Silvester

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Draußen herrschte die Kälte, hier drinnen in einer kleinen Hütte bekam man davon nur sehr wenig mit. Zu fünft saßen wir an besagter Stelle am Zaun und rauchten einen Joint, den Thomas organisiert hatte. Mit Sam, Thomas, Leah und mir saß auch noch ein weiterer Pfleger in dem Kreis. Wir rauchten und lauschte den Geschichten, die Thomas zum Besten gab. Ich saß zwischen Leah und Sam und teilte mir mit ihnen eine Decke. Es war relativ warm und der Geruch von Haschisch hing wie Wolken über den Köpfen der hier sitzenden.

„Wird Marcus uns nicht suchen?" wollte ich wissen und konnte mir nicht vorstellen, dass unsere Abwesenheit unbemerkt bleiben würde.
„Keine Sorge, der ist mit Marie beschäftigt!" beruhigte mich die Blondine und zog an dem Gemisch aus Drogen und Gift in Form von Tabak.
„Wie fragst du dich jetzt sicherlich oder?" fuhr Sam fort und atmete beim Reden aus. Ihre Stimme wirkte noch tiefer als sonst. Ich schloss kurz die Augen und nahm einen tiefen Atemzug von dem umherschwebenden Partikel, die unsere Sinne zu Ruhe brachten.
„Sie bekommt dafür nachher einen Joint für sich. Sie teilt nicht gerne, sie genießt den Shit lieber alleine in ihren vier Wänden, dafür treibt sie es nun mit Marcus." Grinste die taffe Frau rechts von mir und reichte mir den Joint. Ich nahm ihn entgegen und reichte ihn an Leah weiter. Drogen waren nicht unbedingt mein Fall. Stumm beobachtete ich die anderen, wie sie rauchten und miteinander lachten. Wie sie Scherze machten und eine eingeschworene Gemeinschaft darstellten nicht mal der mir fremde Mann mit dem Namen Dimitrij wirkte hier unwillkommen.
„Warst du nicht einer derjenigen, die mich gejagt haben." Fiel es mir plötzlich ein. Der Mann mit der polierten Glatze sah mich verwundert an und hob eine Augenbraue.
„Jap, ich war derjenige der dich zu Boden gerissen hat. Dimitrij sehr erfreut. Kannst mich aber ruhig Dimi nennen." Hob er schuldig die Hand und stellte sich vor. Der russische Akzent erinnerte mich an Ivan. Wahrscheinlich hätte auch eine Frau mit diesem Akzent reden können und mir würde Ivan einfallen.
„Danke dafür!" murmelte ich und zog den Kragen meiner Jacke näher an mein Kinn.
„Zur Wiedergutmachung bekommst du den ersten Shot." Er zog eine Flasche Vodka hervor und ich schluckte. Genau dieselbe Marke, die auch der raue Russe von Nicholas liebte. Ich schloss kurz die Augen und sammelte meinen Verstand um ihn kurz darauf Schlafen zu schicken.
„Ich bin dabei." Ich warf die Decke zur Seite und deckte somit auch Sam auf, die ihre Beine an den Körper zog.
„Man, das ist kalt." Brummte sie sofort und stieß mit mir ihrem Schuch in den Rücken.
„Heul nicht!" erwiderte ich und ließ mir ein kleines Glas mit Vodka geben, Dimitrij nahm sich ebenfalls eines.
„Auf dich Emily, die durchgeknallte Braut."
„Hört, hört." Jodelte die Blondine hinter mir. Ich trank das Sauzeug und verzog diesmal nicht das Gesicht. Dimitrij hob wieder eine Augenbraue und ein begeistertes Grinsen erwachte auf seinen feinen Lippen.
„Endlich mal eine Braut, die den Wert dieses Getränkes zu würdigen weiß."
„Wer kann der kann halt..." sagte ich und legte mein Kopf leicht schief. „Noch einen!" wies ich den Russen an.
„Sehr gerne, mit dieser Aktion beeindruckst du mich wirklich." Meinte er und versorgte mich mit einem weiteren Shot. Auch dieser landete in meinem Magen. Das alkoholische Zeug in Kombination mit dem Sekt und dem Essen erfüllten ihren Zweck. Ich setzte mich neben den Russen und sah zu Leah, die sich zufrieden zurücklehnte und den Qualm aus ihren Lugen entließ. Mein Platz hatte Thomas eingenommen und aufgrund der Bewegungen unter der Decke konnte ich erkennen, dass Sam und er Körperkontakte austauschten.
„Den Vodka habe ich von einem guten Freund." Meinte Dimitrij und hielt die Flasche in der Hand, dabei las er das Etikett.
„Von wem?" forschte ich nach.
„Ivan." Ich hatte es mir doch gedacht.
„Der ist ein ekliger Kerl." Murmelte ich und verschränkte die Arme vor der Brust.
„Ah was, Ivan ist ein loyaler Mensch, wenn er einen mag."
„Dann mag er mich keineswegs."
Dimi lachte auf und stellte den Alkohol weg.
„Das mag sein, er hat es nicht so mit sozialen Bindungen!" erklärte der Glatzkopf und nahm sich den Joint. Ich sah zu wie er daran zog und kurz seine giftgrünen Augen schloss.
„Probier es aus!" animierte er mich und streckte mir das Ding entgegen. Zögerlich nahm ich den Joint entgegen und begutachtet ihn.
„Du sollst keine Doktorarbeit darüberschreiben sondern ihn rauchen." Mischte sich Sam ein, die mein Stocken bemerkt hatte.
„Warum nicht." Sagte ich zu mir selber und zuckte mit den Schultern. Mir meiner Sache nun ziemlich sicher legte ich meine Lippen um den Filter und zog kräftig daran. Es dauerte keine fünf Sekunden und ich hustetet los. Das Gefühl, als würde sich meine Lunge zusammenziehen ließ nicht lange auf sich warten. Schmerzen schossen durch meinen Brustkorb. Der Drang nach Luft zu schnappen verstärkte den Hustenreiz noch ein wenig mehr. Ich spürte einen Schlag auf meinem Rücken, der mir beim abhusten helfen sollte. Ich hingegen krümmte mich dabei leicht und versuchte mich zu beruhigen. Gelächter umgab mich.
„Das habe ich lange nicht mehr erlebt." Lachte Thomas und klatschte amüsiert in die Hände. Ich sah ihn mit einem offenen Auge an und versuchte den Hustenreiz zu unterdrücken.
Sicherlich hatten alle dasselbe Bild von mir. Die kleine Emily, die keine Ahnung von der Welt hatte, nicht so cool war wie Sam oder so wunderschön und kultiviert wie Leah. Nicht mal mit so einem Selbstbewusstsein wie Marie gesegnet. Ich war die kleine, naive Brünette mit der Ahnungslosigkeit eines Kindes. Dieser Gedanke fraß sich, kaum ausgedacht, in mein Bewusstsein. Ich erhob mich und sah in die Runde, die das Lachen unterband.
Mit einer plötzlichen Wut, die im mir aufgekeimt war, ging ich zur Türe und riss diese auf. Doch die Wut verpuffte als ich in das Gesicht von Marcus blickte. Ich zog wie aus Reflex die Türe hinter mir zu und sah ihn lächelnd an. Warum war er hier? Wo war Marie?
„Was machst du hier?" fragte er sofort und keineswegs nett.
„Ich also... ich..." stotterte ich vor mir her ohne einen richtigen Satz zusammen zu bekommen. Ich spürte einen Zug und die Türklinke rutschte durch meine Finger. Erschreckt drehte ich mich zu Sam, die hinter mir erschien.
„Das ist meine Schuld, ich wollte sie etwas ablenken und habe sie hierhergebracht. Wir haben was getrunken und einen Joint geraucht!" nahm sie mich in Schutz und sah ihn demütig an.
„Es reicht Samantha!" knurrte der aufgebracht Mann vor mir und ich erkannte die Abscheu gegen meine Mitstreiterin, deren Körper sich versteifte. Auch ihr dürfte die aggressive Ausstrahlung von Marcus nicht entgangen sein, selbst im zugedröhnten Zustand nicht.
„Marcus was ist denn schon dabei?" fing sie sich und versuchte die Situation mit ihrer coolness zu entschärfen.
„Stimmt was ist schon dabei, wenn du dich meinen Regeln widersetzt?" sagte er und fing an zu lachen. Der Wahnsinn stieg in ihm auf, im Gegensatz zu Sam bemerkte ich es. Sam hingegen entspannte sich und trat hervor. Sie zeigte mir mit ihrer rechten Hand hinter dem Rücken einen Daumen hoch und dabei übersah sie das offensichtliche. Marcus war keineswegs ruhig, das bekam Sam auch zu spüren. Mit einem lauten Klatschten landete die flache Hand von Marcus auf Sams rechte Wange. Ihr Kopf drehte sich sofort zur Seite und ich vernahm das Knacken ihrer Halswirbel. Sie blieb in der Stellung und starrte nach unten. Der nächste Angriff ließ nicht lange auf sich warten. Er packte nach ihr, die Armbänder klimperten als er seine starken Finger um das zierliche Handgelenk legte und sie zu sich riss. Sam verlor das Gleichgewicht und landete auf dem Schnee. Wie in Trance folgte ich dem was vor meinen Augen geschah. Er holte mit dem Bein aus und trat ihr in den Bauch. Sam schrie auf und krümmte sich zusammen. Als Marcus wieder seine Muskeln anspannte um der Liegenden weiter Schmerzen zu bereiten ging ich dazwischen und stellte mich vor Sam. Marcus hielt inne die Hand in der Luft. Seine Pupillen flackerten als er meinen Blick auffing.
„Geh mir aus dem Weg Emily!" knurrte er und versuchte sich dabei zusammenzureißen nicht auch mir etwas anzutun.
„Emily geh..." hörte ich nun auch Sam, ich sah reflexartig über meine Schulter zu ihr herab. Frisches Blut lief an ihrem Mundwinkel heraus Richtung Erde. Unter meinen Blicken richtete sich die Blondine wieder auf und versuchte gerade stehen zu bleiben.
„Bitte Emily... lass uns alleine!" flehte sie beinahe und ich wusste, sie wollte mich vor Ärger schützen.
Mit einem Kopfschütteln signalisierte ich ihr meine Meinung zu ihren Worten. Sie hatte meinen Blick aufgefangen und ich erkannte nicht nur die Angst sondern etwas wie Erleichterung. Ich wollte mich wieder zu Marcus drehen als ich bereits seinen Griff an meiner Schulter spürte. Er versuchte mich zur Seite zu drücken ohne Erfolg. Reflexartig trat ich ihm gegen das Knie. Er fiel mit einem tiefen Schrei auf die Knie, ich hingegen ging zu Sam und hob sie hoch. Ohne einen wirklichen Plan zog ich die geschwächte mit mir Richtung Gebäude. Marcus ließ uns ziehen und gab sich keine Mühe uns zu folgen. Als uns die Wärme des Inneren empfing bekam ich wieder Luft. Thomas rief uns zu sich. Gemeinsam brachten wir Sam in sein Zimmer, hier dürfte Marcus sie nicht finden. Thomas legte sie auf sein Bett. Die Blondine keuchte und legte ein Grinsen auf, das ich nicht deuten konnte. „Du hättest gehen sollen...!"

„Den Fehler habe ich schon einmal gemacht..." meinte ich nur und versuchte sie mit einem Grinsen zu beruhigen.
„Du bist wirklich durchgeknallt." Kam es leise aus ihr heraus.
Der Tritt hatte gesessen und sie brauchte eine Weile um wieder richtig atmen zu können. Kurz darauf war sie eingeschlafen. So saß ich auf einer Zweisitzcouch am anderen Ende des Zimmers und hörte wie das neue Jahr mit Knallern begrüßt wurde. Mir war bewusst, meine Tat würde noch ein Nachspiel haben.

Sein Wort - Mein Gesetz (slow update / In der Überarbeitung)Where stories live. Discover now