Kapitel 1: Prolog

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Meine Mutter war völlig hysterisch, als wir den Brief bekamen. Für sie hatten sich alle Probleme zum Neuen ergeben. Ich war jedoch nicht ihre letzte Hoffnung. Nachdem ich vor ein paar Wochen aus der Psychiatrie entlassen worden bin, musste ich nun wieder zwangseingewiesen werden. Somit blieb mir keine Wahl als wieder zurück in die Psychiatrie zu müssen. Ich wollte nicht wieder dahin zurück, aber viel schlimmer jedoch wäre es in mein wahres Leben zurückzukehren. Und sowieso würde ich mich selbst nur gefährden.

Ich verkroch mich in meinem liebsten, einzigartigsten und stillsten Ort, nämlich meinem Zimmer. Meine dauerhaften Gedanken, waren nur, wie ich meine Therapeutin, meinen Arzt und meine Mutter wieder umstimmen konnte, nicht wieder zurück zu müssen. Oder zumindest nur Therapiestunden absitzen zu müssen.

Als es Abendessen gab, zwang ich mich zum Aufstehen. Meine Mutter war eindeutig traurig, denn sie warf mir einen mitfühlenden Blick zu. Sie kann es nicht ertragen, dass ich mein Leben durch meine Psyche zerstöre. Schweigend deckten wir den Tisch für fünf. Es herrschte lange Stille, doch als sie die Wasserflasche auf den Tisch knallte, erschrak ich füchterlich. "Glaubst du, es würde dir helfen wieder in diese Irrenanstalt zu gehen? Ich meine, dieser "Spaß" ist ja nicht umsonst und... Ich meine natürlich wollen wir dir helfen, aber ein zweites Mal... Meinst du denn das bringt etwas? Nun ja, du musst ja sowieso dort hin zurück. Aber, wenn du dich gut machst - vielleicht kommst du da früher wieder heraus. Aber es wäre eine zweite Chance dich und dein Leben zu ändern und vielleicht zu bessern. Verschwende dein Leben bitte nicht, mach was drauß. Ich weiß du hast es nicht leicht. Aber du musst kämpfen. Gib das Leben nicht auf!", sagte sie. Auch, wenn ich ihr ansah, dass sie wusste diese Sätze würden meine Einstellung wenig ändern.

☆☆☆ [Triggerwarnung]

Ich seufze. Ich wollte nicht zurück und jedesmal kontrolliert werden, ob ich noch lebe. Mein ganzes Leben dort bestand nur aus reinster Kontrolle und die Überzeugung, wie toll das Leben doch sei. Ich war jedenfalls nicht vom Leben begeistert. Wie kann man auch das Leben lieben, wenn man von Tag zu Tag schlechte Noten - ins Besondere in dem Fach Mathematik - schreibt. Jeder würde jetzt wahrscheinlich denken: 'Nur wegen einer schlechten Note willst du dir das Leben nehmen?' Aber ich bin durchaus eine geborene Perfektionistin. Wenn bei mir das Leben nicht nach meinen Plänen läuft, bestrafe ich mich selbst dafür. Ich weiß, dass man somit zu keiner Lösung kommt, aber man kann kurz den seelischen Schmerz betäuben. Leistung ist in unserer Generation das A und O. Damit hat man so viele Eintrittskarten im Job etc. Die ganzen Medien bestätigen es einem sogar zusätzlich.

Mein Grund dafür ist naürlich nicht nur der gesellschaftliche Leistungsdruck und mein eigener Drang nach Perfektionismus. Aber der Stress und der Druck, den ich mir selbst verschaffe als auch, der von mir erwartet wird,  hat schon einiges damit zu tun.
Ich bin nämlich auf einem Wirtschaftsgymnasium. Dort wird so viel erwartet, dass es schon grausam ist.
Früher wollte ich Anwältin werden, bis ich merkte, dass das viel zu hochgegriffen ist. Das Motto unserer Welt heutzutage lautet: "Wenn du es wirklich willst, schaffst du es auch!" Und soll ich euch die Antwort meinerseits sagen? Nein, das Ziel, dass man etwas Bestimmtes erreichen möchte ist heute unmöglich. Und es tut mir leid,  dass ich einige entmutige, aber in unserer heutigen Generation geht es nur noch um Leistungsdruck und Erfolg und einen strukturierten Tagesablauf. Dieses "That Girl"- Geschwafel macht mich noch fertig. Euch etwa nicht?
Wenn man diesen Druck nicht standhält und die Noten immer  schlechter werden, ist dein Leben zerstört. Wie mein Mathelehrer es mir schon gezeigt hat.

Ja, und das ist der Grund, wie ich depressiv wurde. Ich wollte einfach nie im Leben erfahren, was mir in der Zukunft zustößt. Dann kam eine Woche ein plötzlicher Todesfall meiner besten Freundin. Ich war am Boden zerstört. Jetzt hatte ich niemanden mehr zum Reden. Hinzu kam dann noch mein Freund, den ich mir für die Ewigkeit ausmalte. Ich wusste bis zu dem Zeitpunkt noch - zumindest dachte ich, dass ich es wusste, dass Christian mein Freund für die Ewigkeit sei. Doch dann tauchte er mit einer neuen Freundin an seiner Seite auf. Ich war wütend und traurig zugleich: Mein Herz tat unendlich weh - bis heute schmerzt es noch. Nicht, weil ich ihn immer noch liebe, sondern einfach, weil er ein Teil von mir war oder immer noch ist. So hat mein Leben eine depressive, schockierende Wendung genommen.

[Ende der Triggerwarnung] ☆☆☆

Wenn du es schaffst, schaffe ich es auch!Where stories live. Discover now