Astrid und Ohnezahn

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Etwas unbeholfen flogen Ohnezahn und ich von der kleinen Insel, auf der die anderen mit den Drachen waren. Ich wusste, dass sie mir hintergerufen hatten, ich hatte sie gehört, aber ich wäre nicht Astrid Hofferson, wenn ich nicht trotzdem losgeflogen wäre. Außerdem wäre Ohnezahn alleine losgezogen, um Hicks zu suchen, und wenn ihm was passiert wäre, hätte ich mir das nie verziehen. Ich wusste genau, wie sehr Hicks Ohnezahn mochte. Und wenn er erfuhr, dass ich zu nachlässig gewesen war, könnte ich seine Enttäuschung nicht ertragen. Seine Wut konnte ich ertragen, zumal er nicht allzu oft wütend war, aber seine Enttäuschung war viel schlimmer und setzte jedem zu. Kräftig schüttelte ich meinen Kopf, um die unmotivierenden Gedanken zu verscheuchen, und konzentrierte mich wieder. Da es schon dunkel war, überließ ich Ohnezahn das Suchen, schließlich konnte er im Dunklen wirklich gut zurechtkommen. Wir überflogen die Insel, aber nirgends war eine Spur von Hicks. Ohnezahn stieß seine Schallwellen aus, aber es gab keinen kleinsten Hinweis auf Hicks. Und als ich schon umkehren wollte, schien Ohnezahn was gefunden zu haben. Er schnupperte, sein Blick schoss runter auf eine waldige Stelle und sofort befahl ich ihm, zu landen. Aber als wir landeten, war vor uns nur eine hohe Hecke. ,,Und wo ist jetzt Hicks?" Ohnezahn schnüffelte an der Hecke und grummelte mir entschuldigend zu. ,,Achso, nicht schlimm Ohnezahn. Wir überfliegen sie einfach." Ich wollte gerade aufsteigen, als Ohnezahn plötzlich knurrte und sich umwandte. Bevor ich reagieren konnte, wurde ich entwaffnet und festgehalten. ,,Ohnezahn verschwinde von hier und geh zu den anderen!" Der Nachtschatten knurrte immer noch, aber dann grummelte er unsicher. ,,Na los, geh, bevor sie dich erwischen!" Einige Berserker schossen die ersten Pfeile auf Ohnezahn und die nächsten warfen ein Wurfnetz. Er weichte geschickt aus, sah mich ein letztes Mal mit einer erhobenen Pfote unsicher an, ehe er mit seinen Flügeln schlug und wegrannte. Die Berserker verflogten ihn, aber ich sah und hörte mit Zufriedenheit, wie er mit seinen Plasmabällen sie daran hinderte, ihm weiterzufolgen.

,,Steht nicht so nutzlos da, sondern folgt ihm!" Dagur? Bitte sag mir, dass das nicht Dagur war. ,,Hallo Astrid." Er schaute sich um. ,,Keine Drachen und kein Drachenreiter. Nicht mal Hicks. Was ja eigentlich schade ist." Er grinste mich an, ,,Schafft sie zu den anderen." Ich wurde weggezerrt, doch ich versuchte mich zu wehren. Zwecklos. Ich bekam einen Schlag ins Gesicht und taumelte benommen den Berserkern hinterher. So benommen wie ich war, bekam ich kaum was von der Umgebung mit, nur dass es dunkler wurde. Plötzlich hielten die Berserker an, ich stolperte unsanft nach vorne in einen Berserker, der mich böse ansah und zurückschupste. Sie öffneten eine quietschige Tür. Ich wurde unsanft in den Raum geschupst, und ehe ich mich umdrehen konnte, fiel sie schon ins Schloss. Ich schaute mich erschöpft im Raum um. Hoffentlich konnte Ohnezahn fliehen. Ich wollte nicht wissen, was Dagur überhaupt mit ihm vorhatte. Oder mit Hicks. Ein Schauer rannte über meinen Rücken und ich schaute mich nun genauer in der Gefängniszelle um. Überall kahle graue Wände. Nur ein Fenster gab es, doch davor waren Gitterstäbe. Ich lief an den Wänden entlang und strich mit meinen Fingern darüber. Plötzlich spürte ich etwas Metalliges, Kaltes. Ketten, die an den Wänden befestigt waren. Wofür sollten die denn gut sein? Verwundert nahm ich sie in die Hände und hob sie hoch. Nein, ich hätte aufhören sollen, nachzudenken, sonst hätte ich nur noch mehr Angst bekommen. Ich ging auf die Tür zu und schaute mir das Schloss genau an. Hätte ich noch meinen Dolch oder irgendetwas Spitzes, könnte ich die Tür aufbrechen. Schnell überprüfte ich meine Stiefel, doch auch die Dolche, die ich dort sonst immer versteckt hatte, waren fort. Ich richtete mich auf und heftete meinen Blick wieder auf die schwere Eisentür. Während ich die Tür wieder nach einer Stelle absuchte, die es mir ermöglicht hätte, auszubrechen, öffnete jemand die Tür. Dementsprechend bekam ich die Tür ins Gesicht und ich stolperte mit einem spitzen Aufschrei zurück. Dagur trat in den Raum hinein und sah mich leicht verwirrt an. ,,Ah, du wolltest also ausbrechen. Astrid, Astrid, Astrid. Ohne Waffen kommst du nicht so weit, das weißt du doch genauso gut wie ich. Du bist doch nicht dumm." Er packte mich am Arm und zog mich unsanft nach oben. Ich wollte mich aus seinem Klammergriff befreien, aber er drückte mich gegen die Wand. ,, Spar dir lieber deine Kräfte, Süße."

,,Was hast du vor?", fragte ich mit einem verbissenen Gesichtsausdruck und hörte nicht auf, mich zu wehren. Er lachte, während ich mich gegen ihn stämmte. Er schien mich mit Leichtigkeit festzuhalten. Seit unserem letzten Treffen, hatte er also hart weiter trainiert.

Dagur grinste mich fies an. ,,Das wird dir gefallen...Es hat was mit Hicks zu tun." Er ließ von mir ab, grinste und ging ein paar Schritte zurück. ,,Wo sind die anderen?" Ich schwieg. Er kniff seine Augen zusammen. ,,Wo sind die Drachen und die Drachenreiter?!" Ich schwieg weiterhin und starrte ihn nur abfällig an. Aus mir würde er kein Wort rausbekommen. ,,Na schön, du willst es also nicht anders."

,,Genau!", knurrte ich und ballte meine Hände zu Fäusten.

,,Du weißt doch, dass ich nur den Nachtschatten und Hicks will. Du bist nur das Druckmittel." Augenblicklich bekam ich Angst. Was hatte er vor? Was wollte er mir antun? Wollte er, dass Hicks wegen mir bricht? Dass er innerlich zusammenbricht, nur weil ich... einen Fehler gemacht hatte? Hoffentlich war Hicks schlau genug, nicht auf Dagurs Pläne reinzufallen. Ach, was dachte ich denn schon wieder? Hicks war schlauer und er wusste, dass ich es hasste, wenn er Entscheidungen traf, bei denen es um mein Wohl ging. Ich bin eine Kriegerin, ich konnte mehr einstecken als die meisten Wikinger, die sich als unsterblich und unschlagbar bezeichneten. Dagur sah mich noch kurz mit zusammengekniffenen Augen an, ehe er den Raum verließ. Ich atmete erleichtert aus und sammelte mich wieder. Aber an Dagurs Stelle tauchten zwei Berserker in dem Raum auf und gingen direkt auf mich zu. Eigentlich hatte ich es nicht erwartet, dass so schnell wieder jemand hier rein kam, aber anscheinend hatte ich mich getäuscht. Die Berserker nickten sich einmal zu und....

I won't let you goWhere stories live. Discover now