4

139 13 3
                                    

Eigentlich hatte er nicht vorgehabt, zu Dominiks Geburtstag zu gehen.
Nicht, weil er nicht wollte, Gott bewahre, oder weil er Tim nicht sehen wollte- den wollte er immer sehen, wenn er ehrlich war- sondern weil er einfach, schlicht und ergreifend, krank war. Ihm war konstant schlecht, sein Kopf drehte sich, und sein Magen rebellierte schon den ganzen Tag über, doch um nichts wollte er diesen Geburtstag verstreichen lassen, ohne sich wenigstens einmal blicken zu lassen. Das wollte er Dominik nicht antun, und das wollte er auch selbst nicht für sich; er glaubte zwar, dass sein bester Freund es verstanden hätte, wenn er nicht gekommen wäre, weil es ihm schlecht ging, aber in seinem Kopf gab es doch diese kleine Stimme, die ihm einredete, dass es den Brünetten enttäuschen würde. Er wollte Dominik einfach nicht enttäuschen; und er wollte auch so dringend Tim wiedersehen, da es  unter der Woche fast unmöglich war, dass sie sich sahen; der Blonde arbeitete an seine Videos, von denen er leben konnte, und Dario selbst war ständig in der Uni oder half seiner Mutter daheim mit seinen Schwestern. Die beiden Zwillinge machten ihr viel Ärger, im Moment, waren sie doch gerade 15 geworden, also im perfekten Alter, um stark aufmüpfig zu sein.
Ein starker Hustenanfall holte ihn aus den Gedanken, er begab sich in die Küche, um den Hustensaft zu suchen, in der Hoffnung, so noch schnell eine Erkältung vorbeugen zu können, er musste sich auch noch fertig machen. Um sein schlechtes Gewissen zu betäuben, warf er nebenbei eine fiebersenkende Tablette ein, bevor er unter die Dusche sprang, sich dann seine Kleidung heraussuchte, die er zum Geburtstag tragen wollte. Natürlich wusste er, er sollte nicht auf eine Feier gehen, wenn er krank war, aber er redete sich ein, dass schon alles gut gehen würde. Und die Sehnsucht nach Tim hatte ihn ohnehin die letzten Tage auf diesen Abend hinfiebern lassen, im wahrsten Sinne des Wortes. Er fror, wusste aber dass ihm gleich wieder warm werden würde, verzichtete deshalb auf einen Schal, als er die Wohnung verließ.
Er musste ja nicht kränker aussehen, als er sich fühlte, und wirklich war.
Die Musik bei Dominik war schon zu hören, und Dario lachte leise in sich hinein, vergrub die Hände in den Jackentaschen, sah dann hoch, um zu klingeln. Wenigstens wusste er schon ungefähr, worauf dieser Abend hinauslaufen würde, wie die meisten von Dominiks Geburtstagen. Laute Musik, aber gute; vermutlich zu viel zu trinken, aber die Wohnung würde stehen bleiben; nachdem Dominik in einer WG wohnte, würde er vermutlich viele neue Leute treffen. Und irgendwo, dazwischen, würde er sein. 
Er war kein Partygänger, war es nie gewesen, doch er mochte diese Geburtstage, bei denen er mitten unter den Leuten war, die alle gut drauf waren.
Dominik öffnete nicht selbst die Türe, sondern irgendein großer Typ mit blonden Haaren, der ihn kurz mit zusammengekniffenen Augen ansah, und Dario schlug seine Fahne entgegen; dann lächelte der Blonde, ließ ihn hinein, mit einem Klaps auf den Rücken. Dario lächelte ihm leicht zu, hängte dann seine Jacke auf, sah sich dann nach dem Herren des Hauses um, den er in einer der Flure fand, mit einem Mädchen redend. Scheinbar war er beschäftigt, so dass Dario eigentlich umdrehen wollte, um sich woanders umzusehen, doch da hatte Dominik ihn schon entdeckt, schob das Mädchen beiseite.
" Hazellyn, du entschuldigst mich kurz?", fragte er, kam auf Dario zu, "Dario. Schön, dass du gekommen bist", sagte der Brünette lächelnd, zog ihn in eine Umarmung, "Ich freu mich. Alles... du bist käsebleich", stellte er dann fest, und der Jüngere sah weg.
" Muss das Licht sein"
" Hoffentlich. Geht's dir gut?"
" Ja", sagte Dario ernst, sah dann wieder zu Dominik, der leicht geöffnete Pupillen hatte.
" Hast du schon Tim gesehen? Ich glaube, der ist irgendwo im Wohnzimmer.", sagte Dominik leichthin, "Ich bring dich hin.", er drehte sich zu dem Mädchen, doch die war schon verschwunden; Dario kramte in seinem Kopf nach ihrem Namen, dann fiel es ihm wieder ein; die Schwester seines Mitbewohners, so weit er wusste. War ja auch egal, er würde gleich wieder Tim sehen, seinen Seelenverwandten. Tim. Ein Lächeln breitete sich auf seinen Lippen aus, aber im nächsten Moment wurde er wieder von einem Hustenanfall geschüttelt, sein Kopf schmerzte wieder. Nicht jetzt, flehte er leise, und dann sah er ihn auch schon.
Tim, mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen, der sich von seinem Gesprächspartner abwandte, als Dominik ihn antippte; Dario blieb fast die Luft weg, bei dem Anblick.
" Schau mal, wen ich dir mitgebracht hab", lachte der Brünette sanft, und Tims Augen legten sich auf Dario, er lächelte übers ganze Gesicht
" Hey.", sagte Dario nur leise, sah auf seine Hände, dann den Blonden an, "Ich hoffe, ich störe nicht"
" Du nie", erwiderte Tim nur schlicht, griff dann nach seiner Hand, als sei es das normalste auf der ganzen Welt. Wie automatisch wurde Dario ruhiger, auch wenn ihm nun langsam wieder schlecht wurde. Egal, Zähne zusammenbeißen.

Die Stimmung wurde gerade wieder etwas ruhiger, nachdem sie vor zehn Minuten wirklich am Kochen gewesen war, die Musik schwankte gerade um, auf irgendetwas, zu dem man sich langsam umherwiegen konnte, und Tim hielt seine Hand. Dario hätte es sich nicht schöner vorstellen können, doch sein Magen machte es ihm unmöglich, dass länger als fünf Minuten genießen zu können; ihm war speiübel, seine Ohren waren zu und sein Kopf schmerzte.
Trotzdem ließ er sich von Tim aufziehen, so dass sie sich ein wenig zu der Musik wiegen konnten; er kuschelte sich an den Blonden, doch auch dass wurde ihm nicht besonders lange vergönnt, denn als er hochsah, wackelte seine Welt an den Rändern, und er fiel beinahe um.
" Dario! Alles okay?", fragte der Blonde alarmiert, strich ihm kurz über die Stirn und zuckt zurück, "Oh Gott, du bist total heiß!", flüsterte er, und Dario wollte etwas erwidern, als er aufstoßen musste, sich ruckartig abwandte und ins Bad stürzte, wo er sich übergab.
Hinter sich hörte er Schritte, er drehte sich um, besaß genug Geistesgegenwart, um zu spülen, und sah dann Tim Bergmann an.
" Bist du... Nein, du hast den ganzen Abend nichts getrunken. Dario, alles in Ordnung?", fragte der Blonde, und jetzt sah der Jüngere ein, er musste reinen Tisch machen.
" Nein, ich.. Ich glaub, ich bin krank", gestand er, und Tim verdrehte die Augen, bat ihm dann den Arm an, "Nein, komm mir nicht zu nah..!"
" Komm. Ich bring'dich nach Hause. Auf eine Feier gehen, obwohl man krank ist", murmelte Tim, verabschiedete sich dann von Dominik; seinen Arm ergriff Dario aber erst, als sie außen waren, und die Straßen entlangliefen.
" Wie lange geht's dir schon schlecht", fragte der Blonde leise, hielt Darios Hand eisern fest, damit er ja nicht umkippte, was der Rothaarige gerne entgegennahm. Obwohl ihm so schlecht war, war er froh um Tims Nähe.
" Seit heute Morgen", murmelte er, lehnte sich etwas näher an Tim.
" Ach, mein Dario. Was bist du dann überhaupt auf die Party?", fragte Tim, aber der Jüngere wollte nicht darauf antworten, er schüttelte nur den Kopf. Erst, als sie vor seiner Türe standen, antwortete er leise darauf.
" Ich.. ich wollte dich unbedingt sehen", gab er zu, und der Ältere zog Dario näher an sich, so dass er das leichte Vibrieren seiner Brust spüren konnte, als Tim zu lachen begann.
" Du bist ein Idiot", stellte der Blonde fest, "Na los, ab ins Bett. Kurier dich aus, mich kannst du doch immer sehen", sagte er ruhig, "Ich gehe dann auch mal zurück", fügte er hinzu.
" Nein! Ich... ich meine, du kannst hierbleiben.", sagte Dario hastig, wurde dann rot. Das klang anders, als er es wollte, und er schämte sich fast dafür, dass er so etwas sagte.
" Vielleicht nächstes mal", sagte Tim, ein ehrliches Lächeln auf seinen Lippen.
Dario nickte, wollte sich dann abwenden, als der Ältere nochmal auf ihn zukam, seine Hand nahm, ihn an sich zog. Darios Augen schlossen sich für den Bruchteil der Sekunde, in der Tims Lippen seine streiften.
" Ich schreibe dir morgen früh", sagte der Blonde, dann fiel die Türe hinter ihm zu.
Dario war noch viel zu benebelt, um etwas zu sagen.





Meinungen?
- Johanna.

Everyone.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt