Kapitel 15

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Blinzelnd öffnet Amy ein Auge. Ein Sonnenstrahl hat sich den Weg durch die Wolken gesucht und scheint genau auf Amys Gesicht. Murrend dreht sie sich auf die andere Seite und zieht sich die Decke bis über den Kopf, was mit einem leisen Brummen von nebenan quittiert wird. "Ups", denkt sich Amy kichernd und schiebt die soeben geklaute Decke wieder über Patrick.
Erstaunlich gut gelaunt schwingt sie die Beine aus dem Bett und streckt sich ausgiebig. Sie greift nach ihrem Handy vom Nachttisch.
3 verpasste Anrufe von Jonas werden angezeigt. Kurz muss sie überlegen warum er um 7 Uhr morgens schon anruft. "Natürlich!", ruft Amy leise aus und schlägt sich einmal kurz die flache Hand vor die Stirn.
"Was?", kommt es nun wieder vom Bett. "Alles gut. Schlaf ruhig weiter.", meint Amy und versucht die Nervosität in ihrer Stimme zu überdecken. Gesagt, getan. Patrick dreht sich auf den Bauch und schläft friedlich weiter.

Kaum dass sie zur Tür raus ist, wählt Amy die Nummer von Jonas.
"Amy! Guten Morgen.", meldet er sich sogleich nach ein paar Sekunden. "Jonas! Was ist los?"
"Ich wollte dir nur Bescheid geben, dass Liliane wach ist. Es geht ihr den Umständen entsprechend ziemlich gut. Aber sie soll sich viel ausruhen, deshalb dürfen sie heut noch nicht besuchen, meint der Arzt."
Amy fällt ein riesengroßer Stein vom Herzen. Aber nicht besuchen dürfen? Sowas hatte sie tatsächlich noch nie gehört. Hilft es nicht bei der Genesung, wenn man ein paar Menschen um sich die man liebt?
Aber wenn die Ärzte das sagen, wird es wohl gut so sein. Schnell muss sich Jonas wieder verabschieden. Im Gegensatz zu Amy muss er arbeiten. "Wenigstens einer der produktiv ist", denkt Amy grinsend und stellt die Kaffeemaschine an. Charlie, der schon die ganze Zeit laut mauzend um ihre Beine herum läuft, macht sich nun bemerkbar indem er seinen blauen Plastiknapf mit der Pfote in Richtung Amy schiebt.

"Good Morning" Patrick steht, sich streckend und gähnend, im Türrahmen. "Guten Morgen.", antwortet Amy nur grinsend. Irgendwie weiß sie nun nicht wie sie sich ihm gegenüber verhalten soll. War das alles so gewollt oder nur im Eifer des Gefechts? Oder um sie zu trösten? Zur Ablenkung? Amy weiß es nicht.
"Alles okay? Wer hat denn so früh schon angerufen?", fragt er, nun auf sie zu kommend.
Amy teilt ihm mit, dass es Jonas war und es Lili gut geht.
Freudig zieht Patrick sie in seine Arme. Durch den dünnen Stoff seines weißen Shirts spürt Amy seine angenehm warme Haut und die Wucht seines Herzschlags. Es pumpt als wäre er gerade einen Marathon gelaufen. Patrick drückt ihr noch einen Kuss auf den Scheitel bevor er sich von ihr löst.
Beide entfernen sich einen Schritt von einander. Unschlüssig schaut Amy ihn an. "Jetzt oder nie", denkt sie sich. Wenn der Kuss, und wer weiß was sonst noch passiert wäre, wenn Charlie nicht aufgetaucht wäre, nur wegen Amys Traurigkeit war, dann darf es nicht noch mal passieren. Sie sieht sich selbst nicht der Lage noch mal so etwas mitzumachen, wie damals vor einigen Jahren. Ein Hin und Her. Nur Annäherungen wenn sich gerade einer von beiden mal danach fühlte. Obwohl es alles ganz anders gelaufen wäre, wenn es nach ihr gegangen wäre. Es war immer einen Schritt vor und zwei Schritte wieder zurück.

"Also wegen gestern Abend...", setzt sie zögerlich an, wird aber sogleich von Patrick, der wieder auf sie zu kommt und nach ihren beiden Händen greift, unterbrochen. "I know what you wanna say. Ich weiß, dass ich nicht einfach bin und die Situation schwierig ist, but I wanna spend as much time with you as possible." So als scheint er auf eine Reaktion oder das Einverständnis zu warten, hält er in der Bewegung inne. Amy presst die Lippen aufeinander und nickt. "...but I would totally understand if you don't feel the same way.", fährt er fort.

Seufzend löst Amy ihre Hände von den Seinen und setzt sich auf den Stuhl. Sie weiß nicht was sie antworten soll. Einerseits fühlt es sich so wahnsinnig vertraut an, als müsste so sein und als wäre es nie anders gewesen. Andererseits hat sie Angst sich darauf einzulassen.

Patrick setzt sich auf den Stuhl ihr gegenüber und mustert sie eindringlich. Amy beginnt zu erzählen wie das alles damals war, wie sie sich fühlt und dass sie Angst hat.

"Amy, I would never hurt you. Not on purpose."
Wieder nickt Amy. Sie glaubt ihm das wirklich. Dennoch ist es schwer.
Sie steht auf und bereitet das Frühstück vor um noch ein bisschen Zeit zum Nachdenken zu schinden. Doch Patrick lässt nicht locker.
Gerade als sie zwei Tassen auf den Tisch stellt, tritt Patrick von hinten an sie heran und legt seine Hände an ihre Hüften. Wieder spürt sie dieses Kribbeln. Ihr ganzer Körper wird von einer Gänsehaut erfasst, als er einen Kuss auf ihren Nacken haucht.
"Just think about it.", flüstert er in Ihr Ohr.
Wenn sie seine Wärme und seine Nähe spürt, sind einfach alle Sorgen ein Stück weit vergessen. Einfach ausgeblendet, als würde es nur sie beide geben.

Amy greift nach seinen Händen und dreht sich zwischen ihnen zu Patrick um. Noch einige Sekunden schaut sie ihn einfach nur an, während er auf ihre Reaktion zu warten scheint.
Sie legt ihre Arme um seinen Nacken und lässt die Hände in seinen Haaren verschwinden.
"Ich weiß einfach nicht was du mit mir machst.", sagt sie leise.
"Me neither. We could find it out. Together.", erwidert er ebenso leise, noch immer wartend. Amy geht ein wenig auf die Zehenspitzen und drückt ihre Lippen auf seine.

Als wäre es ein leichtes, hebt Patrick sie wenig später hoch. Amy schlingt kichernd ihre Beine um seine Hüfte als er mit ihr zurück ins Schlafzimmer stolziert. Den ganzen Weg über trennt er sich nicht von ihren Lippen.
Dort angekommen lässt er Amy sanft auf's Bett fallen und beugt sich über Sie, küsst sie nochmal grinsend und tapst zurück um die Tür zu schließen. Nicht dass Charlie wieder ungebeten kommt um das Bett in Anspruch nehmen zu wollen.

Patrick beugt sich wieder über sie und stützt sich rechts und links neben ihrem Kopf auf den Ellbogen ab. Seine Küsse wandern an ihrem unteren Kieferknochen entlang, über den Hals bis zum Schlüsselbein, was Amy mit einem wohlgefälligen Seufzen quittiert. Mit einer Hand hält er ihre Hände über ihrem Kopf auf der Matratze fest, mit der anderen erkundet er ihren Körper unter dem dunkelblauen Shirt.
Alles was Amy vor ein paar Minuten noch im Kopf herumschwirrte, ist wie weg gepustet.
Zumindest bis es an der Tür klingelt.
Amy muss kichern. "No way!", sagt Patrick sofort mit den Augen rollend, setzt aber seine Zärtlichkeiten fort. Ein weiteres Klingeln ist die Folge.
Amy schiebt Patrick geschickt von sich herunter, sobald er ihre Hände losgelassen hat.
Er zieht einen Schmollmund, als sie vom Bett kriecht. "Bleib genau so liegen. Ich bin gleich wieder da." , verspricht Sie, wofür sie gleich ein Lächeln erntet.

Zaghaft öffnet Amy die Haustür. Es ist ihre Nachbarin von nebenan, die vor der Tür steht. Mit Natascha hat sie sich schon immer gut verstanden. Es ist quasi eine typisch-gute Nachbarschaft entstanden. Mit gegenseitigem Geben und Nehmen. "Guten Morgen, Amy.", begrüßt sie sie fröhlich. "Guten Morgen! Was liegt dir denn auf dem Herzen?" Natascha erklärt gerade, dass sie in zwei Tagen mit ihrem Mann in den Urlaub fliegen wird und bittet Amy mal nach dem Rechten in der Wohnung zu sehen. Nur zu gern bietet Amy ihre Hilfe an. Wenn sie etwas derartiges vor hatte oder irgendwelche Probleme hatte, konnte man sich immer auf Natascha verlassen. Gerade als sie Amy den Zweitschlüssel in die Hand gibt, huscht Patrick durch den Flur, vom Schlafzimmer in die Küche. Am Ohr hält er sein Handy und telefoniert angespannt. "War das nicht...", stottert Natascha. Amy nickt angespannt. "Hör mal Natascha, würdest du das bitte für dich behalten? Wegen der Scheidung und der Medien und...", Natascha hebt verteidigend die Hände, als wüsste sie nicht wovon Amy spricht. "Hab nichts gesehen. Viel Spaß euch noch.", meint die zwinkernd.

"Puh, nochmal Glück gehabt.", denkt sich Amy und schließt erleichtert die Tür. Seit sie sich von Markus getrennt hat, war nie wieder ein Mann in ihrer Wohnung und dann musste es gleich Patrick sein, Nataschas Teenagerschwarm. Natürlich wusste Amy das vorher. Oft hatte sie bei Natascha am Tisch gesessen und sich mit ihr über die Kelly Family ausgetauscht. Natascha war schon immer die einzige gewesen die ihre Leidenschaft für diese Band teilte und ohne diese Tatsache hätten die beiden Frauen sich wahrscheinlich nie so schnell so gut verstanden.

Grinsend betritt Amy die Küche, wo Patrick mit einem etwas traurigen Blick am Tisch sitzt.

Light up my Soul [Michael Patrick Kelly]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt