Der Angriff

103 6 3
                                    

Engelchen flog los und ihr folgte eine Drachenschar, bestehend aus zwei Dutzend Drachen. Ein bisschen mulmig wurde mich doch, aber ich konzentrierte mich. Hicks und Astrid waren irgendwo da unten und wir konnten sie da nicht einfach lassen. Was Dagur wohl mit ihnen vorhatte oder machte? Sorgenvoll spornte ich Fleischklöpschen an. ,,Los Engelchen, wir müsen uns beeilen. Du weißt doch, wie schrecklich es ist, eingesperrt zu sein. Das sind wir Hicks schuldig." Mein Fleischklops verstand sofort und schlug wie wild mit den Flügeln. Die Drachen hinter uns folgten uns wie Glutkessel einem Schrecken der Meere. Dieser Vergleich war zwar nicht aufmunternd, aber es entsprach der Wirklichkeit. Sie ließen uns keine Sekunde aus den Augen.

Wir waren auf dem Weg zur Ostküste, ein langer Strand erschreckte sich unter uns und nur wenige Bäume schmückten die Landschaft. ,,Zum Glück werden wir hier nicht viel von der Natur zerstören können. Dieser Plan ist einfach unter unserem Niveau. Hicks hätte einen anderen Plan gehabt. Lindas Denkweise passt einfach nicht zu unserer, hab ich Recht, Engel?" Fleischklops schaute zu mir hoch und grummelte zustimmend. Dann wandte sie sich mit ernstem Gesichtsausdruck wieder nach vorne. Dafür liebte ich meinen Engel. Sie wusste genau Bescheid, um was es ging, das zeigte mir ihr Verhalten. Sie wusste, wann es Zeit war, ernst zu sein, wann es brenzlig werden konnte oder wie man die Situationen einschätzen musste, in denen man sich befand. Sie hatte Kampfgeist, auch wenn sie schüchtern und schwach wirkte. Mein Engel war was Besonderes.

Ich wandte mich zu den Drachen und hob meine Stimme an. ,,Wir teilen uns jetzt auf." Ich tätschelte kurz Fleischklops Kopf. ,,Ausschwärmen!" Ich breitete meine Arme aus und Fleischklops übersetzte für die Drachen, die mich nicht verstanden. Alle Drachen brüllten und rasten über die Insel. Hier und da wurde ein Feuer gesetzt und man hörte viele Explosionen. Fleischklops flog nun tief über den Boden und schoss Lavabälle auf Katapulte und Bogenschützen. Andere Drachen zerstörten die Häuser und jagten die Berserker durch die karge Landschaft. Fleischklops flog neben einem rötlichen Nadder und grummelte ihm was zu. Er krächzte und stürzte auf eine etwas größere Festung hinunter. Ein Felsbrocken flog auf ihn zu, Fleischklops schnellte vor und schappte ihn mit dem Maul. Doch daraufhin folgten Pfeile, die uns direkt getroffen hätten, hätte der Nadder sie nicht mit einem Feuerstrahl zerstört. ,,Danke!" Wir setzten unseren Weg fort und ich ließ meinen Blick durch die Gegend schweifen. Vollkommen zufrieden sah ich, dass alle Außenposten der Insel zerstört waren und einige sogar noch brandten. Nur einer fehlte noch, aber das war auch der größte Bewachungsturm. Alle Drachen hatten den Turm umkreist und feuerten mit allem, was sie hatten. Fleischklops zerstörte einige Katapulte und fing mehrere Felsbrocken auf. ,,Ich glaube, du hast genug für heute gefressen, du weißt doch, dass dir diese Felsbrocken schwer im Magen liegen." Fleischklops grummelte und verzog bereits ihr Gesicht. Es waren eindeutig zu viele Steine gewesen.

Nachdem wir den Turm weitgehend zerstört hatten, pfiff ich einmal und bekam somit die gesamte Aufmerksamkeit der Drachen. Ich atmete einmal tief durch und fixierte die schon gut erkennbare Felsspitze, die in der Mitte der Insel lag. Dort war unser Ziel, dort war der Hauptsitz der Berserker, dort waren Hicks und Astrid. Und genau dort würde unser Plan sein Ende finden. Ich streckte meinen Arm in diese Richtung und rief: ,,Angriff!" Die Drachen brüllten ohrenbetäubend laut, dass ich befürchtete, alle Berserker auf der ganzen Insel würden uns hören, und sie flogen in einem rasanten Tempo an meinem Engel und mir vorbei. Fleischklops sah mich mit großen Augen an. Ich sah sie genauso verwundert an. Nach einigen Augenblicken, nach denen wir uns wieder gefasst hatten, folgten wir der brüllenden und feuerspuckenden Drachenschar und kamen dem Hauptsitz immer näher. Mir wurde immer mumliger und ich wurde immer hibbeliger. Würden wir es wirklich schaffen können, die Berserker zu besiegen und soweit zu schwächen, dass sie in der nächsten Zeit keinen Racheplan durchführen könnten? Zweifel an dem Plan ließen mich panisch werden und ich hatte Angst, Fleischklops in Gefahr zu bringen. Aber als wir einmal aus sicherer Entfernung die Mitte der Insel umflogen, schwanden meine Befürchtungen. Überall waren Drachen und überall sah man Feuer. Die anderen waren schon eingetroffen und gerade tauchte auch Linda auf Wirbelwind auf. Noch mehr Drachen stürzten sich in das Gedränge. Es waren so viele Drachen, dass ich den Boden nicht erkennen konnte. Völlig fasziniert vergaß ich den nächsten Teil meines Auftrages. Aber Linda erinnerte mich daran, als sie vorbei flog und mir einen Schlüsselbund ins Gesicht warf. ,,AU!" Ich sah ihr empört hinterher. ,,Halt dich an den Plan und befreie Astrid und Hicks!" Sofort fiel mir der Plan wieder ein und ich lenkte Fleischklöpschen runter. Ich brauchte gar nicht lange, nach dem Eingang zu suchen, ich kannte mich hier schon aus. Grimmig stieg ich von meinem Gronkel und tritt in den dunklen Gang hinein, als ich schon Hicks, Astrid und.....Heidrun sah! Sie starrten erstaunt nach draußen und schienen mich nicht bemerkt zu haben. Rotzbacke flog soeben dicht am Boden vorbei, entzündete Zippergas und verschwand wieder. Seine Stimme hallte über das gesamte Schlachtfeld. ,,Rotzbacke, Rotzbacke, oi, oi, oi!" Typisch Rotzbacke eben. Ich lief auf die drei zu und umarmte alle nach einander. ,,Schön euch wieder zu sehen. Kommt mit!" Die drei folgten mir, wobei mir auffiel, dass Astrid humpelte. Ich drehte mich um und musterte sie besorgt. ,,Mir geht es gut, Fischbein!" Hicks warf mir einen besorgten Blick zu und stützte Astrid weiterhin. ,,Hört auf, euch um mich Sorgen zu machen. Mir geht..." Vor Astrid landete eine überglückliche Sturmpfeil und stoppte somit Astrids kleinen Ausraster. Sie fiel ihr um den Hals und schien jetzt wirklich kerngesund zu sein.

,,Lasst uns das ein für alle mal beenden." Hicks stieg hinter Astrid auf Sturmpfeil und sah zu mir und Heidrun. ,,Sucht die anderen. Wir müssen Ohnezahn finden." Der blaue Nadder hob ab und verschwand in dem Chaos. Ich sah verlegen zu Heidrun. ,,Du kannst mit mir fliegen. Fleischklops hat nichts dagegen, oder Engelchen?" Fleischklops sah Heidrun etwas scheu an, stupste sie dann aber leicht an. Hechelnd sprang sie um uns umher und wir beide lachten.

,,Ich glaube, sie freut sich." Heidrun erklomm Fleischklops Rücken und ich lenkte Fleischklops nach oben. ,,Rotzbacke! Raff! Taff! Linda!" Meine Stimme hallte über das Schlachtfeld, aber sie wurde von einem hohen Hilfeschrei übertönt. Ein gewaltiges Brüllen folgte und sofort wurde es still, so still, dass man von hier aus, ein Schaf in Berk blöken hören würde. Selbst die Drachen wurden leise und landeten. Eine große Gruppe bildete sich um den Anführer der Drachen, dem Rumpelhorn. Ich entdeckte Hicks neben Astrid und kniff verwundert meine Augen zusammen. Beim genauerem Hinsehen entdeckte ich Dagur, der vor dem Rumpelhorn an einer Felswand gelehnt saß und den wütenden Drachen vor ihm etwas ängstlich musterte. Entsetzt hielten alle die Luft an und beobachteten das Szenario. Der Rumpelhorn öffnete sein Maul, fixierte Dagur mit einem hasserfüllten Blick und schoss. Ein lautes ,,Nein!" tönte über die Insel, bevor alles in Rauch verschwand.

I won't let you goWhere stories live. Discover now