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Cas war schon längst mit dem Essen fertig. Achtlos warf er die weiße Serviette, mit der er sich den Mund gesäubert hatte, auf seinen Teller. Die meisten anderen Patienten hatten ebenfalls nichts mehr auf ihren Tellern und die, die noch etwas hatten, begannen ihre Gedecke zurückzugeben. Es wirkte so, als ob sie vertuschen wollten,dass der jeweilige Teller ihnen gehörte, als sie diese schnell in den Speisewagen stellten. Die meisten, die aufgegessen hatten, begannen angeregte Gespräche mit ihren Sitznachbarn. Der Rest wartete gespannt darauf, dass sie die Erlaubnis bekamen, in ihre Zimmer zu gehen, zu denen auch der Blauäugige gehörte, wie er zugeben musste.

Er musste nachdenken.

Obwohl dieser Dean augenscheinlich ein sehr netter Kerl war, hatte Cas trotzdem noch ein schlechtes Gefühl. Im Augenblick schob er es auf seine Paranoia, die er sich durch die jahrelangen Qualen in der Schule angeeignet hatte. Allerdings hatte er mit der Zeit gelernt,seinen Verstand und seine Paranoia auseinander zu halten, was ihm auch in den meisten Fällen gut gelang, doch nun war einiges anderes.

Dieser Dean brachte ihn durcheinander.

Er verwirrte ihn, brachte in um seinen Verstand.

Irgendetwas machte dieser Mann mit den grünen Augen mit ihm.

Cas wusste nicht, was es war und genau diese Ungewissheit machte ihm Angst. Sie fühlte sich an, als habe er etwas dringendes vergessen und würde nun versuchen herauszufinden, was es war und er hasste dieses Gefühl wie die Pest.

Es erinnerte ihn an das Gefühl, welches er an jenen Abenden gehabt hatte, an denen er den Willen gehabt hatte, aufzuhören. Und das nicht mal im negativen Sinne.

Es gab manchmal diese Abende, an denen er aufhören wollte, sich selbst zu verletzen. Diese Momente passierten mit der Zeit immer seltener,doch sie passierten und das war alles was zählte.

Einmal hatte der 18-jährige nachts in seinem Bett gelegen und in der Dunkelheit die Zimmerdecke angestarrt. Es war ein ihm unbekannter Moment gewesen, ein Moment der Klarheit.

Er war für diesen einzigen Moment aufgetaucht.

Aufgetaucht aus diesem tiefen Meer, unter dessen Wasseroberfläche er so lange ausgeharrt hatte. Dennoch befand er sich immer noch auf offener See, ohne Ufer in Sicht.

Allerdings hatte sich dieses Bild mit der Zeit geändert, im positiven wie im negativen Sinne. 

Es waren keine langen Phasen gewesen, sondern eher nur kurze Augenblicke, Momente von einem so geringem Zeitraum, dass Cas sie meisten schon längst wieder vergessen hatte.

Mittlerweile geschah so ein Augenblick nur noch selten.

Cas wusste aber nicht, ob er sich das nur einbildete oder ob es wirklich so war.

Er konnte sich oft nicht an Gefühle erinnern, die ihn am Tag zuvor eingeholt hatten. So war es auch beispielsweise wenn er sich am Abend zuvor geschnitten hatte.

Meistens hatte er, nachdem er mehrere Schnitte gemacht hatte, die Klinge in seinem Nachttisch versteckt. Dieser verfügte über drei Schubladen,von denen die mittlere bis oben hin mit irgendwelchen Zeitschriften und anderem Krimskrams vollgestopft war. Unter diesem Papierberg lag ein Taschentuch, in das er den scharfen Gegenstand einwickelte. So war sie gut versteckt und wieder bereit für ihn, wenn er sie morgen wieder heraus holen würde. Daraufhin legte er sich schlafen. Naja,er schlief nicht wirklich. Die meiste Zeit lag er wach und grübelte oder wurde von schrecklichen Gewaltfantasien gequält. Manchmal waren sie sogar so unerträglich gewesen, dass er sie unbedingt sofort ausführen wollte, was er aber meistens nicht tat, da er entweder nicht die Mittel dazu hatte, oder es einfach in dem Moment nicht wollte.

You'll survive this bloody hellWhere stories live. Discover now