Kapitel 5

17.3K 1.2K 223
                                    

Doch er schien ruhig bleiben zu wollen und die hervortretende Ader an seinem Hals zeigte, dass er sich ganz schön beherrschen musste. Seine scharfen Wangenknochen traten hervor und seine braunen Augen bohrten sich in meine, bis ich den Blick abwenden musste.

"Warum sollte ich?", fragte er kühl und zog an seiner Zigarette, bevor er den Kopf wegdrehte, um in die andere Richtung zu atmen. Das gab mir die Chance, ihn zu beobachten, denn so nah war ich ihm sonst nie, außer wenn er mich verprügelte und da konzentrierte ich mich nicht auf sein Aussehen.

Seine spitze Nase stach markant aus dem Profil heraus und lange traumhafte Wimpern zierten seine braunen Augen. Die dunkelbraunen Haare hatte er unter seiner schwarzen Adidas Cap versteckt und nur seine Augen lugten gerade noch unter der Kappe hervor. Sein Blick fiel wieder auf mich und ich schaute schnell wieder auf meine Hände.

"Antworte mir gefälligst", forderte er mit einem befehlerischen Unterton und ruckartig hebe ich den Kopf, meine Wangen liefen mal wieder rosa an. Als unsere Blicke sich ein weiteres Mal begegneten, hielt ich dem Blick stand, und auch wenn mir das viel Mut kostete, beantwortte ich ihm seine Frage, ohne den Blick abzwenden: „Weil ich dann husten muss und das vermeiden möchte. Außerdem stinke ich dann und das will ich nicht!"

Seine Lippen verzogen sich zu einem spöttischen Grinsen, welches trotz seines bösen Hintergedanken unglaublich attraktiv auf mich wirkte. Doch dieses Lächeln verzog sich auch schnell wieder und hinterließ nur seinen üblichen arroganten Blick. Doch er tat mir den Gefallen und wandte sich ein Stück von mir ab. Auch ich wandte den Blick ab und schaute den Abhang hinunter, welcher hinter der Mauer lag, auf der wir saßen. Dahinter lag ein Wald und ein Stück weiter der Sportplatz, auf dem eine Klasse junger Schüler über den Platz gejagt wurde.

Nach einer Weile, in der wir schweigend nebeneinander gesessen hatten und uns ignorierten, räusperte ich mich, um seine Aufmerksamkeit zu bekommen. Genervt schaute er mich an und der Schatten seiner Cap fiel über seine Augen.

„Was?", fragte er mich mürrisch und ich hielt den Zettel hoch. „Wollen wir nicht anfangen?". Ohne große Begeisterung nickte er und kramte den verknitterten Zettel aus seiner Jackentasche. „Du hast doch bestimmt einen Stift!", behauptete er und seufzend gab ich ihm einen Kuli in dem Wissen, dass ich diesen nie wieder zu Gesicht bekommen würde.

Anscheinend wollte er sich nicht bedanken, denn er faltete den Zettel auf und wollte etwas daraufschreiben, aber verharrte in der Bewegung. ,,Wie war dein Name?", fragte er mich mit aller Ernsthaftigkeit und ich fiel aus allen Wolken. Das konnte doch nicht wahr sein, dachte ich und massierte kurz mit den Fingern meine Schläfen, um mich zu beruhigen.

,,Benjamin Fox", erklärte ich dann kurz angebunden und er nickte, bevor er mit seiner hieroglyphen Schrift meinen Namen auf das Blatt schrieb. Zufrieden schrieb ich auch seinen Namen auf mein Blatt und schaute dann wieder zu ihm auf. „Hast du einen Zweitnamen?", hakte ich schüchtern nach. Er schaute genervt zu mir hoch. „Solltest du das nicht eigentlich wissen?", fuhr er mich an und meine linke Augenbraue zuckte verärgert nach oben. ,,Solltest du nicht eigentlich meinen Namen kennen?", stellte ich ihm die Gegenfrage und er funkelte mich böse an. Doch dagegen konnte er nichts sagen, denn es entsprach der Wahrheit und folglich hatte ich gewonnen. Noan gab sich geschlagen und setzte kurz die Kappe ab, um durch seine Haare zu fahren und die Kappe dann wieder aufzusetzen.

,,Elia", verkündete er mir dann und ich ergänzte seinen Namen: ,,Noan Elia Harper." Schnell zeichnete ich einen Pfeil zwischen seinen Vor- und Nachnamen und ergänzte den Namen Elia. ,,Perfekt", murmelte ich, eher für mich bestimmt, vor mich hin und hörte ein Auflachen von Noan. „Ich weiß, dass ich perfekt bin, das brauchst du mir nicht auch noch zu sagen", scherzte er, doch nach einer kurzen Sekunde fiel mir auf, dass er das tatsächlich ernst gemeint hatte.

Ich wagte es nicht die Augenbrauen hochzuziehen, denn obwohl es auf irgendeine Weise wahr war, wollte ich ihm ganz bestimmt nicht zu erkennen geben, dass ich genauso dachte. Klar kein Mensch war perfekt, aber zumindest von seinem Aussehen her, war Noan echt nah dran. Er war so attraktiv, dass ich nur ungern meine Augen von ihm ließ und auch wenn er ein Arsch war, liebte ich ihn immer noch. Wie verkorkst ich doch war.

„Alter und Geburtstag?", fragte er mich mehr gelangweilt als interessiert und ich nannte ihm die Daten. So gingen wir die Liste durch und ich erfuhr unter anderem, dass er nicht nur boxte, sondern auch Gitarre spielen konnte. Seiner Meinung nach natürlich nur, um die Mädels zu beeindrucken.

Das letzte hat er mir nicht gesagt, so viel Information hat er mir nicht gegeben. Aber ich habe es mir einfach mal gedacht. Ich habe ihm nicht erzählt, das ich seit 5 Jahren Gesangsunterricht nehme. Generell habe ich ziemlich viele Fakten einfach ausgelassen, beziehungsweise gemogelt. Ich will es nicht gelogen nennen, denn das war es nicht. Es war mehr ein um-die-Wahrheit-herumreden, denn sollte er irgendwann die Wahrheit rausfinden, würde das nicht gut gehen, da war ich mir sicher. In der ganzen halben Stunde hatte ich mir so einige bescheuerte Schwulenwitze und dumme Kommentare angehört, die ich jedoch alle gekonnt ignoriert hatte.

Und meine neue Taktik hatte geholfen. Er würde wohl nie damit aufhören mir gemeine Sachen ins Ohr zu flüstern, aber ich entwickelte eine Art Schutzschild dagegen.

Als die Pause anbrach und die halbe Stunde rum war, erfüllte mich sowohl ein Glücksgefühl, als auch ein Gefühl des Bedauerns, dass die Zeit mit ihm allein schon vorbei war. ,,Treffen wir uns dann auch nochmal außerschulisch?", fragte ich schüchtern und er fing an zu glucksen.

Vollkommen verwirrt fragte ich mich, was denn an dieser Frage so lustig gewesen sein könnte. Aus Noan's Glucksen wurde ein verhaltenes Lachen, bevor er los prustete. Seine Lache klang so schön und der weiche Ausdruck in seinem Gesicht schmeichelte ihm, doch fühlte ich mich unwohl.
,,Du... Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass ich mich mit Dir außerhalb der Schule treffen würde?!", japste mein Gegenüber und ich stand verletzt auf. Es verletzte mich mehr als alle Kommentare, die er in der letzten halben Stunde von sich gegeben hatte und ich wollte im Boden versinken. Gleichzeitig wollte ich auch auf ihn einboxen und doch -
während ich ihn anblickte versuchte ich meine Enttäuschung zu verbergen, doch mir gelang, Emotionen zu verbergen noch nie gut und ich spürte, wie die Tränen in die Augen flossen und meine Brust sich zusammen zog.

Nachdem er sich beruhigt hatte, schaute er zu mir und den Blick, den er mir zu warf, schüchterte mich noch mehr ein.

„Dich in der Schule reicht mir schon vollkommen und jetzt zieh ab Schwuchtel", brummte er und setzte damit noch einen drauf. Auf der Stelle drehte ich mich um und stapfte zurück zur Schule. Ich musste mich beherrschen, damit meine Schultern nicht anfangen zu zittern. Noan sollte nicht sehen, wie sehr er mich damit verletzt hatte.

Bis zum Schultor schaffte ich es, doch als Meg mich in den Arm nahm, brachen die Tränen aus mir heraus.

You're gay- that's the problem #platinawards2018Where stories live. Discover now