verzweifelt zurück.

„Wahrscheinlich bei Larissa, wo auch sonst. Jedes Mal, wenn bei euch die Luft brennt, rennt er doch zu ihr!"

„Sie hebt das Telefon so fleissig ab wie er."

„Ach und du grosser Held fragst dich noch, warum das so ist?", gibt sie eisig zurück. „Ich habe mich ehrlich gefreut, euch wieder alle hier zu haben, aber ihr vermasselt es regelmässig wieder. Werdet endlich mal erwachsen und benehmt euch entsprechend! Herrgott nochmal."

Sie versucht ebenfalls, einen der beiden zu erreichen und versucht sogar, Alex zu erreichen. Da sie direkt auf der Mailbox landet, muss sie arbeiten. Dann liegt das Telefon ausgeschaltet in ihrem Schrank. Wütend murmelt Liv etwas Unverständliches vor sich her, packt uns beide an den Handgelenken und zieht uns hinter sich her, als wären wir kleine Kinder. Ardy wehrt sich, aber Liv lässt keinen Widerstand zu.

„Tu jetzt nicht so. Ich weiss genau, dass du es weisst. Ihr wisst es doch immer", faucht die junge Frau ihn an und beweist einmal mehr, wie stark sie ist. Sie zwingt Ardy hinters Lenkrad und wir fahren los. Widerstand ist zwecklos. Sie lotst ihn sicher durch den Strassenverkehr, sichtet einen freien Parkplatz und egal wer sich ihr in die Quere gestellt hätte, wäre wohl in der Luft zerfetzt worden. Wie begossene Pudel stehen wir hinter ihr, als sie bei Larissa klingelt. Die blonde Frau öffnet und sieht uns überrascht an. Ihr Blick streift mich und ihre Miene verdüstert sich. Manu muss hier sein. Wenn nicht, weiss sie sicher, wo er ist.

„Ist Manu da?", fragt Liv scharf und Ardy hält sie davon ab, direkt die Wohnung zu stürmen.

„Nein, er ist nicht da. Was macht ihr alle hier?" Sie klingt freundlich, aber der stille Vorwurf schwingt in ihrer Stimme mit. Das kriegen offenbar nur Frauen hin.

„Erzähl keinen Mumpitz. MANU! Du schwingst jetzt auf der Stelle deinen verdammten Arsch hierher und schickst nicht Larissa vor! Benimm dich nicht schon wieder wie eine Dramaqueen, sonst zieh ich dir ein rosa Glitzerkleid an und tacker dir ein Plastikdiadem auf deinen verdammten Sturschädel!" So sauer habe ich Olivia noch nie erlebt. Larissa selbst weicht vor ihr zurück und wir folgen den beiden Frauen in die ordentliche Wohnung.

„MANU!", brüllt Liv laut, dass die ganze Nachbarschaft das sicher mitbekommt, und er taucht tatsächlich auf. Verärgerung und Verwirrung lösen sich im Sekundentakt in seiner Miene ab. Die Haustüre öffnet sich schon wieder und eine überrascht aussehende Alex stösst zur Szene hinzu. Erschiesst mich bitte jemand?

„Was ist hier denn los? Wollt ihr ne Party feiern?", fragt sie lachend und sieht die ernsten Gesichter. Das Lachen vergeht ihr sofort und sie kratzt sich etwas verlegen am Hinterkopf. „Ähm, ja. Ich bin im Schlafzimmer, wenn ihr mich brauchen solltet. Hi Manu." Sie hebt kurz grüssend die Hand, hängt die Jacke auf, wirft die Schlüssel in die Kiste und küsst Larissa kurz zur Begrüssung, ehe sie in den besagten Raum eilt und sich zurückzieht.

„So, und jetzt haltet alle bitte einmal die Klappe, bitte!", ruft Larissa laut und hebt die Hände. „Ich hab keine Ahnung, was hier gerade für ein Affentheater losgeht und ich will nicht, dass mir einer die Wohnung zerlegt. Manu, Taddl, ihr geht jetzt ins Gästezimmer, redet und kommt erst wieder raus, wenn ihr das geklärt habt. Ardy, Liv, ihr könnt auf der Couch warten und reden, lesen oder spielen, ist mir scheissegal. Ich geh jetzt zu Alex und versuche, nicht auch noch durchzudrehen. Los, hoppi!" Sie scheucht uns alle umher und verteilt uns auf die Zimmer. Liv sieht mich immer noch mit ihrem feurigen Blick an, dass ich besser gehorche. Manu geht voran und ich folge ihm brav.

„Was ist los?", frage ich vorsichtig.

„Das weisst du ja am besten!", fährt er mich an und fährt zu mir herum. „Du, der lieber an seinem verdammten Telefon klebt, anstatt mich zu begrüssen! Der lieber Ardy einweiht, der so gut lügen kann wie ein kleines Kind, aber nicht den eigenen Ehemann. Der mich kaum mehr beachtet, weil ich ja einfach nur schön vor mich hin existieren darf und sonst langweilig geworden bin! Du, der mich abweist, wenn ich reden will und auf einmal stehst du hier, wenn ich dir den gewünschten Freiraum gewähre, den du offensichtlich brauchst!"

„Du redest Unsinn!"

„Wer ist es? Wem schreibst du lieber, als mit mir zu reden oder mehr Worte als nur ein Hallo zu wechseln?"

„Es ist nicht das, was du denkst." Jawoll. Sehr hilfreich. Ich könnte mich selber ohrfeigen. Wir stehen im verdammten Gästezimmer seiner besten Freundin, er bebend vor Wut, ich zitternd vor Aufregung der unangenehmen Art. Ich gebe mich alle Mühe, einigermassen ruhig zu bleiben.

„Ah ja, und was denke ich?", fragt er sarkastisch. Kann er einen Moment lang mal stillstehen? Sein Getigere macht mich immer nervöser.

„Dass...dass ich ne Affäre habe oder so", sage ich vorsichtig.

„Verdammt richtig, das denke ich! Und jetzt lüg mich nicht an! Habe ich Recht?" Ich lege meine Hände fest auf seine Schultern und sehe ihm tief in die Augen. Natürlich versucht er, meine Hände abzuschütteln und ich halte ihn fest. Diesmal nicht.

„Jetzt beruhige dich erst einmal, bitte. Versuch, ein wenig runterzukommen." Er atmet nur einmal tief durch, entspannt sich aber kein bisschen. „Manu, egal was du denkst, das ist es nicht. Ich betrüge dich nicht." Er sieht mich an, sucht etwas in meinem Blick, das auf eine Lüge hindeuten könnte. Er scheint nichts zu finden. Ganz langsam beruhigt er sich, entspannt sich und setzt sich aufs Bett, vergräbt sein Gesicht in den Händen und stöhnt auf. Langsam setze ich mich direkt neben ihn und ziehe ihn in die Arme.

„Fuck...", stöhnt er und ich seufze resigniert.

„Fuck umschreibt es ganz gut. Egal, wie es aussieht, ich bin nicht so blöd, das Beste in meinem Leben zu hintergehen."

„Was ist es dann, dass du es mir nicht sagst?", fragt er nun wesentlich ruhiger und sieht mich flehend an. „Wenn du mich nicht betrügst, was ich dir irgendwie glaube, was ist es dann?"

Wie sage ich es ihm am besten, ohne dass er wieder abdreht? Dass er es mir glaubt? Ich kann es selbst ja noch nicht richtig glauben. Liegt es daran, weil ich es so verheimlicht habe? Gut möglich. Aber nach wie vor kann ich einfach nicht abschätzen, wie er reagieren wird, welche Konsequenzen diese Wahrheit haben wird. Was wird aus uns, wenn er es erst weiss?

Vorsichtig wäge ich die Worte ab, ich muss es ihm ohne grosse Umschweife sagen. Augen zu und durch, noch einmal kurz tief Luft holen.

„Ich habe ein Kind."

---ENDE---

*****

Wortanzahl: 1284

Zwischen Masken und MusikWo Geschichten leben. Entdecke jetzt