10

5.4K 345 18
                                    


„Wohin bringst du mich?", fragte ich Lucian.
Er zog mich am Arm und erklärte schroff: „In dein Zimmer."
„Aber ich dachte du hast zugestimmt!", stieß ich wütend aus. Er hatte doch schon seine Erlaubnis gegeben, wieso zog er sie jetzt zurück?!
„Ja ich habe zugestimmt, doch du wirst sicher nicht in diesem Aufzug in die Zentrale gehen! Schlimm genug, dass dich Gregor gestern Abend so gesehen hat. Jetzt aber auch noch James? Willst du mich zum Verzweifeln bringen? Ich dachte eigentlich wirklich ich wäre geduldig!"
Erstaunt sah ich an mir herunter. Es war vielleicht nicht optimal, dass ich unter dem Nachtkleid keinen BH trug, doch das taten derzeit viele Frauen nicht, weil es einfach Mode war. Das Kleid bedeckte zu dem weit mehr als so manches Street Outfit, mit dem andere durch die Gegend liefen. „Ich weiß wirklich nicht was du gegen dieses Kleid hast", gab ich also trotzig von mir.
„Ich habe nichts gegen dein Schlafgewand, solange du nur bei mir bist, aber ich möchte nicht, dass dich andere Männer so sehen! Hast du das verstanden!?"
Ich verdrehte die Augen, doch nun war eindeutig nicht der beste Zeitpunkt um darüber zu streiten. „Ja habe ich", zischte ich ihn also nur an und stolzierte in mein Zimmer. Dabei schlug ich Lucian die Türe vor der Nase zu, denn er schien kein Problem damit zu haben mir beim Umziehen zu zusehen.
Kurze Zeit später, hatte ich mir ein T-Shirt und eine lange Hose übergeworfen. Meine Kleidungsstücke waren anscheinend alle aus meiner Wohnung hierher transportiert worden. Selbst die zuvor noch dreckigen, waren nun sauber und ordentlich zusammengelegt in dem Schrank in meinem neuen Zimmer verstaut.
Ich wusste nicht wirklich, was ich davon halten sollte. Man hätte mich zumindest kurz einmal fragen können, bevor man in meine Wohnung eingebrochen war.

Lucian stand immer noch vor der Tür. Mittlerweile hatte er die Arme verschränkt. Er wirkte ungeduldig und ich konnte es ihm nicht verübeln.
Gemeinsam eilten wir durch unzählig viele Gänge und stiegen immer wieder einige Treppen hinab und wieder hinauf. Ich hatte absolut nicht den blassesten Schimmer, wo wir uns genau befanden. Selbst in welchem Stockwerk konnte ich nicht mehr genau sagen. Erst als wir durch eine vollkommen normal wirkende Tür traten, wusste ich wo wir waren.
Wir mussten in der Zentrale sein, denn überall standen Schreibtische unter und auf denen Computer standen. Ein paar waren vom neusten Modell, doch die meisten stammten aus älteren Generationen. Die Technik schien sich über Jahre angesammelt zu haben. Scheinbar hatte man in einem Teil des Waldes, sowie der Burg Überwachungskameras angebracht. Einige Monitore an der Wand waren dabei diese unterschiedlichen Bilder anzuzeigen.
„Lucian!", ein junger Mann, kaum mehr als ein Teenager grinste ihm breit zu. Seine Haare waren fast kohlrabenschwarz und völlig zerzaust, so als hätte er tausendfach durch sie gestrichen.
„Arya, das ist Tim unser Spezialist für Informatik. Tim, das ist Arya."
„Ich weiß schon", unterbrach Tim ihn. „Diejenige, die meine Abwehr durchbrochen hat. Das war wahrlich beeindruckend. Bis jetzt kam noch kein Mensch so weit, aber du hast nicht wirklich sauber gearbeitet", fing er an los zu plappern.
Ich wurde etwas rot auf Grund des Lobs, aber auch auf Grund der Tatsache, dass ich scheinbar wirklich ziemlich schlampig gearbeitet hatte.
Lucian zog mich ein Stück näher zu sich und erklärte weiter: „Sie hat gemeint, dass sie uns helfen könnte das Gebäude ausfindig zu machen."
Tim nickte. „Die selbstgeschriebene Software auf deinen Laptop ist dafür wirklich gut geeignet, aber ich besitze ein besseres Programm."
Entsetzt rief ich aus: „Du bist in mein System gelangt?"
„Natürlich, deine Festplatte war zwar verschlüsselt, aber ich meine ich hatte alles Notwendige hier. Es war sogar ganz..."

„Könntet ihr bitte beide aufhören!", befahl Lucian. Aus irgendeinem Grund funkelte er dabei jedoch vor allem wütend Tim an. Trotz seines unnötigen Zornes hatte Lucian Recht. Wir sollten uns wirklich um das Problem kümmern.
„Okay was hast du bereits gefunden?", fragte ich gespannt nach und setzte mich wie selbstverständlich neben Tim. Lucian schob mich kurzerhand mit dem Stuhl zu Seite und verlangte nun ebenfalls zu wissen: „Zeig mir die Daten!"
„Ähm... Ich will ja nicht unhöflich sein, aber so kann Arya nichts sehen. Möchtest du dich nicht eventuell hinter mich..."
Ein Knurren kam aus Lucians Kehle und ich hüpfte von meinem Stuhl.
„Gar kein Problem, ich kann mich auch einfach hinter dich stellen Tim." Ich beugte mich über Tims Schulter um die Monitore gut betrachten zu könne und kurzerhand saß ich wieder auf einen Stuhl neben ihm, während Lucian sich hinter uns stellte.
Dieser Mann war wirklich merkwürdig.

„Nach James Beschreibung und meiner Analyse kann es sich hierbei um genau 51 Fabriken handeln. Ich habe dabei einen Umkreis berücksichtigt, der dadurch zustande kam, dass wir die Stärke der Gefühle genauer analysiert haben."
„Gut, das ist doch bereits sehr weit eingekreist", erwiderte ich erfreut. Ich hätte sicherlich nicht bessere Arbeit leisten können.
„Das stimmt doch nun kommen wir einfach nicht weiter. Selbst per Hand können wir keine weitere Fabrik ausschließen."
„In Ordnung, lasst mich doch einmal sehen..."
Rasch klickte ich die Daten durch und verglich sie miteinander. „Diese fünf können wir schon einmal ausschließen."
„Wieso?", fragte Tim sofort.
„Es ist keine offizielle Angabe, aber in den beiden Fabriken wohnen Schmuggler. Die ganz sicher nichts mit einer Entführung zu tun haben wollen."
„Woher weißt du das?", fragte Lucian sofort nach. Ich konnte nicht einordnen ob seine Stimme mehr Beeindruckt oder Entsetzt klang.
„Ich habe einen Datenschmuggler gebraucht. Wie soll ich das sagen... Ich musste lange üben, damit ich in euer System kam und naja... Es war nicht gerade billig, also habe ich einige erworbene Datensätze vom organisierten Verbrechen verkauft."
„Darüber werden wir noch reden, junges Fräulein!", knurrte Lucian mich wütend an.
Ein bedrücktes Nicken war meine einzige Antwort darauf.
Lucian unterbrach schließlich selbst die beklommene Stille: „Gut... Wir sollten eventuell die Gebäude auf Alter und Einsturzgefahr prüfen."
„Das ist leider nicht möglich.", antwortete Tim rasch. „Ich besitze kaum Daten darüber. Die meisten Gebäude auf dieser Liste sind vom Staat zwar überwacht, aber sie stellen die Informationen nicht öffentlich."
Alle Blicke lagen nun auf mir. Es war leider nicht so, als das ich Wunder bewirken konnte. Ich brauchte Zeit und meistens einige Hintergrundinformationen um mich in ein System zu bringen. Allerdings gab es noch andere Wege an Daten zu gelangen: „Lasst ihr mich kurz einen Anruf machen? Eine Freundin beim Bauamt ist für die Restaurierung alter Gebäude verantwortlich. Sie schuldet mir noch einen Gefallen."
„Natürlich", antworte Lucian sofort. Er schien erleichtert zu sein, dass ich eine fast vollkommen legale Lösung vorschlug.

Kurze Zeit später konnten wir weitere zwanzig Gebäude ausschließen. Doch dann kamen wir nicht mehr weiter. „Wenn wir doch nur Satellitenbilder hätten", seufzte ich.
„Was würden die uns bringen?", fragte Tim. „Eine Aufnahme von einem Auto vor einer Fabrik zu suchen, würde uns nicht wirklich weiterhelfen. Immerhin kreisen Satelliten um die Erde und es bräuchte einen wirklich großen Zufall, wenn er genau in dem Moment ein Bild von der Lagerhalle aufnimmt, wenn die Entführer ihr Opfer dorthin bringen."
„Nun mit großer Sicherheit war das Ganze geplant. Sonst wüsste ich nicht, wieso sie das Mädchen nicht schon längst umgebracht hätten. Das heißt bereits in den letzten Wochen musste das Gelände ausgekundschaftete werden, oder noch wahrscheinlicher sie haben es..."
„Als ihren Stützpunkt ausgewählt. Verdammt! Natürlich! Wie habe ich das nur übersehen können? Sonst hätten sie die Frau auch sicherlich in ein Gebäude in der Stadt untergebracht! Einen Moment. Wir haben einige Satelliten auf die wir zugreifen können."
Kurz darauf war die Anzahl unserer verdächtigen Lagerhäuser auf genau zwei Stück eingeschränkt. Zu unserem großen Erstaunen befanden sich beide sogar in der Nähe.
„Gut!", befahl Lucian. „Bereitet zwei Einsatzteams mit 40 Mann vor. Ich möchte sie in spätestens zwanzig Minuten draußen sehen!"

Soulmates #kleineJuwelenOnde as histórias ganham vida. Descobre agora