Alte Freundschaft rostet nicht

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POV: Manuel

Es sind wieder Wochen vergangen, in denen wir uns ab und an magere Nachrichten hin und hergeschickt haben, meistens sinnloses Geplänkel über irgendwelchen Bullshit, aber er antwortete wenigstens und ich glaube, dass er das gleiche denkt. Taddl hat sogar an meinen Geburtstag gedacht und mir gratuliert, ein Ereignis, das sich jedes Jahr wiederholt. Nichts Besonderes. Er fehlt mir mit jedem dieser Tage wieder mehr und hätte ich nicht die Arbeit gehabt, wäre ich durchgedreht. Ich fange tausend Briefe an, versuche alles niederzuschreiben und scheitere an mir selbst. Das alles hatte sich jahrelang irgendwo tief in meinem Schädel versteckt, es ist nicht leicht, jetzt alles auf einmal rauszulassen.

> Hey! Wir nehmen die nächsten Tage paar neue Sachen auf! Wenn du Lust hast, komm ins Studio! T

Die Nachricht wartet nun seit ein paar Stunden auf eine Antwort. Er lädt mich zu sich ein, zu seinem Job. Scheiss drauf, melde ich mich bei der Arbeit eben einfach krank, so wie ich aussehe, denkt eh keiner dass ich lüge und dann fahr ich eben nach Köln. Ich muss ehrlich zu mir sein, er fehlt mir jetzt noch mehr denn je.

> Cool. Schreib die Adresse, dann komme ich. M.

Mein Herz schlägt wild. Jetzt gibt es kein Zurück mehr. Aber ich muss packen. Sicherheitshalber für ein paar Tage.

Mit dem Koffer beladen steige ich in den nächsten Zug nach Köln. Taddl hat mir versprochen, dass er mich von da abholen wollte, dass ich kein Taxi nehmen muss und das Herz steht für ein paar Momente wirklich still, als ich ihn ausmache. Sonnenbrille, langweiliges Cap, ein Hoodie in der richtigen Grösse. Ein paar gucken prüfend, aber er bleibt unbehelligt und grinst mich an, als er mich sieht und legt mir kumpelhaft den Arm um die Schultern.

„Hey! Schön dich hier zu haben. Komm, lass uns abhauen, ehe die uns nerven."

Ohne Widerworte – eigentlich komplett wortlos – lasse ich mich aus dem Bahnhof zu seinem Auto führen, an dessen Steuer Ardy sitzt und mich ebenfalls angrinst.

„Der grosse GLP! Scheisse Mann, schön dich zu sehen!", grüsst er mich und hält mir kumpelhaft die Hand hin, damit ich einschlagen kann. Seine Haare sind irgendwas zwischen Silber und Grün. Taddl wirft meinen Koffer in den Kofferraum und setzt sich neben mich auf die Rückbank.

„Direkt ins Studio, wir wollen gleich loslegen", ruft Taddl und Ardy fährt los.

„Ging alles gut?", fragt er nun mich interessiert.

„Äh, ja", erwidere ich überrumpelt. „Alles gut."

„Yo, dann wird's Zeit, dass du Nummer drei von DAT ADAM endlich mal kennen lernst", ruft Ardy euphorisch. Mein Herz hat keinen regelmässigen Puls mehr, es ist fast purer Stress. Guter und schlechter Stress. Taddl erzählt mir irgendwas über Köln, wenn wir daran vorbei fahren, aber was er sagt, bekomme ich nicht mit, ich lausche einfach nur seiner Stimme. Immer wieder blitzen seine blauen Augen zu mir, lächeln mich an und ich nicke einfach bloss mit. Die Fahrt endet plötzlich, dass ich überrascht aufsehe.

„Wir sind da!", ruft Taddl aufgeregt und reisst die Tür auf. Das Gepäck bleibt, wo es ist und ich folge den beiden in das kleine Studio der drei. Ich weiss nicht, was ich mir vorgestellt habe, aber es sieht irgendwie...ja langweilig aus. Keine Ahnung.

„Yo! Mary Man! Muss dir jemanden vorstellen!", ruft Taddl laut und ein drittes Gesicht gesellt sich dazu. Er wirkt total normal, verglichen mit den beiden Paradiesvögeln. Er grüsst mich wie einen alten Kumpel und grinst mich freundlich an.

„Das ist also der grosse Manu", meint er nur und legt mir einen Arm um die Schultern. „Mach dich hier breit, fühl dich willkommen und sag, was du brauchst, in Ordnung? Wenn wir Gäste haben, sollen sie sich doch wohlfühlen." Ich nicke nur und sehe mich um. Taddl und Ardy machen sich auf in Richtung Aufnahmekabine, diskutieren über das Mikro erst noch mit Mary Man und wollen dann mit Aufnehmen loslegen. Es dauert Stunden, bis sie den ersten Track soweit haben, dass sie es gut fanden und ja, es ist aufregend, interessant, aber irgendwann wird es langweilig. Still und stumm sitze ich auf einem der Stühle neben Mary Man, der zahlreiche Knöpfe drückt, sich mit den beiden unterhält und ich sehe die ganze Zeit nur Taddl an. Wenn er zurückblickte, sah ich rasch weg, so auch jetzt. Aber ich werde müde, mein Rücken tut langsam weh und immer das Gleiche zu hören ist nicht spannend. Wortlos ziehe ich mich zurück, entferne mich aus dem Blickfeld der dreien und setze mich auf die deutlich weichere Couch, spiele auf dem Handy herum und bin irgendwann wohl eingepennt.

Zwischen Masken und MusikWo Geschichten leben. Entdecke jetzt