11

5.5K 334 4
                                    

„Lucian!" Er drehte sich zu mir um. Sein Gesicht war vollkommen ernst.
„Ja?"
„Bitte lass mich mitkommen. Ich..." Die Wahrheit war, dass ich ihn einfach nicht alleine gehen lassen wollte. Das Band in meiner Brust zog und schmerzte allein bei diesem Gedanken.
„Arya, du kannst nicht einfach dorthin mitgehen. Nach allem was wir wissen, wurde die Seelenverwandte von James entführt. Ich kann nicht zulassen, dass du dich auch noch in Gefahr begibst."
„Aber..."
„Hör mir bitte zu. Du musst mich verstehen. Ich werde mich während dieses Einsatzes vollkommen auf die Umgebung und die Gefahr konzentrieren müssen. Wenn du in meiner Nähe bist, besitzt du meine Aufmerksamkeit. Es würde nicht nur dich, sondern auch mich in Gefahr bringen. In Ordnung?"
Es war nicht in Ordnung. Ich durfte mich nicht in Gefahr bringen, aber er schon. Wenn er von mir erwartete, dass ich hilflos hier wartete, kannte er mich eindeutig nicht gut genug!
„Ich muss jetzt los. Bitte bleib hier. Ich verspreche dir, dass ich bald wieder da bin. In Ordnung?"
Es war dumm, das mir die Tränen in die Augen traten, doch es schmerzte so sehr zu wissen, dass er verletzt oder gar getötet werden konnte, während ich hier herum sitzen sollte.
„Hey. Alles wird gut." Er kam auf mich zu und nahm mich fest in den Arm. Mein zuvor schnell pochendes Herz glich sich dem Seinen an, bis es ruhig und stetig in meiner Brust schlug.
„Ich muss jetzt los. Schau mich bitte an Arya", seine Stimme war flehend und so sanft, dass ich einfach nicht anders konnte, als ihn anzusehen.
„Du bist dumm", flüsterte ich und er lachte.
„Nein, das bin ich nicht", erwiderte er, dann beugte er sich vor und auf einmal trafen unsere Lippen aufeinander. Sie waren warm, zärtlich und entfachten tausende kleiner Blitze, die freudig durch meinen gesamten Körper stoben. Kurz darauf lösten sie sich wieder, doch auf meinen Lippen blieb ein aufregendes Prickeln zurück. „Ich bin höchstens schlau und gerissen, aber keinesfalls dumm. Vertraue mir. Ich werde zur dir zurückkommen."
Mit diesen Worten strich er mir noch einmal über den Kopf und ging dann auf den Gang hinaus.
Wie versteinert blickte ich ihm nach, bis ich realisierte, was er eben gesagt hatte. „Dieser verdammte Idiot!", fing ich an zu fluchen und setzte ihm nach, doch er war bereits nirgends zu sehen.

„Ich werde dich finden! Verlass dich darauf!", schrie ich den Gang entlang, doch keine Antwort folgte.
Wütend rannte ich los. Das war mitunter wohl nicht die klügste Entscheidung, doch ich musste Lucian finden, bevor er von der Burg aufbrach. Ich versuchte dem Ziehen in mir zu folgen, doch das war nicht gerade einfach. Dieses Gefühl war keine Karte, sondern gab mir nur grob die etwaige Himmelsrichtung zu Lucian an. Da ich jedoch kein Schlossgespenst war, zumindest noch nicht, konnte ich nicht durch Wände gehen um dem Ziehen zu folgen.
Die Wut in mir über Lucians Verhalten und meine Unfähigkeit wuchs stetig. Je größer sie wurde, desto schneller wurde ich. Ich wurde so zornig, das ich wahllos durch die Gänge sprintete, nur um festzustellen, dass ich scheinbar kein bisschen näher an Lucian war.
Keuchend realisierte ich langsam meine Chance ihn noch rechtzeitig zu finden. Sie war minimal.
Jeder normale Mensch, mit einem halbwegs funktionierenden Orientierungssinn, könnte sich vielleicht, irgendwie in diesem Gebäude zurechtfinden. Ich konnte jedoch denselben Gang dreimal hinunterrennen und würde noch nicht einmal merken, dass ich dort schon einmal gewesen war. Aus diesem Grund hatte ich noch nicht einmal eine leise Ahnung, in welchen Bereich der Burg ich mich befand. Zudem hatte ich keinerlei elektronische Geräte bei mir und an den Wänden hing auch keine Gebäudekarte. Das letztere zeigte eindeutig, dass sich alle Werwölfe wegen Sicherheit keine Gedanken machten. Was sollte man den tun, wenn hier ein Feuer ausbrach?
Fluchend machte ich mich weiter auf den Weg, doch ich spürte wie der Schmerz in meiner Brust langsam einsetzte. Lucian entfernte sich von mir und das nicht gerade langsam. Sie mussten bereits unterwegs sein und ich war nicht dabei. Das peinlichste jedoch war, was mich aufgehalten hatte. Man hatte mich nicht einmal einsperren müssen oder gar gefesselt. Man brauchte auch keine eine Wach abzustellen, damit ich ihnen nicht folgte, denn ich verlief mich einfach prompt in einen viel zu großen Gebäude.
Erschöpft ließ ich mich an einer der Wände hinabgleiten. Mir wurde kalt und ich war müde, zu dem meldete sich mein Magen. Leider hatte ich nicht die geringste Ahnung, wo ich mich gerade befand. Ich versuchte mich zu orientieren, doch nichts kam mir vertraut vor, also stand ich nur seufzend aus. Hier zu sitzen brachte mich auch nicht weiter. Ich begann erneut zu laufen, vielleicht würde ich ja irgendjemanden begegnen, der mir helfen konnte.

Leider war dies nicht der Fall. Seit geschätzten eineinhalb Stunden irrte ich umher und mittlerweile hatte mich eine Art Trotz heimgefallen. Wieso hatte Lucian niemanden geschickt, der auf mich aufpasste? Hätte er nicht zumindest, das tun sollen? Ich meine glaubte er etwa, dass ich wirklich hier auf ihn warten würde? Naja zwangsweise tat ich das ja, aber das hatte er doch sicherlich nicht geahnt, sonst hätte er doch erst recht jemand zu meiner Begleitung abgestellt! Traute er mir wirklich zu, dass ich ihm freiwillig nicht half?
Das Rettungsteam aus vierzig Mann musste eine große Gruppe für Werwölfe sein, denn die Burg schien wie ausgestorben.
Vielleicht hatte ich mich jedoch auch nur in einem sehr seltsamen Bereich verlaufen, mutmaßte ich weiter. Gab es etwa Korridore in die man nicht durfte? Irgendwann hatte ich das Gefühl gehabt Essen zu riechen, doch scheinbar war dies nur eine Täuschung gewesen, denn die Gänge blieben weiterhin endlos scheinend.
Mein Magen knurrte laut bei den Gedanken an eine Mahlzeit auf, doch mittlerweile war er mir egal. Viel mehr schmerzte ein anderer Teil von mir. Ein gewaltiges Stechen hatte sich in meine Brust geschlichen. Es fühle sich an, als würde man mich mit einem Holzpflock der Trauer pfählen.
Durch diesen Schmerz fing ich an zu zweifeln, ob Lucian wirklich der richtige für mich war. Immerhin hatte er mich hier alleine zurückgelassen.
Anderseits war ich wiederum stolz, dass er seinen Rudelgefährten so selbstverständlich half. Er musste mit Sicherheit ein guter Alpha für sie sein.
Dieses Gefühlschaos und vor allem der Schmerz zwangen mich schließlich dazu, mich einfach auf den eisigen, harten Steinboden niederzulassen. Ich lehnte den Kopf an die Wand und dachte einfach nur noch nach.

Meine Gedanken wanderten in jegliche erdenkliche Richtung, doch meistens drehten sie sich um Lucian. Emsig überdachte ich seine Handlungen, überanalysierte jedes noch so kleine Wort.
Bis ich zu dem Entschluss kam, dass ich ihm wirklich wichtig war und es anders herum genauso galt. Es war seltsam wie schnell er mir ans Herz gewachsen war.
Selbst wenn das Ziehen in meiner Brust plötzlich aufhören würde, wüsste ich nicht ob ich diesen Ort sofort verlassen würde. Ich genoss es dafür einfach viel zu sehr mit Lucian zu reden und einfach in seiner Nähe zu sein. Diese Seelenverwandtschaft war wirklich etwas Seltsames und gleichzeitig etwas Wunderschönes.
Ich schloss meine Augen. Mittlerweile spürte ich meine Zehen nicht mehr. Wäre ich noch in dem einem Teil der Burg, wo es Teppiche gab, hätte ich wohl einfach diese genommen um mich zu zudecken, doch hier gab es nichts weiter als harten Stein.
Wie lange musste ich hier wohl bleiben? Vielleicht gab es in diesem Gang ja auch Überwachungskameras, die ich nur noch nicht gesehen hatte? Ob Lucian mich wohl finden wird?

Soulmates #kleineJuwelenWhere stories live. Discover now