Kapitel 13

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"Moment, bitte!", ruft Amy.
In Windeseile zieht sie sich das erstbeste an was sie im Schrank findet. "Amy, dein Handy klingelt schon zum vierten Mal. Maybe it's important.", kommt es von der anderen Seite der Tür. Ruckartig reißt Amy die Tür auf und nimmt Patrick ihr Handy aus der Hand. Eigentlich ruft nie jemand an. "Jonas" steht groß auf dem Display. Von ihm hatte sie schon ewig nichts mehr gehört. Kaum dass die abgenommen hat, fängt Jonas schon an wild zu plappern.
"Amy! Ich versuche schon den ganzen Morgen dich zu erreichen. Es geht um Liliane...", fängt er an.

Nach 10 Minuten beendet Amy den Anruf und lässt sich seufzend auf das Bett fallen. Das Handy wirft sie voller Wucht auf die weiche Matratze. "Scheiße", ruft sie aus und stützt die Ellbogen auf den Knien ab. Das Gesicht vergräbt sie in den Händen. Augenblicklich kommt Patrick ins Zimmer. "What's wrong?", fragt er und setzt sich neben Amy.
Sie springt fast zeitgleich auf. "Ich muss ins Krankenhaus!", sagt sie panisch während einige Tränen über ihr Gesicht laufen. Aufgeregt wühlt sie in ihrer Handtasche nach dem Autoschlüssel und flucht laut weil sie ihn nicht findet. Immer wieder wischt sie sich mit dem Handrücken über die Augen, weil diese sich immer wieder mit Tränen füllen. Sanft legt ihr Patrick jeweils eine Hand auf die Schultern. "Why don't you talk to me? Would you tell me what happened, please?"
Schluchzend dreht Amy sich um.
"Lili hatte einen Unfall. Ich muss zu Ihr!" Bevor Amy noch weiter nach dem Schlüssel suchen kann, zieht Patrick sie in seine Arme und drückt sie fest an sich. Dankbar lässt Amy sich nach vorn fallen und vergräbt ihr Gesicht an seiner Halsbeuge. Für ein paar Minuten stehen sie einfach so da. Immer wieder streicht Patrick sanft über Amys Kopf, bis sie sich etwas beruhigt hat. "Ich fahre. Sag mir nur wo wir hin müssen", sagt er dann, greift in Amys Tasche und zieht gleich beim ersten Versuch den Schlüssel heraus.

Eine viertel Stunde später sprinten Amy und Patrick durch die Gänge des Krankenhauses. Endlich am richtigen Zimmer angekommen, zögert Amy jedoch. Da Jonas auch nichts genaueres sagen konnte, weiß sie gar nicht was sie jetzt da drinnen erwartet. Vielleicht ist es auch gar nicht schlimm. Vielleicht hat sie sich auch sämtliche Knochen gebrochen. Vielleicht ist es auch noch schlimmer. So viele Gedanken schwirren in Amys Kopf herum. Langsam ballt sie die Hand zur Faust und hebt sie zum klopfen an. In dem Moment tritt Patrick an sie heran und greift nach ihrer freien Hand. "I'm with you.", versichert er ihr leise und verschränkt seine Finger unterstützend mit den Ihren.
Ein kurzes dankbares Lächeln huscht über Amys Lippen, als sie ihn ansieht.

Als keine Antwort auf das Klopfen kommt, treten die Beiden unsicher in das Zimmer.
Liliane liegt regungslos in dem Krankenhausbett. Stetig hebt und senkt sich ihre Brust. Ein Arm sowie ein Bein liegen in Gips und der Tropf gibt kontinuierlich Flüssigkeit ab. Unter dem Kopf trägt sie eine unschöne Halskrause.

"Ach Lili... was machst du nur?", flüstert Amy als sie sich einen Stuhl ans Bett gezogen und sich darauf nieder gelassen hat.
Kurz darauf kommt ein Arzt ins Zimmer und klärt die Beiden, in gebrochenem Deutsch, über den Zustand auf. Amy kann gar nicht richtig zuhören. Sie versteht nur Wortfetzen wie "Gehirnerschütterung" und "Koma". Für den Rest der Zeit hört sie nur das Rauschen ihres Blutes. Die ganze Zeit über steht Patrick hinter ihr und streicht beruhigend über ihre Schulter.
Laut der Erzählungen muss wohl ein Auto seitlich in das von Liliane gefahren sein. Sie hätte Glück gehabt, meint der Arzt.
"Wir müssen nun noch ein paar Untersuchungen anstellen", schließt er seine Erläuterungen ab. Patrick und Amy verabschieden sich und verlassen eilig das Zimmer.

Der nächste Weg führt die Beiden direkt wieder nach Hause, auch wenn Amy gern noch länger geblieben wäre. Die Uhr im Auto zeigt mittlerweile 13 Uhr an. "Waren wir wirklich so lange weg?", denkt Amy laut nach.
Patrick schaut sie kurz verwirrt an und lässt seinen Blick anschließend zur Uhr schweifen.
Nickend lenkt er das Auto in die Straße in der Amys Wohnung liegt.

"Are you hungry?", fragt Patrick während er Amy die Jacke abnimmt und sie an die Garderobe im Flur hängt. Jetzt wo der Schock überstanden ist und das Adrenalin sich langsam nicht mehr bemerkbar macht, gibt Amys Magen tatsächlich ein leises Grummeln von sich. Patrick registriert das grinsend.

"Wie wär's mit Pizza?", fragt Amy laut aus der Küche heraus, weil Patrick sich ins Wohnzimmer zurück gezogen hat. "I love Pizza!", kommt prompt die Antwort.
Mit Flyern von verschiedenen Lieferdiensten bewaffnet, betritt Amy das Wohnzimmer und lässt sich neben Patrick auf die Couch fallen.
Schnell ist die Auswahl getroffen und der Anruf für die Bestellung getätigt.
Patrick schaut kurz auf sein Handy. Fieberhaft wischt er auf dem Bildschirm herum. "Damn it!", ruft er leise aus und fährt sich angespannt mit einer Hand durch die Haare. "Alles okay?", fragt Amy verwundert. "Ja klar. Ich muss nir mal kurz telefonieren.", meint er und geht aus dem Zimmer.

Amy winkelt die Beine an und atmet hörbar aus. Heute scheint echt ein blöder Tag zu sein, denkt sie. Noch immer kreisen ihre Gedanken um ihre beste Freundin. Nicht auszudenken was noch alles hätte passieren können. Es reicht ein kurzer Moment, ein kurzes abschweifen der Gedanken und sie könnte schon wieder weinen. Was ist, wenn Lili nicht mehr aufwacht?
Kurz wischt sie eine Träne von der Wange, die sich den Weg über ihr Gesicht gesucht hat.
"Don't cry. Alles wird gut", sagt Patrick, der plötzlich wieder neben ihr sitzt. Amy hatte gar nicht mitbekommen, dass er wieder herein gekommen ist.
Seine Worte verfehlen trotzdem komplett die Wirkung. Wie immer wenn jemand so etwas in der Art sagt. Patrick rutscht ein Stück zu ihr rüber und zieht sie zu sich heran. Amy lässt den Kopf auf seine Schulter sinken und schluchzt leise vor sich hin, was Patrick dazu bringt sie noch fester in den Arm zu nehmen.

Minutenlang sitzen sie so da. Amy mit dem Kopf an Patricks Hals, welcher stetig über ihren Rücken streicht und in seinen eigenen Gedanken versunken zu sein scheint.
"Gibt es Probleme?", fragt Amy nach einer Weile, als sie sich an Patricks Telefonat erinnert. "Das war nur der Anwalt. Nicht so wichtig." Amy beschließt nicht weiter nachzufragen. Wahrscheinlich geht es sie auch gar nichts an.
Langsam setzt sich Amy wieder gänzlich auf und wischt sich nochmals über ihr Gesicht. "Ich hasse es wenn du weinst", gibt Patrick zu. Er legt eine Hand auf ihre Wange und streicht mit dem Daumen über ihre Haut, sodass sie ihn ansehen muss. Ihr Blick schweift über sein Gesicht, welches ihr jetzt so nah ist. Wieder droht sie, sich in seinen dunklen blauen Augen zu verlieren. Als Patricks Hand nach hinten in ihren Nacken wandert, spürt Amy wieder ein ungewohntes Kribbeln auf ihrer Haut.

Light up my Soul [Michael Patrick Kelly]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt